Formel-1-Countdown 2010: Sauber

Nach vier Jahren Pause kehrt Peter Sauber in die Formel 1 zurück und versucht nach dem Ausstieg von Werkspartner BMW einen Neuanfang

von Christian Nimmervoll · 11.03.2010 15:07

(Motorsport-Total.com) - Am Sonntag beginnt in Manama (Bahrain) die neue Formel-1-Saison - und die Königsklasse birgt dieses Jahr so viel Spannung wie schon lange nicht mehr: Vier Weltmeister, sensationelle Comebacks und klingende Namen lassen jedes Racingherz höher schlagen. 'Motorsport-Total.com' nimmt vor dem Auftaktrennen wie jedes Jahr alle Teams genau unter die Lupe. Heute: Sauber.

Name und Farben erinnern noch an BMW, aber Sauber ist wieder Sauber!

"Das ist für mich, als würde ich als Brautvater meine Tochter zum Altar führen." O-Ton Peter Sauber im Sommer 2005, nachdem er den Verkaufsvertrag an BMW unterschrieben hatte. Doch sein "Mädchen" wurde mit dem Münchner "Bräutigam" nicht glücklich, sondern wollte nach vier Jahren zum Vater zurück. Der kehrte dafür aus dem Rentenurlaub zurück und zog wieder nach Hinwil, um sein Lebenswerk nicht qualvoll verenden zu lassen.

Der Gürtel muss enger geschnallt werden

Auch wenn der Schweizer auf BMW nicht allzu gut zu sprechen ist, hat er dem Automobilhersteller viel zu verdanken. Denn Sauber musste die Belegschaft auf 260 Mitarbeiter reduzieren und für 2010 mit einem Budget von gerade mal 75 Millionen Euro planen, aber immerhin hat BMW in Hinwil eine erstklassige Infrastruktur hinterlassen, die sich das Team unter privater Führung niemals hätte leisten können - man denke zum Beispiel an die Albert-Supercomputer.

Peter Sauber hatte eigentlich nicht vor, noch einmal in die Formel 1 zu gehen

"Ich hatte nicht geplant, in die Formel 1 zurückzukehren, aber jetzt bin ich hier und ich bin glücklich", meinte Sauber bei der Teampräsentation. Er stellte auch klar, dass seine Auszeit "sehr schön" gewesen sei, "aber ich möchte das nicht missverstanden wissen: Ich hatte nie und habe auch heute kein Problem mit der Formel 1. Ich mag die Formel 1. Es wäre mir aber ehrlich gesagt lieber gewesen, die Situation der vergangenen vier Jahre beizubehalten. Das war angenehm. 36 sehr harte Jahre im Motorsport waren genug."

Nachdem sich BMW mit dem Verkauf an das "Luftschloss" Qadbak bis auf die Knochen blamiert hatte, wackelten alle Arbeitsplätze in Hinwil. Das konnte Sauber nicht mit ansehen, sodass er sich doch dazu durchrang, noch einmal an den Kommandostand zurückzukehren. Allerdings betrachtet er das nur als Interimslösung: "Ich habe jedenfalls nicht vor, fünf Jahre zu bleiben! Es ist im Moment aber nicht ideal, das Team zu verkaufen."

Teamname nicht geändert

Denn Geld ist in Zeiten der Wirtschaftskrise knapp. Das zeigt sich auch daran, dass der Rennstall offiziell immer noch als "BMW Sauber F1 Team" eingeschrieben ist, wenngleich BMW nichts mehr mit dem Projekt zu tun hat und selbst die Motoren wie früher von Ferrari kommen. Doch Sauber hatte offenbar Angst, im Falle einer Namensänderung den Anspruch auf die Einnahmenbeteiligung am großen Formel-1-Topf zu verlieren, was einem Todesstoß gleichkäme, solange sich am Auto noch keine nennenswerten Sponsorenaufkleber befinden.

Entwickelt wurde der Sauber-Ferrari C29 noch unter BMW Regie von Willy Rampf. Es wird das letzte Formel-1-Design des Deutschen bleiben: "Als Technischer Direktor eines Formel-1-Teams muss man dem Beruf alles andere unterordnen. Das habe ich zehn Jahre mit Leidenschaft getan, aber jetzt ist Zeit für die Stabübergabe", so der 56-Jährige, der seinen Posten bis Ende April im Zuge eines fließenden Übergangs an James Key, bisher bei Force India, übergeben wird.

"Ich kenne Willys Wunsch schon eine Weile und kann ihn verstehen", erklärt Teamchef Sauber. "Er hat Großartiges für unser Team geleistet. Für die Saison 1994 konnte ich ihn als Renningenieur gewinnen. 1998 verließ er das Team zwischenzeitlich, um seinen Traum von der Rallye Paris-Dakar als BMW-Rennleiter auszuleben - mit Erfolg, wie wir wissen. 1999 kam er mit dem klaren Ziel, Technischer Direktor zu werden, zu uns zurück. 2001 war praktisch sein erstes Auto am Start und wir wurden als Privatteam Vierter in der WM der Konstrukteure. Wir haben Willy viel zu verdanken."

Hervorragende Wintertestfahrten

Der C29 startete auf der kurvenreichen Strecke in Valencia optimal in den Testwinter und musste sich anfangs nur dem Ferrari F10 geschlagen geben. In Jerez de la Frontera markierte Kamui Kobayashi später sogar eine Tagesbestzeit. Das Auto verfügt über einen sehr langen Radstand und eine sehr hohe Nase, setzt aber vom Grundkonzept her auf das Vorjahresmodell auf. Allerdings wurde massiv Gewicht eingespart, was die Balance verbessern müsste.

Ein Foto aus dem Vorjahr: BMW hat in Hinwil nicht mehr das Sagen...

"Wir haben 2009 auf Platz sechs beendet. Jetzt haben wir ein sehr viel kleineres Budget, weniger Mitarbeiter - nur noch ungefähr 260. Das Ziel ist, trotzdem auf einem ähnlichen Niveau wie im Vorjahr zu fahren. Dafür müssen wir effizient sein", erklärt Sauber. Zumindest das Auto scheint ein guter Wurf zu sein - und sollten die Ergebnisse von Anfang an stimmen, dann werden auch die großen Sponsoren bald kommen.

Eine Hilfe ist es, wenn das Gehalt von Routinier Pedro de la Rosa nicht bezahlt werden muss - angeblich kassiert der Spanier von der Großbank Santander 75.000 Euro pro Grand Prix, Punkteprämien noch nicht eingerechnet. De la Rosa, der von McLaren viel Erfahrung mitbringt, war übrigens Wunschkandidat, obwohl Sauber auch an Nick Heidfeld hätte festhalten können. Doch den Deutschen ließen die Schweizer ohne Gegenwehr zu Mercedes ziehen.

De la Rosa hofft auf viele Punkte

"Für mich war wichtig, einen Neuanfang zu machen. Nick hat sieben Jahre mit uns gearbeitet. Ich wollte zwei neue Fahrer haben", begründet Sauber, während de la Rosa ankündigt: "Ich möchte Punkte holen. Ich drehe bestimmt nicht durch, sondern will einfach nur ein regelmäßiger Punktekandidat sein. Das ist mein Ziel. Natürlich habe ich auch Träume, aber die behalte ich für mich, sonst würden sie mich am Saisonende vielleicht als Träumer abstempeln!"

Pedro de la Rosa im optisch recht innovativen Sauber-Ferrari C29

Dabei halten viele Sauber für einen möglichen Geheimtipp, weil der C29 bei den Testfahrten weniger Reifen verbrauchte als alle anderen 2010er-Autos. Das könnte dieses Jahr umso wichtiger sein, als der Reifenverschleiß wegen des hohen Gewichts am Beginn der Rennen ohnehin höher ist als in der Vergangenheit. Aber de la Rosa ist sich "nicht sicher", ob diese von Bridgestone preisgegebene Information wirklich einen großen Unterschied machen wird.

"Bei den Wintertests waren die Temperaturen sehr niedrig. Jetzt beginnt erst die Realität", so der 39-Jährige vor dem Grand Prix von Bahrain. "Die Reifennutzung wird dramatisch anders sein als etwa in Barcelona, insofern müssen wir da anpassungsfähig bleiben. Wir wissen nicht, wo unsere Gegner stehen. Wir haben ein Gefühl, sicher, und wir schauen uns unsere eigenen Daten an, aber mehr können wir nicht tun. Was unseren eigenen Beitrag angeht, sind wir optimistisch."

Kobayashi muss sein Talent beweisen

Teamkollege Kobayashi macht sich über solche Dinge weniger Gedanken. Der Japaner wurde nach seinem Debüt als Timo-Glock-Ersatz im Toyota von vielen Fans und einigen wenigen Experten schon als zukünftiger Weltmeister bejubelt, muss nun aber den Beweis antreten, dass er tatsächlich besser ist, als es seine GP2-Ergebnisse vermuten lassen. Zumindest am Selbstvertrauen wird der 23-Jährige nicht scheitern.

Kamui Kobayashi gilt als einer der schnellsten Formel-1-Japaner aller Zeiten

"Es gibt viele Strecken, die ich nicht kenne. Das macht viel aus. Selbst nach drei oder vier Stunden Training und Qualifying ist das nicht leicht", gesteht er. Aber: "Vielleicht kann ich ein paar Mal auf das Podium fahren. Wir müssen regelmäßig punkten - und damit meine ich eher vierte bis achte als neunte und zehnte Plätze. Das ist sehr wichtig für uns. Wer weiß, vielleicht geht dann auch mal mehr, wenn jemand ausfällt?"

Übrigens: Das Sauber-Team gilt offiziell als Nachfolger des BMW Sauber F1 Teams und führt laut Auskunft von Pressesprecher Hanspeter Brack die Statistiken seit 1993 fort - fast so, als wäre BMW nie da gewesen. Das bedeutet: Ein Sieg von de la Rosa oder Kobayashi wäre nicht der erste, sondern nach Robert Kubica in Kanada 2008 der zweite Sieg des Rennstalls. Außerdem würde dann die Schweizer Hymne gespielt, weil die deutsche Lizenz zurückgelegt wurde.

Saisonstatistik 2009:

Team:


Konstrukteurswertung: 6. (36 Punkte)

Siege: 0

Pole-Positions: 0

Schnellste Rennrunden: 0

Podestplätze: 2

Ausfallsrate: 14,7 Prozent (4.)

Durchschnittlicher Startplatz: 11,4 (7.)

Testkilometer 2010: 5.112 (7.)

Testbestzeiten 2010: 1 (6.)

Qualifyingduelle:

Kobayashi vs. Trulli: 0:2

Pedro de la Rosa (Startnummer 22):

Fahrerwertung: -

Gefahrene Rennen: -

Siege: -

Podestplätze: -

Pole-Positions: -

Schnellste Rennrunden: -

Durchschnittlicher Startplatz: -

Bester Startplatz: -

Bestes Rennergebnis: -

Ausfallsrate: -

Testkilometer 2010: 2.585 (13.)

Testbestzeiten 2010: 0 (12.)

Kamui Kobayashi (Startnummer 23):

Fahrerwertung: 18. (3 Punkte)

Gefahrene Rennen: 2/17

Siege: 0

Podestplätze: 0

Pole-Positions: 0

Schnellste Rennrunden: 0

Durchschnittlicher Startplatz: 11,5 (13.)

Bester Startplatz: 11.

Bestes Rennergebnis: 6.

Ausfallsrate: 0,0 Prozent (1.)

Testkilometer 2010: 2.527 (14.)

Testbestzeiten 2010: 1 (5.)