Meinung: Warum der Grand Prix von Japan nicht langweilig war
Keine Überholmanöver, keine großen Strategiewechsel, keine Unfälle oder Safety-Cars: Das Rennen in Suzuka war nicht spektakulär - aber war es langweilig?
(Motorsport-Total.com) - Der Grand Prix von Japan 2025 war kein Thriller. Aber zu behaupten, er sei langweilig gewesen, würde nicht nur dem Rennen selbst, sondern auch einer der größten Leistungen eines der besten Fahrer der Formel-1-Geschichte Unrecht tun.
Es war kein Rennen, mit dem die Formel 1 neue Fans gewinnt. Sicherlich - für jemanden, der am frühen Sonntagmorgen in Europa oder sehr spät am Samstagabend in den USA zufällig den Fernseher eingeschaltet hat (macht das überhaupt noch jemand?) und zum ersten Mal ein Formel-1-Rennen sah, war es wohl kaum ein Ereignis, das ihn sofort in den Bann gezogen hätte.
Aber für diejenigen, die der Formel 1 seit Jahren folgen, hatte dieses Rennen durchaus etwas zu bieten. Kein Überholfestival, aber eine fahrerische Meisterleistung eines Großen dieser Sportart.
Perfektion kann manchmal langweilig wirken, aber im richtigen Kontext war es für Max Verstappen alles andere als ein Spaziergang. 53 Runden lang zwei schnellere Autos hinter sich zu halten, ist etwas, das vielleicht nur er so souverän umsetzen kann - und genau das macht die Leistung umso beeindruckender.
Ja, Suzuka ist nicht die beste Strecke für Überholmanöver - aber ist Überholen dort unmöglich? Nein. Ein einziger Fahrfehler, ein Verbremser hätte Lando Norris vielleicht gereicht, um nahe genug heranzukommen und anzugreifen. Doch Verstappen war fehlerlos.
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Natürlich war es nicht wie Imola 2024. Norris klebte weder am Heckflügel von Verstappens Red Bull noch wechselte er ständig die Linie, um einen Fehler zu provozieren. McLaren war nie nah genug dran, um echte Rad-an-Rad-Action zu liefern. Aber es war trotzdem eine Verfolgungsjagd von Anfang bis Ende - mit einem zusätzlichen Highlight beim Kampf am Boxenausgang.
Ein Rennen für die "wahren" Formel-1-Fans
Manchmal muss man sich entscheiden, worüber man sich eigentlich beschweren möchte. Vermisst man nicht oft die guten alten Zeiten, in denen die Fahrer vom Start bis ins Ziel ans Limit gehen konnten? Und ist es nicht ein häufig genanntes Argument echter Fans, dass alte Traditionsstrecken im Formel-1-Kalender bleiben sollen?
Der Grand Prix von Japan - mit den kühleren Temperaturen am Sonntag, die den Reifenabbau praktisch eliminierten und den Fahrern erlaubten, ohne Rücksicht zu pushen - war genau so ein Rennen. In gewisser Weise war es ein Rennen für die "wahren" Fans der Formel 1.
Und was ist mit dem Argument, dass das Auto der entscheidende Faktor sei? Natürlich stimmt es, dass man in der Formel 1 ohne ein gutes Auto nicht gewinnen kann - aber Suzuka war eine Erinnerung daran, dass auch Fahrerkönnen zählt. Manchmal reicht es sogar aus, um schnellere Autos zu schlagen.
Wäre so ein Sieg auch auf anderen Strecken möglich gewesen? Wahrscheinlich nicht. Wenn sich dasselbe Szenario an diesem Wochenende in Bahrain abspielt, könnte Max sich vielleicht nicht so gut behaupten.
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Sicherlich hätten Norris - und wahrscheinlich auch Oscar Piastri - auf einer Strecke wie Austin mit ihrer langen Geraden bessere Chancen gehabt, Verstappen zu überholen. Aber letztlich: Hätten zwei DRS-Überholmanöver den Grand Prix von Japan spektakulärer gemacht?
Das hängt natürlich davon ab, wie hart Max sich gewehrt hätte - und er gibt nun mal nicht leicht auf -, aber wenn Suzuka mehr Überholmöglichkeiten geboten hätte, hätten wir vielleicht sogar einen McLaren-Doppelsieg gesehen. Und das wäre dann wirklich langweilig gewesen!
Spektakulär enge Abstände im Qualifying
Viel wurde darüber gesagt, dass das Rennen schon am Samstag entschieden wurde - und die Zielreihenfolge, die größtenteils dem Qualifying entsprach, bestätigt das. Doch selbst wenn das stimmt, macht es Verstappens Sieg nur noch spektakulärer.
Denn wenn das Rennen durch einen Vorsprung von 0,012 Sekunden gewonnen wurde - dank einer wirklich beeindruckenden Quali-Runde des Niederländers -, dann ist das Formel 1 in Reinform. Die Top 3 am Samstag lagen nur 0,032 Sekunden auseinander. Wie kann man da sagen, es sei nicht spektakulär gewesen?
Das zeigt: Die ultimative Geschwindigkeit zählt in der Formel 1 nach wie vor. Wäre Verstappen auf seiner letzten Runde im Qualifying nur einen Hauch langsamer gewesen, hätte er Suzuka nicht mit nur einem Punkt Rückstand auf Norris in der Gesamtwertung verlassen.
Und man kann wohl mehr Positives als Negatives aus diesem Rennen mitnehmen: Der bessere Fahrer gewann - auf einer Strecke, die Männer von Jungs unterscheidet.
Die Wahrheit ist: Die Formel 1 wird nicht immer ein Spektakel voller Überholmanöver liefern. Es wird langweilige Rennen geben, ganz gleich, welche Regeln gelten. Aber das ist in jeder Sportart so. Macht ein 0:0 zwischen zwei Top-Fußballteams ein Spiel automatisch langweiliger als ein 4:3 in der Regionalliga?
Die Schönheit des Spitzensports liegt auch in der Spannung - und davon gab es am Sonntag in Suzuka reichlich. Wenn es wirklich nur ums Spektakel ginge, wäre die Moto3 längst die beliebteste Motorsportklasse der Welt.
Klar, der Grand Prix von Japan 2025 war nicht das beste Rennen aller Zeiten. Aber es war eines, an das man sich erinnern wird - wegen Verstappen. Er hat schon viele Prozessionsrennen geprägt, bei denen er dem Feld einfach davongefahren ist. Doch seine Fahrt in Suzuka war etwas anderes. Es war eine der größten sportlichen Einzelleistungen.
Und wenn man noch die Teamleistung hinzurechnet - ein Auto zu liefern, das am Samstag mit den McLarens mithalten konnte, und am Sonntag die perfekte Strategie umzusetzen - dann wird es noch außergewöhnlicher.
Und Suzuka ... Tja, vielleicht ist es nicht modern genug, um echtes Rad-an-Rad-Racing mit den heutigen riesigen Formel-1-Autos zu ermöglichen. Aber das ist kein Grund, sofort Hermann Tilke zu rufen, um ein paar Kurven neu zu gestalten. Die Weltmeisterschaft besteht aus 24 Rennen auf 24 verschiedenen Strecken - und wenn ein paar davon immer noch ein perfektes Qualifying belohnen, ist das kein Nachteil.
Und es besteht kein Zweifel daran, dass viele derjenigen, die am Sonntag gezielt den Fernseher eingeschaltet haben, um dieses Rennen zu sehen, nicht enttäuscht wurden.