Red-Bull-Fahrerwechsel: Welche Botschaft sendet das Team an junge Talente?
Die Zeiten in der Formel 1 ändern sich, findet Redakteur Ronald Vording: Kann Red Bull mit seiner harten Nachwuchspolitik dennoch etwas von anderen Teams lernen?
(Motorsport-Total.com) - Schon nach zwei Rennen der Formel-1-Saison 2025 zieht Red Bull die Reißleine: Liam Lawson verliert seinen Platz im A-Team - Yuki Tsunoda übernimmt. Doch was bedeutet dieser Schritt für junge Fahrer und das Red-Bull-Nachwuchsprogramm?
Diese Entscheidung reiht sich nahtlos in Red Bulls lange Liste harter Personalentscheidungen ein: Christian Klien, Scott Speed, Sebastien Bourdais, Daniil Kwjat (zweimal), Pierre Gasly, Nyck de Vries, Daniel Ricciardo - die Liste der Fahrer, die vom Team oder dessen Schwesterteam während einer Saison ausgetauscht wurden, ist lang.
Lawson setzt dabei einen fragwürdigen Rekord: Noch nie hat Red Bull einen Fahrer schneller abgesägt. Dass der Neuseeländer nur zwei Rennen bekam - und das auf für ihn völlig neuen Strecken - ist selbst für Red Bulls harte Maßstäbe bemerkenswert.
Helmut Marko ließ in Shanghai keine Zweifel: Als Lawson meinte, er brauche mehr Zeit im Auto, entgegnete Marko trocken: "Er hat recht." Red Bulls Philosophie ist bekannt: offen, direkt - aber auch gnadenlos. Viele frühere Fahrer können ein Lied davon singen. De Vries erfuhr Monate nach seiner Entlassung, dass Marko ihn als "den größten Fehler seiner Karriere" bezeichnet hatte.
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Warum ist Red Bull in Lawsons Fall so radikal? Während Sergio Perez bislang der einzige Fahrer ist, dem Red Bull über längere Zeit eine Formkrise zugestand - wohl auch aufgrund seiner mexikanischen Sponsoren - zeigt Lawsons kurzes Intermezzo, dass das Problem möglicherweise weniger beim Fahrer als beim Auto liegt. Max Verstappen deutete mehrfach an, dass der aktuelle Red Bull ein extrem schwieriges Fahrzeug ist.
Trotz der Härte von Lawsons Ausbootung könnte der Schritt für ihn langfristig eine Rettung sein. Teamchef Christian Horner betonte in China, dass Red Bull eine "Verantwortung" für Lawson habe. Damit könnte er gemeint haben, ihm mehr Zeit in der ersten Mannschaft zu geben - oder ihn aus einer unlösbaren Situation zu nehmen: Gegen Verstappen in identischem Material zu bestehen, wäre für den Neuseeländer eine nahezu unlösbare Aufgabe gewesen. Die Rückkehr in ein weniger forderndes Umfeld könnte seine Formel-1-Karriere am Ende sogar retten.
Der Antonelli-Vergleich: Geduld zahlt sich aus
Red Bulls gnadenlose Nachwuchspolitik steht in krassem Kontrast zu Mercedes? langfristiger Strategie. Dort wird Andrea Kimi Antonelli behutsam aufgebaut. Als der junge Italiener in Monza als künftiger Silberpfeil-Pilot angekündigt wurde, erklärte Toto Wolff: "Fünf Minuten nachdem Lewis mir sagte, dass er zu Ferrari geht, hatte ich meine Entscheidung getroffen."
In Wahrheit sah das anders aus: Eine Woche zuvor in Zandvoort sprach Wolff noch offen über ein Interesse an Verstappen. Doch nachdem sich die Option Verstappen für 2025 zerschlagen hatte, setzte Mercedes konsequent auf Antonelli - und schirmte ihn von jeglichem medialen Druck ab.
Neben der Außendarstellung investierte Mercedes massiv in die Vorbereitung: Antonelli absolvierte über 9.000 Kilometer bei Testfahrten in alten Autos (TPC, testing pervious cars). Im Gegensatz dazu bekam Lawson nur einen Filmtag in Abu Dhabi und einen Silverstone-Test im RB20.
Beim Young-Driver-Test nach der Saison 2024 saß er sogar im Racing-Bulls-Auto, während Tsunoda und Isack Hadjar für Red Bull Racing fuhren - obwohl damals schon klar war, dass Lawson die besten Chancen auf das zweite Red-Bull-Cockpit hatte.
Red Bulls knallharter Ansatz mag in der Vergangenheit funktioniert haben, doch in der modernen Formel 1 könnte eine strategischere Herangehensweise mit mehr Testmöglichkeiten für junge Fahrer der klügere Weg sein.
Hat Red Bull seine Vormachtstellung im Nachwuchsbereich verloren?
Jahrelang war Red Bulls größter Vorteil die Geschwindigkeit, mit der es Talente in die Formel 1 brachte. Sieben der 20 Fahrer im Formel-1-Fahrerfeld der Saison 2025 stammen aus dem Red-Bull-Programm - eine beeindruckende Quote. Doch während Red Bull einst fast als einziges Team in den Nachwuchs investierte, haben mittlerweile mehrere Teams eigene Talente im Blick.
Ein Schlüsselmoment war Oliver Bearmans Ferrari-Debüt in Jeddah. Der Brite, der in der Formel 2 mit Prema zu kämpfen hatte, stieg in den SF-24 und lieferte ein nahezu fehlerfreies Wochenende ab. Für Mercedes und Sauber war das eine Bestätigung, dass der Weg über TPC-Tests und behutsame Entwicklung die richtige Strategie für 2025 sein könnte.
Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1
Christian Klien (2004-2010): Mit Unterstützung von Red Bull debütiert der Österreicher 2004 bei Jaguar in der Formel 1. Nach der Übernahme des Rennstalls durch den Engergy-Drink-Hersteller fährt Klien auch 2005 und 2006 bei den meisten Grands Prix für das nun Red-Bull-Racing genannte Team an der Seite von David Coulthard. Ende 2006 scheidet Klien nach Streitigkeiten über einen Wechsel in die ChampCar-Serie aus dem Red-Bull-Kader aus. Später ist der Österreicher Testfahrer für Honda und BMW-Sauber und fährt 2010 drei Rennen für HRT. Fotostrecke
Die Realität: Red Bull hat nicht mehr das Monopol auf talentierte Nachwuchsfahrer. Neben der Ferrari-Driver-Academy, die Charles Leclerc hervorbrachte, investieren nun auch Mercedes, Alpine, McLaren und sogar Williams in ihre Nachwuchsprogramme.
Während Red Bull mit Sebastian Vettel und Max Verstappen zwei der größten Talente der letzten Jahrzehnte entdeckte, stammt ein Großteil der heutigen Spitzenfahrer aus anderen Programmen: Leclerc (Ferrari), Norris (McLaren), Russell und Antonelli (Mercedes), Piastri (Alpine/McLaren). Die Nachwuchsarbeit der Konkurrenz zahlt sich aus.
Welche Botschaft sendet Red Bull mit der Lawson-Entscheidung?
In einem immer umkämpfteren Markt für junge Talente muss Red Bull wieder zu einer attraktiven Option für Nachwuchsfahrer werden. Es reicht nicht, Talente schnell in die Formel 1 zu bringen - sie müssen auch gefördert und langfristig entwickelt werden.
Das radikale Fallenlassen von Lawson nach nur zwei Rennen sendet eine gefährliche Botschaft an junge Talente: Red Bull gibt Chancen, aber auch keine zweite.
Für Kartfahrer, die von verschiedenen Juniorprogrammen umworben werden, könnte Lawsons Schicksal eine Rolle bei der Entscheidung spielen. Wenn Verstappen eines Tages Red Bull verlässt oder gar der Formel 1 den Rücken kehrt, könnte das Team wieder verstärkt auf sein Nachwuchsprogramm angewiesen sein.
Früher hatte Red Bull immer einen Plan für die Zukunft - doch heute gibt es Zweifel. Nicht nur auf der Rennstrecke, sondern auch auf der Leiter dorthin. Die Konkurrenz rüstet sich besser denn je, und in dieser neuen Realität zählt nicht nur Performance - sondern auch die Wahrnehmung.
Solche Entscheidungen helfen Red Bull dabei nicht, sondern könnten vielmehr Talente künftig abschrecken.