• 19. Februar 2025 · 01:02 Uhr

Letzte Nacht in London: Warum die große F1-Show ein Knüller war

Ein Abend zwischen großer Show, vielsagenden Buhrufen und witzigen Momenten: Der erste F1-Launch in London war ein voller Erfolg, findet Christian Nimmervoll

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Foto zur News: Letzte Nacht in London: Warum die große F1-Show ein Knüller war

Einer der Höhepunkte des Abends: Lewis Hamiltons Auftritt in Ferrari-Rot Zoom Download

vor ziemlich genau acht Jahren, am 7. März 2017, habe ich der Formel 1 in einem Kommentar empfohlen, dass in puncto Car-Launches "etwas ganz anderes viel sinnvoller" wäre als inhaltsleere Social-Media-Präsentationen mit noch inhaltsleereren Pressekonferenzen, nämlich "die neuen Autos in die City zu schieben und Lewis Hamilton und Kollegen Team by Team über die La Rambla donnern lassen, vor atemberaubender Kulisse und tausenden Menschen, die zufällig da sind, sich eigentlich nicht für die Formel 1 interessieren - aber es danach vielleicht tun".

"Man könnte", schrieb ich damals, rund um die offiziellen Formel-1-Wintertests in Barcelona, "auf einer Showbühne jeden Fahrer und Teamchef zu Wort kommen lassen, sodass jedes einzelne Team, und sei es noch so klein, Präsenz erhalten würde."

Der Ruf wurde erhört. Spät, aber doch.

Was die Formel 1 am späten Dienstagabend in der Londoner O2-Arena geboten hat, war spektakulär. "Das ist ein neuer Meilenstein für die Formel 1", formulierte es Mercedes-Teamchef Toto Wolff auf der Showbühne, auf der die Stars des Grand-Prix-Sports für einen Abend lang wie Rockstars gefeiert wurden.

Bei James "Fernando" Bond war die Million geknackt ...

Und das Spektakel kam offenbar an. Obwohl der Event auf allen möglichen Plattformen gestreamt wurde und selbst die meisten offiziellen TV-Broadcaster mit ihren eigenen Live-Übertragungen am Start waren, schauten gleich zu Beginn mehr als 800.000 Zuschauer den offiziellen Stream auf dem YouTube-Kanal der Formel 1. Als Aston Martin mit der James-Bond-Nummer eins der Highlights des Abends ablieferte, war erstmals die Million geknackt.

Nur um das mal in Relation zu setzen: Der bisherige Rekord für einen offiziellen Formel-1-Livestream auf YouTube lag bei 289.000 Zuschauern.

Für mich gibt es unmittelbar nach der Show vor allem zwei Indikatoren, die belegen, dass Rechteinhaber Liberty Media mit dem neuen Launch-Event viel richtig gemacht hat.

Erstens: In einer WhatsApp-Gruppe deutschsprachiger Formel-1-Fans, in der sich einige Mitglieder des YouTube-Kanals von Formel1.de regelmäßig austauschen und die allesamt als echte Hardcore-Fans durchgehen, schrieb einer nach dem Ende der Show: "War doch ganz nett anzuschauen. Kann man sich dran gewöhnen." Und prompt gingen die Daumen anderer User nach oben.

Und zweitens: Als meine Lebensgefährtin, die sonst so gar nichts mit der Formel 1 am Hut hat, kurz vor 21 Uhr von ihrem Dienst im Krankenhaus nach Hause kam, blieb sie tatsächlich ein Weilchen am Formel-1-Livestream hängen.

Zugegeben wollte sie von mir nicht wissen, was es mit den neuen Autos auf sich hat, sondern ob ich diesen Singer/Songwriter Kane Brown kenne, der da gerade auf der Bühne steht. Aber hey, immerhin hat sie mitbekommen, dass die moderne Formel 1 nicht nur Content für traditionelle Benzinbrüder wie mich bietet.

Formel 1 hat sich selbst mal nicht so ernst genommen

Die Benzinbrüder hätten, ehrlich gesagt, wahrscheinlich nicht viel verpasst, wären sie nicht live dabei gewesen. Denn gezeigt wurden natürlich nicht die neuen Autos, die bereits für den ersten Testtag in Bahrain am 26. Februar vorbereitet werden. Sondern lediglich die neuen Farben für 2025, aufgepinselt auf Autos aus dem Vorjahr.


Fotostrecke: Die Farbdesigns der Formel-1-Autos 2025

Die Formel 1 versuchte erst gar nicht, diese Tatsache zu vertuschen (was ziemlich sicher in die Hose gegangen wäre), sondern ließ den wirklich witzigen und an den richtigen Stellen unterhaltsam-zynischen Host Jack Whitehall gleich zu Beginn erklären: "Du weißt, dass dein Sport absurd wohlhabend ist, wenn du die O2-Arena buchst, um die Farben von einem Haufen Autos zu zeigen, die noch genauso aussehen wie vergangene Saison."

Und auch wenn für die Benzinbrüder wie mich erwartungsgemäß keine spannenden Technik-Analysen dabei waren und selbst die Aussagen der Fahrer bei den Pressekonferenzen vor dem Event ausnahmslos ziemlich weichgespült und persönlichkeitsbefreit daherkamen: Es gab dann doch ein paar kleine Highlights, die es wert waren, sich den Abend in voller Länge reinzuziehen.

Buhrufe gegen Sulayem und Horner überschatten den Abend

Zum Beispiel die Buhrufe, als Moderatorin Laura Winter den Automobil-Weltverband FIA eher beiläufig erwähnte. Bei einer von Liberty Media inszenierten Show angesichts des ewigen Streits zwischen Liberty auf der einen und FIA-Präsident Mohammed bin Sulayem auf der anderen Seite eine Szene, die mitten ins Herz des kontroversen Präsidenten gegangen sein dürfte.

Oder auch das kurze Interview mit Starkoch Gordon Ramsay, der von Whitehall gleich mal beschuldigt wurde, keine bezahlte Einladung auszulassen, die er kriegen kann, und dann unter frenetischem Jubel der gut 15.000 Zuschauer vor Ort gegen Sulayems Fluchverbot wetterte: "Manchmal kommt's halt aus den Fahrern raus. Lasst sie authentisch sein! Lasst sie in Ruhe, kommt schon!"

Doch kaum kam ihm das Wort "Shit" über die Lippen, wurde ihm auch schon der Ton abgedreht und Ramsay redete den Rest seines Rants ins Leere. Einer der amüsanteren Momente des Abends.

Weniger amüsant, aber genauso spannend war, wie Christian Horner, der Chef des früher mal so dynamisch daherkommenden Red-Bull-Teams, am Beginn einer der langweiligeren Inszenierungen des Abends vom Publikum gnadenlos ausgebuht wurde. Womöglich eine Spätfolge der Horner-Affäre, die vor ziemlich genau einem Jahr losgegangen ist? Oder vielleicht doch nur eine hämische Reaktion der Fans für seine etwas steif und leicht peinlich anmutende Selbstinszenierung?

Frenetischer Jubel bei Hamiltons Ferrari-Auftritt

Im Laufe des Abends schalteten immer mehr Zuschauer ein. Viele von ihnen warteten vor allem drauf, Lewis Hamilton endlich im roten Ferrari-Overall zu sehen. Wir registrierten das auf unseren Plattformen, weil plötzlich die Seite mit den Ergebnissen der Konstrukteurs-WM 2024 ungewöhnlich hohe Aufrufzahlen verzeichnete. Offenbar wollten die Fans wissen, wann endlich Ferrari drankommt.

Als Vizeweltmeister von 2024 (hinter McLaren) war die Scuderia das vorletzte Team, und anders als Horner, dessen Auftritt jede Demut vermissen ließ, stellte sich Hamilton mit einem sehr würdigen und sympathischen Moment auf der Bühne als neuer Ferrari-Fahrer vor. Es war der krönende Höhepunkt einer sehenswerten Formel-1-Show, die im Peak auf YouTube 1,1 Millionen Zuschauer gleichzeitig erreichte. Und die Halle in London bebte für einen Moment.

Es wäre ein passendes Ende gewesen, wenn die Formel 1 dann mit "Let me entertain you" die neue Saison eingeläutet hätte, aber statt Robbie Williams stand dann nur die übriggebliebene Rumpftruppe von Take That auf der Bühne, die irgendwas von "Watch the world come alive tonight" sang. Passende Worte, am Beginn der Formel-1-Saison 2025.

Wem die letzte Nacht nicht so gut gefallen hat

Mir ist schon klar, dass das alles nicht jedem gefallen hat. Natürlich gibt es auch die kritischen Stimmen - auch aus meinem Kollegenkreis. Frederik Hackbarth meinte etwa gleich zu Beginn, als schon nach Minuten klar wurde, dass der Motorsport an diesem Abend keine große Rolle spielen würde, das alles sei wie "Superbowl ohne Sport". Und Stefan Ehlen kommentierte nach gut einer Viertelstunde: "Weckt mich jemand, wenn mal zufällig ein Auto zu sehen ist?"

Wer also die Formel 1 nur der Autorennen wegen schauen mag, der hat sicher schon spannendere Abende erlebt als den gestrigen. Eine Perspektive, die der Herr Kollege gut nachvollziehen kann, wie er in seiner kritischen Schwesterkolumne aufgeschrieben hat.

Ich sehe das anders. Ich zähle mich selbst nicht zur Netflix-Generation, sondern bekenne mich ganz klar zu den Traditionalisten in der Formel 1. Nur: Solange mir von den packenden Autorennen und den heroischen Geschichten nichts weggenommen wird, ist es mir ziemlich mumpitz, wenn Liberty Media drumherum ein Brimborium veranstaltet, wie sie es jetzt in London getan haben.

Und wenn das alles am Ende dazu führt, dass irgendwann mal vielleicht auch meine Freundin mit zu einem Grand Prix kommt, dann würde ich sagen: So schlecht war die Idee wohl nicht.

Vermarktet Liberty die Show jetzt als "25. Grand Prix"?

Aus Sicht von Liberty sowieso nicht. Alles, was Geld in die Kassen der Formel 1 spült, lieben die Aktionäre. Und nach der erfolgreichen Premiere wäre es nur logisch und konsequent, den F1-Launch in Zukunft als so etwas wie einen 25. Grand Prix an den Meistbietenden zu verhökern.

2026 startet die Formel 1 mit einem neuen Reglement in eine neue Ära, und sollten die traditionellen Wintertests wieder in Bahrain stattfinden, wo das Schneerisiko geringer ist als in Europa, wäre es doch nur naheliegend, zwei Tage vor Testbeginn eine Show nach Londoner Vorbild irgendwo im Nahen Osten zu inszenieren. Ich bin mir sicher, die Scheichs in Abu Dhabi, Bahrain, Katar oder Saudi-Arabien würden dafür erstens ein paar Scheinchen auf den Tisch legen und zweitens einen spektakulären Rahmen aufbieten, der sich vor der O2-Arena nicht verstecken muss.

Und wenn die neuen Autos schon in der Nähe sind, weil sie ohnehin zwei Tage später getestet werden, dann könnte man die neuen Lackierungen doch gleich auf den echten neuen Autos zeigen, oder?

Vielleicht erhört die Formel 1 meinen Ruf ja nochmal. Dann kämen nämlich auch die hartgesottenen Benzinbrüder nicht an dem Livestream vorbei ...

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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