• 16. Januar 2025 · 15:38 Uhr

Briatore macht Druck: (Keine) faire Chance für Jack Doohan?

Der Vertrag von Franco Colapinto mit Alpine wird von vielen als direkte Bedrohung für Jack Doohan gesehen: Doch für Redakteur Oleg Karpow geht das auch in Ordnung

(Motorsport-Total.com) - Es gibt ein entscheidendes Detail bezüglich Franco Colapintos Wechsel zu Alpine - und zwar, dass die Jobbeschreibung in Enstone vermutlich nicht zu dem Job passt, die er und sein Manager wirklich gewollt haben.

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Flavio Briatore zieht im Hintergrund schon die Fäden Zoom Download

"Wenn Franco nächstes Jahr nicht in einem Renncockpit sitzt, haben wir ein historisches Auto, ein zwei Jahre altes Auto", sagte Colapintos ehemaliger Chef James Vowles auf einer Pressekonferenz in Katar.

"Er wird damit häufig fahren, um auf Geschwindigkeit zu kommen. Ich habe das in einem früheren Leben schon einmal mit Esteban (Ocon bei Mercedes; Anm. d. Red.) gemacht, als er ein Jahr pausierte. Esteban ist heute hier und immer noch ein starker Fahrer. Es gibt Dinge, die wir effektiv tun können, um seine Stärke zu erhalten."

Um Ersatzfahrer zu sein und in einem alten Auto ein paar Kilometer zu sammeln, dafür hätte Colapinto auch einfach bei Williams bleiben können. Auch für das Team hätte das perfekt Sinn ergeben.

Auch mit dem laut Vowles besten Fahrer-Line-up in der Formel 1 hätte es nicht wehgetan, einen Ersatz zu behalten, der schon bewiesen hat, dass man ihn jederzeit ins Auto setzen kann und Leistung bekommt.

Colapinto: Stammplatz im Visier?

Es kann daher nur eine logische Erklärung geben. Colapinto und sein Lager müssen zuversichtlich sein, dass er bei Alpine in naher Zukunft eine bessere Chance auf ein Renncockpit haben wird als bei Williams. Und das wird auch durch Aussagen von Vowles gestützt, die am Tag der Verkündung über die Kommunikationsabteilung des Teams an die Medien gespielt wurden.

"Wir glauben, dass diese Vereinbarung mit Alpine die beste Chance für Franco ist, sich ein Renncockpit 2025 oder 2026 zu sichern", wurde er zitiert.


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Und das ist ein guter Hinweis. Der Argentinier, der als Ersatz von Logan Sargeant zu beeindrucken wusste, hat bei Alpine eine echte Chance, in naher Zukunft in einem der Autos zu sitzen. Und man muss kein Genie sein, um herauszufinden, um welches Cockpit es dabei geht: um das von Jack Doohan.

Man kann das natürlich auf zwei Arten betrachten. Die zynische Sichtweise - die in der Formel 1 am weitesten verbreitete - ist die, dass das Schicksal des Australiers so gut wie entschieden ist. Das weit verbreitete Gerücht, das während der letzten Rennen 2024 im Fahrerlager kursierte, besagte, dass Doohan durch seinen Alpine-Vertrag nur eine begrenzte Anzahl von Rennen garantiert sei.

Abu Dhabi als Vorgeschmack auf den Abgesang?

Und einige Zyniker - und davon gibt es in der Formel 1 eine Menge, wie man sich vorstellen kann - haben es sogar gewagt, dies mit der Entscheidung des Teams in Verbindung zu bringen, den Abgang von Ocon zu beschleunigen.

Es hieß, indem man Doohan in Abu Dhabi ins Auto setzt, würde Alpine-Berater Flavio Briatore ihn ins offene Messer laufen lassen und sein Scheitern vorbereiten - und so seine zukünftige Entlassung näher bringen. Und genau so eine Frage musste sich auch Teamchef Oliver Oakes nach dem Rennen gefallen lassen.

Es gibt aber auch die Möglichkeit, dass Doohan seine eigene Zukunft durch Ergebnisse diktieren kann. Aber selbst wenn Briatore nicht so zynisch ist wie einige andere, ist klar, dass die Verpflichtung von Colapinto zusätzlichen Druck für Doohan mitbringt. Der Argentinier wäre nicht im Team, wenn Briatore ihn nicht als zukünftigen Einsatzfahrer sehen würde.

"Das Einzige, was sicher ist, ist der Tod", sagte Briatore im Dezember der französischen Zeitung Le Parisien. "Wir werden das Jahr mit Pierre und Jack beginnen, das kann ich garantieren. Dann werden wir im Laufe der Saison sehen. Ich muss das Team in die Lage versetzen, Ergebnisse zu erzielen. Und der Fahrer ist derjenige, der die Arbeit von fast 1.000 Leuten hinter ihm umsetzen muss."

"Jeder arbeitet nur für zwei Leute. Wenn einer der Fahrer nicht vorankommt, keine Ergebnisse bringt, dann ersetze ich ihn. In der Formel 1 darf man nicht emotional sein."

Schöne Worte sind das nicht, um es milde auszudrücken.

Jack Doohan unter Druck

Sicherlich ist es für Jack Doohan im Moment nicht einfach. Spekulationen über seinen Platz gab es bereits vor seinem Debüt in Abu Dhabi. Im Fahrerlager ist bekannt, dass Briatore ihn einer Art Back-to-Back-Test mit Pierre Gasly unterzog, damit das Team seine Geschwindigkeit im Vergleich zu ihrem Topfahrer einschätzen kann. Und das wurde mit dem Interesse an Colapinto in Verbindung gebracht.

Seitdem haben sich diese Gerüchte in Form eines Ersatzfahrer-Deals materialisiert - und all das heißt, dass Doohan nicht viel Zeit haben wird, sich einzuleben. Er muss liefern.


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Es gibt gute Gründe zu glauben, dass Alpine möchte, dass Doohan in den ersten Rennen ohne Ausreden liefert. Denn wenn er es nicht tut, dann haben Briatore und Oakes mit Colapinto jemanden in der Hinterhand, der schon bewiesen hat, dass er performen kann, wenn man ihn ohne große Vorbereitung ins kalte Wasser schmeißt.

Ja, seine neun Rennen mit Williams waren nicht perfekt und Unfälle in Brasilien und Las Vegas haben den Hypetrain ein wenig verlangsamt, aber das Potenzial ist da und auch bekannt.

Wäre der Formel 1 Colapinto lieber?

Zyniker werden nicht vergessen zu erwähnen, dass Briatore vielleicht auch von den potenziellen kommerziellen Vorteilen einer möglichen Beförderung Colapintos in ein Renncockpit angezogen wird.

Die Wirkung von Colapintos Debüt war enorm - sowohl in Argentinien als auch in der Formel 1. Logos von Unternehmen aus seinem Heimatland tauchten nicht nur auf Williams-Autos auf, sondern zierten auch Werbetafeln bei Rennen, an denen Colapinto teilnahm.

Und auch wenn die Formel 1 selbst die Entscheidung von Alpine nicht beeinflussen kann, so dürften die Bosse der Meisterschaft nicht allzu enttäuscht sein, den Argentinier wieder zurück im Feld zu sehen.


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Für Doohan wird es nicht einfach werden. Der Australier hat das Jahr 2024 auf der Ersatzbank verbracht und dürfte daher ein wenig eingerostet sein. Selbst Fernando Alonso war es, als er 2021 nach seinen Ausflügen in die WEC wieder mit dabei war.

Es hat den zweimaligen Formel-1-Weltmeister ein paar Rennen gebraucht, um wieder auf Speed zu kommen. Doch so viel Zeit wird Doohan vielleicht nicht bekommen, dabei muss er eine Menge über die Formel 1 lernen.

Verglichen damit ist selbst ein Red-Bull-Junior in der Formel 1 ein Spaziergang.

Alpine ist egal, wie die Entscheidungen ankommen

Brutal? Vielleicht. Aber eines ist sicher, nämlich, dass die neuen Alpine-Bosse in ihrem Ansatz zumindest konstant sind. Sie machen nur das, was nützlich für das Team ist, ohne sich zu sehr um die Optik zu kümmern.

Wobei den Druck auf Doohan zu erhöhen jetzt nicht gleichzusetzen ist mit dem Schließen der eigenen Motorenfertigung in Viry-Chatillon.

Hier könnte man die historische Bedeutung dieser Entscheidung beklagen. Man könnte argumentieren, dass Renault mit seiner eigenen Geschichte herumspielt. Und man könnte sagen, dass es für einen Hersteller nicht der richtige Ansatz ist, Kundenmotoren zu benutzen. Und es wäre sicherlich richtig, wenn man sagt, dass dies Renaults fehlende Ambition in der Formel 1 unterstreicht.

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Flavio Briatore stört sich nicht an unpopulären Entscheidungen Zoom Download

Aber ist das erklärbar? Absolut, ja. Einfach sogar. Das ist simple Mathematik. Wenn man sich eine scheinbar konkurrenzfähige Power-Unit für 15 Millionen Pfund im Jahr kaufen kann, dann möchte man nicht das Fünffache ausgeben, um eine eigene zu entwickeln, wo es keine Garantie gibt, dass sie genauso konkurrenzfähig sein wird.

Der Kundendeal sieht nicht gut aus, vor allem nicht für ein vermeintliches Werksteam. Aber er spart eine Menge Geld.

Und das ist im Grunde die Story seit Briatores Ankunft: dem Regime bei Alpine ist es egal, wie Entscheidungen wahrgenommen werden, solange die Vorteile auf der Hand liegen.

Mehr Chancen als andere Fahrer

Wenn du Jack Doohan bist, dann ist das eine Menge, mit dem du umgehen musst. Es wäre sicherlich schöner, wenn Briatore - zum Beispiel im gleichen Interview mit Le Parisien - gesagt hätte, dass der Australier zumindest eine Saison bekommt, um sich zu bewiesen. Das würde das Selbstvertrauen des Rookies sicherlich stärken.

Und es würde besser aussehen, wenn er sagen würde, dass er das volle Vertrauen in die entwickelten Talente der eigenen Akademie hat. Denn Doohan ist sogar der erste Fahrer, der den Aufstieg in das Team (und nicht woanders) schafft.

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Aber das hat Briatore nicht. Aber, immerhin hat er garantiert, dass Doohan die Saison an der Seite von Gasly beginnen wird. Und besser wird es in der Formel 1 nicht. Das ist nicht schön und manchmal brutal, aber selbst wenn Doohan keine "faire" Chance bekommt, sich zu beweisen, hat er trotzdem eine bekommen.

Selbst wenn er nur fünf Rennen Zeit bekommt, um seinen Wert zu beweisen, dann sind das genau fünf mehr als Theo Pourchaire und Felipe Drugovich zusammen bekommen haben.

Keine unsinnigen Ankündigungen mehr

Ob es einem gefällt oder nicht, da ist etwas an der neuen Führung von Alpine, die es von den vorherigen unterscheidet: es gibt keine Scheinheiligkeit. Es gibt keine X-Jahres-Pläne und keine unbegründeten Ankündigungen über eine Anzahl von Rennen, die das Team von zukünftigem Erfolg trennt.

Oakes sagte in einem Interview mit Autosport: "Es gibt keinen Masterplan. Es gibt nicht, wie vorher gesagt, 100 Rennen oder so. Wir müssen einfach besser werden. Wir müssen ein gut funktionierendes Team sein. Und ich denke, wir müssen uns einfach auf uns selbst konzentrieren."


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"Und trotz des ganzen Lärms um die Power-Unit und dem ganzen Gerede über den Verkauf und all diesen Quatsch, denke ich, dass die Leute bereits gesehen haben, dass uns das nicht weiter stören wird. Wir werden einfach weitermachen."

Ob es einem gefällt oder nicht, durch Briatore hat das Formel-1-Team von Alpine vielleicht zum ersten Mal in zehn Jahren einen klaren Plan - nämlich, ein effizientes Unternehmen zu werden, das mit seinen Ressourcen die bestmöglichen Ergebnisse erzielen soll. Und selbst wenn einige Entscheidungen dabei unpopulär sein sollten, dann interessiert es sie nicht sonderlich.

Die Formel 1 wird nicht umsonst als knallhartes Geschäft bezeichnet. Aber sie ist auch leistungsorientiert. Wenn du also Jack Doohan bist, liegt die Zukunft immer noch in deiner Hand. Du musst einfach nur schnell fahren.

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