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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Brad Pitt
Zwei Podestplätze an einem Tag in der Formel 1, das muss man Charles Leclerc erstmal nachmachen: Brad Pitt und der neue Geltungsdrang der F1 machen's möglich
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
© Motorsport Images
Brad Pitt feiert den Sieg in Abu Dhabi, George Russell sorgt für den Schampus Zoom Download
ja, natürlich - wir hätten auch diesmal wieder Sergio Perez schlecht schlafen lassen können - wie gefühlt nach quasi jedem Wochenende in dieser Saison.
Oder Teamkollege Max Verstappen: Für den Weltmeister wollte in Abu Dhabi nicht viel zusammenlaufen, er handelte sich eine Strafe ein, zoffte sich das ganze Wochenende über - erst mit George Russell, dann mit den Stewards - und außerdem wirkt Red Bull in der aktuellen Verfassung auch nicht gerade so, als könne man 2025 noch locker um den Titel mitfahren.
Selbst Ferrari hätte man die Nacht über kein Auge zumachen lassen können, war die Scuderia doch mal wieder nah dran, und ging wie jedes Mal in jüngerer Vergangenheit leer aus in einem Titelkampf. Denn die Weltmeisterschaft der Konstrukteure, die ging am Sonntag an McLaren, da Lando Norris dem Druck der Roten widerstand und das Saisonfinale gewann ...
Lando Norris? Sonny Hayes gewinnt Abu-Dhabi-GP
Oder etwa doch nicht? Die Bilder von der Siegerehrung suggerierten jedenfalls etwas anderes: Da stand auf einmal ein Fahrer im weißen Overall auf dem obersten Treppchen des neu erbauten Podiums, das im Monza-Style über der Strecke schwebt, umrahmt von Charles Leclerc und George Russell, verspritzte Champagner, und ließ sich von der Menge feiern. Und sein Gesicht kam einem irgendwie verdammt bekannt vor: Es war das von Brad Pitt.
Der Hollywood-Megastar hat am Wochenende die letzten Vor-Ort-Szenen für seinen neuen Kinofilm "F1" abgedreht. Direkt nach der echten Siegerehrung mit Lando Norris, Carlos Sainz und Charles Leclerc, stand dann noch eine inszenierte an, mit Sonny Hayes, wie Brad Pitt im Film heißt, George Russell und erneut Leclerc. Chapeau Charles, das persönliche Doppelpodium macht dir so schnell wohl keiner nach!
Mit von der Partie war bei der Sause auch Superstar Javier Bardem, der den Teamboss von Hayes' fiktivem Rennstall APXGP spielt, und McLarens frischgebackenem Weltmeister-Macher Zak Brown in Sachen Partylöwe eigentlich in nichts nachstand. Das Problem: Echt waren bei diesem Schauspiel nur die Fans unter dem Podium, die das sonderbare Spektakel mit ihren Smartphones in Windeseile in die weite Welt hinaustrugen.
Schlüsselszenen von Pitts Film längst auf Social Media
Irgendwie schon eine Ironie des Schicksals, bedenkt man, dass ausgerechnet Apple-Oberboss Tim Cook - also der Verkäufer der meisten dieser Smartphones, dessen Unternehmen den Blockbuster produziert - höchstpersönlich in Abu Dhabi vorbeischaute, um bei seinem Multi-Millionen-Dollar-Projekt mal nach dem Rechten zu sehen.
Dumm nur, wenn dann bereits ein halbes Jahr vor der Weltpremiere schon alle relevanten Szenen im Internet kursieren, in Form von Zuschauervideos auf den diversen Social-Media-Plattformen. Zuletzt in Las Vegas etwa, sorgten Bilder für Aufsehen, wie Hauptdarsteller Pitt nach einem "Unfall" auf der Start-Ziel-Gerade herumtaumelt und schließlich theatralisch zusammenbricht.
Nicht weniger Fremdschampotenzial hatten Aufnahmen, die zeigten, wie das Publikum auf den Tribünen per Lautsprecherdurchsage angewiesen wurde, sich auf Anweisung zu erschrecken oder schockiert zu sein - etwas, das man sonst eigentlich nur aus US-Talkshows kennt.
Besonders weit dürfte man sich also nicht aus dem Fenster wagen, wenn man sagt, dass der Film die eingefleischten Motorsportfans anhand des bisher Gesehenen wohl ungefähr so abholen wird, wie Sylvester Stallones Rennsport-Klamauk "Driven", wo in einer mittlerweile fast schon legendären Szene mit dem Reifen Münzen aufgesammelt wurden ...
Netflix macht die Formel 1 zur Show
Wobei man fairerweise die berechtigte Frage nach dem Zielpublikum stellen sollte, das sich wohl eher in Richtung Mainstream bewegen dürfte - eine ähnliche Vorgehensweise, wie sie die Formel 1 auch schon beim Netflix-Hit "Drive to Survive" erfolgreich umgesetzt hat, wo man es mit der Wahrheit, beziehungsweise der akkuraten Darstellung der Ereignisse, ja bekanntlich auch nicht so genau nimmt.
Was für dramaturgisch überspitzte Bilder dafür kreiert werden, davon kann ich mich am Sonntag gleich selbst überzeugen - denn nach dem Spoiler zum Brad-Pitt-Film kommt hier gleich der nächste: Nach seinem mutmaßlich letzten Formel-1-Rennen verfolgt die Netflix-Crew Haas-Pilot Kevin Magnussen auf Schritt und Tritt.
Während Papa noch die letzten Interviews gibt, wartet seine Tochter neben der von Teamkollege Nico Hülkenberg - der eine darf bleiben in der Königsklasse, der andere muss gehen: Fast schon tränenrührig, die Szene, wie der fallengelassene Held nach seinem letzten Rodeo von Frau und Kind in Empfang genommen wird, und unter Applaus mit ihnen an der Hand in den Sonnenuntergang reitet, während die Kamera immer schön draufhält.
Prost schimpft: "Bullshit, Bullshit!"
Dass sich Netflix mittlerweile nicht nur an der Gegenwart, sondern auch an der Vergangenheit vergreift, beweist unlängst die neue Mini-Serie über Ayrton Senna. "Bullshit, Bullshit! Es ist fast alles fiktionalisiert. Ich will gar nicht mehr darüber reden", sagt mir Alain Prost dazu am Sonntag in Abu Dhabi - der Franzose wird mal wieder als intriganter Antiheld dargestellt. Eine ausführliche Rezension zur Serie gibt es übrigens hier.
Doch mit den Netflix-Narrativen ist es dieser Tage dennoch eine interessante Geschichte in der Formel 1, denn die Grenzen mit der Realität verschwimmen tatsächlich immer mehr - und mit ihnen leider auch die des guten Geschmacks:
"Vielleicht ist es eine Abmachung für Netflix. Vielleicht ist es auch echt. Ich würde alles glauben, was man mir sagt", erklärt David Coulthard, als ich ihn auf den offen und lautstark ausgetragenen Zwist zwischen den beiden Streithähnen Max Verstappen und George Russell anspreche. Wer dieser Tage der PK lauscht, fühlt sich jedenfalls eher wie beim Trashtalk vorm Wrestling als beim Motorsport.
Sind das die Schlagzeilen, die die Formel 1 braucht, frage ich mich? Doch für die Vermarkter von Liberty Media geht das Ganze voll auf, der Zirkus boomt und die Kasse klingelt. Was aber kann man dann noch glauben, in einem Paddock, in dem es mittlerweile nur so vor Influencern wimmelt?
Die finden alles super und würden als Dank für den Zutritt ins Heiligste der Königsklasse auch nie ein kritisches Wort verlieren. Zwar kommen die Fahrer vor lauter Selfiejägern teilweise kaum noch von ihren Motorhomes in die Boxengasse, und verschanzen sich als Resultat daher lieber in ihren Team-Hospitalities, aber sei's drum ...
Quo vadis, Formel 1?
Die Presse kann stattdessen ja mit den vielen anwesenden Schauspielern sprechen. Von Jared Leto über Jason Statham bis Uma Thurman, war in Abu Dhabi alles geboten. Kurios: Als Gegenstück dazu erklärt ein ehemaliger Weltmeister am Wochenende, gar nicht mehr mit der schreibenden Zunft reden zu wollen: "Ich mache nur noch Fernsehen."
Während ich noch über diese Einstellung den Kopf schüttele, spaziere ich nachts beim Verlassen der Strecke unter dem Yas Marina Hotel an einem stolz präsentierten Robo-Renner vorbei. Der braucht gar keinen Fahrer mehr, sondern kann autonom um die Wette rasen. Bald kann die Formel 1 dann also jeden ersetzen, selbst ihre Fahrer und Weltmeister - vielleicht ist das ja der Weisheit letzter Schluss.
Bleibt die Frage: Quo vadis, Formel 1? Jetzt auf jeden Fall erstmal in die (viel zu kurze) Winterpause. Das Schlusswort dazu gebührt dem Weltmeister. "Wie froh bist du, dass diese Saison jetzt endlich vorbei ist?", frage ich Max Verstappen am Sonntagabend nach dem Rennen: "Sehr froh. Ja, es war zu lang", sagt er mit gequältem Lächeln, ehe er sich in den Urlaub verabschiedet.
Wenn Verstappen und Co., also die Menschen in diesem Sport, nach einem mit 24 Rennen und lauter Tripleheadern viel zu aufgeblasenem Rennkalender keinen Bock mehr haben, dann kann ja in der Zwischenzeit eigentlich das Robo-Car übernehmen. Oder Sonny Hayes. Echte Helden eben, für die echte Formel 1.
Euer Frederik Hackbarth