• 25. November 2024 · 05:37 Uhr

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Max Verstappen

Warum Max Verstappen heute der bessere Rennfahrer ist als Lewis Hamilton und wie er Las Vegas ganz subtil zur Werbebühne für seinen Sponsor gemacht hat

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Max Verstappen im Rolls-Royce: Offenbar sitzt er nur selten in solchen Autos ... Zoom Download

Max Verstappen ist in seinem Leben offensichtlich noch nicht wahnsinnig oft in einem Rolls-Royce mitgefahren. Am Samstagabend in Las Vegas, als er mit einer schwarzen Limousine von der Strecke zum ersten Interview am ikonischen Springbrunnen des Belaggio-Hotels chauffiert wurde, staunte er nicht schlecht über sein luxuriöses Taxi.

Während sich George Russell, Carlos Sainz und Lewis Hamilton im anderen Auto gerade darüber unterhielten, wie das Rennen gelaufen ist, staunte Verstappen über den geräumigen Fonds ("Da ist so viel Platz") mit dem leuchtenden Sternenhimmel und hielt werbewirksam eine Red-Bull-Dose in die Kamera, als er vor sich ein kleines Tischlein aufklappte.

Die gerade gewonnene Formel-1-WM 2024 schien ihn da nur am Rande zu jucken, als er auch noch entdeckte, mit der Neugier eines Zwölfjährigen, dass er die Hintertür mit einem silbernen Knopf an der C-Säule öffnen kann. "Ah, hier ist der Knopf", zeigte er seinem Renningenieur Gianpiero Lambiase. Beim Einsteigen hatte er diesen noch vergeblich gesucht.

Es war der Moment, in dem die TV-Regie wegblendete, weil man wohl auf emotionale Gefühlsausbrüche des frischgebackenen Champions gehofft hatte. Dass sich der erstmal vornehmlich darum kümmerte, das Innenleben des Rolls-Royce zu erkunden, mag zwar der PR-Abteilung von Rolls-Royce gefallen haben, dem Regisseur aber weniger.

Heineken 0.0: Verstappens perfekte Inszenierung

Als Verstappen dann ausstieg, folgte er instinktiv einem perfekten Drehbuch. Er ist nicht nur am Lenkrad ein Könner, sondern auch ein Vermarktungstalent. Am Samstagabend nach seiner Krönung zog er jedenfalls die ganze Nachberichterstattung hindurch ein "Product-Placement" durch, wie man es perfekter nicht hätte inszenieren können.

Schon am Springbrunnen im Belaggio war sein erster offizieller Satz als neuer Formel-1-Weltmeister, dass er sich am liebsten gleich ein Bierchen genehmigen würde ("Wie spät ist es? Ich werde langsam durstig!"), und später wurde dann auch klar, woher der Spruch kam.

Denn nach dem Belaggio ging's für Verstappen erstmal zur offiziellen Siegerehrung und dann in den sogenannten TV-Pen, wo er die Red-Bull-Dose in seiner Hand gegen eine Bierdose seines Sponsors Heineken austauschte. Und nach jeder Antwort gönnte sich Verstappen einen Schluck und tat sein Bestes, dies dann und wann auch werbewirksam zu kommentieren.

Dazu muss man wissen: Heineken sponsert üblicherweise nur Sportmeisterschaften wie die UEFA Champions League oder eben die Formel 1, aber eigentlich keine Einzelsportler. Aber die Gelegenheit mit Verstappen, einem niederländischen Nationalhelden, war zu gut, um sie sich durch die Lappen gehen lassen zu können.

Eigentlich ist Verstappen Botschafter für Heinekens alkoholfreies 0.0. Ob in Las Vegas wirklich die alkoholfreie Variante getrunken wurde, entzieht sich unserer Kenntnis. Später in der Pressekonferenz meinte der 27-Jährige augenzwinkernd: "Ich muss eh nicht mehr fahren. Der Slogan 'Don't drink and drive' passt also trotzdem sehr gut."

Aufmerksamen Beobachtern dürfte nicht entgangen sein, dass auf seinen neuen Weltmeister-Kappen prominent das Heineken-Logo prangt. Verstappen verschaffte der Biermarke aus seiner Heimat dazu passend einen Gegenwert, den keine geskriptete Werbekampagne dieser Welt erreichen kann. Weil er dabei authentisch ist und pfeift auf die sonst oft strengen Protokolle der Formel 1.

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Max Verstappen Fanartikel

Es ist schon Tradition dieser Kolumne, dass bei mir an zwei Montagen im Jahr gut und nicht schlecht geschlafen wird, nämlich jeweils nach der Krönung des Fahrer- und Konstrukteurs-Weltmeisters. Also eine Laudatio auf Max Verstappen. Zum x-ten Mal. Und Lando Norris kommt in der Schwesterkolumne von Frederik Hackbarth unter die Räder.

Formel-1-Weltmeister Max Verstappen: Eine Laudatio

Rolls-Royce und Las Vegas, das passt eigentlich gar nicht zum kleinen Jungen aus Belgien, der mit einer niederländischen Lizenz Formel 1 fährt. Anders als seine Nemesis Lewis Hamilton gibt Verstappen nichts auf ein Crossover mit Hollywood und dem Modebusiness, sondern ihn interessiert nur eins: Autorennen. Im echten Leben wie in der Simulation.

Und wenn er gerade keine Autorennen fährt, dann lebt er ein ziemlich bodenständiges Leben wie du und ich. Vielleicht mit den etwas teureren Urlauben und den etwas teureren Autos, aber hey, wer von uns würde sich nicht ab und zu mal was gönnen, mit so viel Geld auf dem Konto?

In guten Jahren soll Verstappen von Red Bull um die 80 Millionen Dollar Gage überwiesen bekommen, geregelt durch seinen stark prämienorientierten Vertrag. Da sind persönliche Deals wie jener mit Heineken noch gar nicht eingerechnet. Auch wenn über Hamiltons Ferrari-Vertrag noch wenig bekannt ist: Damit ist Verstappen derzeit wahrscheinlich nicht nur der beste, sondern auch der bestbezahlte Fahrer der Welt.

Aber weder sein Geld noch sein Ruhm steigen Verstappen zu Kopfe. Als es 2024 nicht lief, erzählt Christian Horner, habe sich Verstappen diesen Sommer mehr in die Arbeit im Team reingekniet als je zuvor. Max redet mit den Ingenieuren und Mechanikern noch immer genauso wie damals, als er zu Red Bull gekommen ist. Etwas selbstbewusster zwar, aber niemals so, als wäre er durch Erfolg, Ruhm und Geld etwas Besseres geworden.

Ein Schlüssel seines Erfolgs ist wahrscheinlich auch, dass ihn nichts so schnell aus der Fassung bringen kann. Als sein allerengstes Umfeld, Papa Jos und Helmut Marko, im Frühjahr emsig am Ende der Ära Horner zu arbeiten schien, stellte Verstappen zwar klar, wem seine Loyalität gilt ("Wenn Helmut geht, haben wir ein ernstes Problem") - behandelte aber auch Horner nie als Persona non grata.

Ablenken ließ er sich von der Eskalation hinter den Kulissen des Teams sowieso nie. Ja, nach den Rennen zündelte er manchmal ungewollt mit seinen ungefilterten Kommentaren. Verstappen sagt halt immer genau das, was er denkt. Aber kaum war das Helmvisier runtergeklappt, scherte er sich nicht mehr drum, wie sie sich in Milton Keynes, Graz, Dubai und Fuschl gegenseitig die Schädel einschlugen.

Warum Verstappen heute ein kompletterer Rennfahrer ist

Über das rennfahrerische Genie des Max Verstappen ist an dieser Stelle nichts mehr zu sagen. Die Welt hat oft genug gesehen, was für ein Ausnahmekönner er ist. Zuletzt in Brasilien. Aber in den vergangenen Jahren ist Verstappen auch schlauer geworden. Und Las Vegas war dafür ein gutes Beispiel.

Denn als ausgerechnet Hamilton in seinem Rückspiegel immer größer wurde, war der Reflex, dass ihn der Erzfeind zu einem riskanten Rad-an-Rad-Duell kitzeln könnte, sofort bei vielen Beobachtern da. Auch bei mir. Aber Verstappen ließ selbst Hamilton ohne Dummheiten passieren. In Las Vegas ging es ihm um die WM und nicht um den Tagessieg. Eine Smartness, die er vor ein paar Jahren noch nicht gehabt hätte.


Fotostrecke: Vom Bubi zum Weltmeister: Die Formel-1-Karriere des Max Verstappen

Zugegeben, manchmal brennen ihm auch heute noch die Sicherungen durch. Denken wir nur an das Harakiri-Manöver gegen Lando Norris in Mexiko. Verstappen hatte das Gefühl, die Welt habe sich gegen ihn verschworen, und in dem Moment konnte er seine Emotionen nicht kontrollieren. Immerhin: Sein Panzer ist nicht komplett unzerstörbar.

Aber das, was dieser Kerl in den vergangenen Jahren an Performance gezeigt hat, ist schon hochgradig beeindruckend. Und auch wenn ich den Vergleich eigentlich nicht mag: In einem Punkt ist er Hamilton vermutlich überlegen.

Denn während Hamilton seine Teamkollegen zwar auch meistens unterm Strich bezwungen hat, hat Verstappen die seinen regelrecht zerstört. Carlos Sainz, Daniel Ricciardo, Pierre Gasly, Alexander Albon, Sergio Perez: Alles keine Nasenbohrer, aber keiner hatte auch nur den Funken einer Chance. Ricciardo noch am ehesten, in den Anfangsjahren. Aber selbst der ging von Red Bull weg, als er merkte, dass er gegen Verstappen in Zukunft kein Land mehr sehen würde.

Ich möchte das nicht falsch verstanden wissen: Lewis Hamilton war Ende 2021 am absoluten Höhepunkt seines Schaffens. Was er in Brasilien, Katar, Saudi-Arabien und Abu Dhabi gezeigt hat, war meiner Meinung nach das Beste, was die Formel 1 je zu sehen bekommen hat. Aber Hamilton ist heute, finde ich, nicht mehr ganz am Peak von damals.

Verstappen schon. Wäre spannend, den Lewis Hamilton von 2021 gegen den Max Verstappen von 2024 Rennen fahren zu sehen. Am besten im gleichen Auto. So wie damals, mit Alain Prost und Ayrton Senna. Es wird leider ein Wunschtraum bleiben.

Gratulation, Max! Es hat selten einen würdigeren Champion gegeben als Dich.

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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