• 02. September 2024 · 06:35 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Kevin Magnussen

Kevin Magnussens Sperre für Baku mag hart erscheinen, aber sie geht unterm Strich in Ordnung - Karriere in der Formel 1 bleibt letztendlich unvollendet

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Kevin Magnussen muss beim Grand Prix von Aserbaidschan zuschauen Zoom Download

Fernando Alonso gehörte zu denen, die Kevin Magnussen am Sonntagabend in Monza leidenschaftlich verteidigten. Es könne nicht angehen, dass ein Fahrer für eine Ansammlung von Minivergehen gesperrt werde. Das Überfahren der weißen Boxenlinie nannte er als Beispiel für so etwas, oder "unsafe Releases". Und er sagte wörtlich: "Ich verstehe es, wenn einer für zu hartes Rennfahren gesperrt wird. Aber nur wegen solcher kleinen Sicherheitsgeschichten, das ist schwer zu verstehen."

Eine Aussage, über die Alonso besser in Ruhe nachgedacht hätte. Denn Magnussen bekam keinen einzigen seiner zwölf Strafpunkte wegen Bagatellen wie "Tracklimits" oder "unsafe Release" aufgebrummt, sondern ausschließlich wegen Kollisionen und unsportlichem Verhalten.

Habt ihr alle Miami schon vergessen?

Besonders groß war die Aufregung über den Dänen nach Miami, als er versuchte, Nico Hülkenberg den Rücken freizuhalten und dabei mehrfach wegen "leaving the Track and gaining a lasting Advantage" angezeigt wurde. Die Formel 1 diskutierte kurzzeitig sogar drüber, ob man eine eigene "Magnussen-Regel" einführen muss, um derart unsportliches Verhalten zu unterbinden.

Pierre Gasly kündigte am Sonntagabend an, er werde extra nochmal zu den Kommissaren gehen, um sie zu bitten, die Sperre gegen Magnussen rückgängig zu machen. Natürlich blitzte er mit diesem Anliegen ab. Wenn ein Unterboden um zwei Millimeter zu breit ist, mag das auch nicht viel bringen, aber der Übeltäter muss disqualifiziert werden. Es hilft ja nix: Regel ist Regel.

Sicher kann man drüber diskutieren, ob Magnussens Aktion gegen Gasly in der zweiten Schikane wirklich eine Zehnsekundenstrafe und eine Rennsperre wert war. Aber es gibt wohl keinen Zweifel dran, dass die Aktion auf seine Kappe geht, und beim Durchscannen der Einzelfälle tauchen keine auf, wo ich sagen würde, dass die Kommissare ganz grob danebengegriffen haben.


Fotostrecke: Formel-1-Fahrer, die gesperrt wurden

Entweder ändert man die Regel mit den Strafpunkten, die zur Rennsperre führen, wenn man das in der Formel 1 nicht mehr möchte. Oder man muss sagen: Dass Magnussen jetzt halt mal zuschauen muss, das geht schon in Ordnung.

Magnussen ist übrigens der erste Fahrer, der wegen der Zwölfpunkteregel eine Sperre kassiert. Das bisher letzte Opfer war Romain Grosjean, nach seiner haarsträubenden Aktion am Start in Spa 2012. Der Franzose bekam noch 50.000 Euro Geldstrafe obendrauf.

Man muss kein Genie sein, um sich auszudenken, dass Gene Haas in Baku eher Oliver Bearman als Mick Schumacher fahren lassen wird, und eigentlich wäre es aus Haas-Sicht logisch, Magnussen zu fragen, ob er unter diesen Umständen nicht gleich ganz zu Hause bleiben und seinen (Formel-1-)Helm an den Nagel hängen möchte. So könnte man Bearman schon ein bisschen Grand-Prix-Erfahrung sammeln lassen, bevor er 2025 dann regulär im Cockpit sitzt.

Ich denke nicht, dass das passieren wird. Das Management des Haas-Teams mag in Deutschland in der Vergangenheit kritisiert worden sein, aber ich kann mir schwer vorstellen, dass man Magnussens Karriere so unrühmlich zu Ende gehen lassen wird. Das würde weder zu Gene Haas noch zu Ayao Komatsu passen.

Nachtragend: Die Sache mit dem Interview

Ein großer Verlust wäre es freilich nicht. Für mich ist Magnussen der einzige Fahrer, mit dem ich mal ein Interview geführt habe, das dann nie veröffentlicht wurde.

Ich glaube, es war vor zwei Jahren in Monza, als ich mir für ein Interview echt Mühe gegeben habe, und die Viertelstunde war dann nichts als Zeitverschwendung. Seine Antworten grenzten an Arbeitsverweigerung, und so schaffte es nicht ein einziges Zitat draus auf unsere Plattform. Den überheblichen Blick a la "Was will der Typ eigentlich von mir?" habe ich nicht vergessen.


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Ist okay, jeder hat mal einen schlechten Tag. Ich bin auch nicht stolz auf jeden einzelnen meiner Artikel, und Formel-1-Fahrer haben genauso das Recht, mal mit dem falschen Fuß aufzustehen und bei der Medienarbeit als Arschloch rüberzukommen, das man vielleicht gar nicht ist.

Zumal ich die "No-Bullshit"-Mentalität des Dänen eigentlich schätze. Lieber ist mir einer, der mir straight ins Gesicht sagt, dass er keine Lust hat, als eine falsche Schlange, die hinterm Rücken schlecht über einen redet. Was man vielleicht nur im Vorbeigehen mitkriegt, wenn man gerade aus dem Media-Center marschiert und eher zufällig das falsche Gespräch mitkriegt.

Wenn Magnussens Formel-1-Karriere dann spätestens im Dezember 2024 zu Ende geht, wird es, gemessen an seinem Talent, eine gescheiterte Karriere sein.

Vor zehn Jahren, 2014, feierte er auf McLaren-Mercedes sein Debüt in der Formel 1. Er setzte bei den Wintertests zwei Bestzeiten, beendete gleich seinen allerersten Grand Prix in Melbourne als Zweiter auf dem Podium, und er galt als mögliches "next big Thing" in der Königsklasse.

Melbourne sollte bis heute sein einziges Podium bleiben. Wer das im März 2014 vorhergesagt hätte, den hätte Ron Dennis wahrscheinlich ausgelacht.

Vielleicht liegt das irgendwie in den Genen. Wir erinnern uns: Kevins Vater Jan Magnussen wurde nach seinen Erfolgen in der Formel 3 als neuer Senna gefeiert, als er 1995 (ebenfalls auf McLaren) in die Formel 1 aufstieg, beendete seine Grand-Prix-Karriere aber Ende 1998 ohne ein einziges Podium.

Es wäre eine schöne Geschichte, falls Vater und Sohn Magnussen eines Tages gemeinsam Le Mans gewinnen sollten. Ich würde ihnen das wünschen, wirklich. Und vielleicht wäre das dann auch ein guter Zeitpunkt, es nochmal mit einem Interview zu versuchen.

Euer Christian Nimmervoll


Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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