Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!
Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Flavio Briatore
Flavio Briatore ist zurück und Alpine über Nacht plötzlich wieder attraktiv - die Macht scheint dem Macher dabei nur so zuzufliegen. Carlos Sainz auch?
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
© Motorsport Images
Bei allen Nebengeräuschen: Der Name Briatore zieht immer noch in der F1 Zoom Download
wer Flavio Briatore am Sonntag in Spielberg in die Startaufstellung schlendern sah, umgeben von seinem Ex-Benetton-Piloten Gerhard Berger und Landsmann Stefano Domenicali, seines Zeichens mittlerweile immerhin Formel-1-Boss, der könnte meinen, dass der Italiener nie weg war aus dem Machtzentrum der Königsklasse - und vielleicht war es auch genau so.
Mit einer unscheinbaren dunkelblauen Alpine-Kappe auf dem Kopf ging Briatore am Wochenende ein und aus im großen Formel-1-Motorhome im Fahrerlager, zu besprechen gibt es dieser Tage schließlich viel - von Crashgate hingegen keine Spur mehr. Außer natürlich man heißt Felipe Massa, schlägt vor paar Tagen die Zeitung auf, und fühlt sich gleich nochmal verarscht.
Über anderthalb Jahrzehnte ist es mittlerweile her, dass Briatore für den Vorwurf, in Singapur 2008 einen absichtlichen Unfall angeordnet zu haben, lebenslänglich gesperrt wurde. Später wurde die Strafe von einem Gericht gekippt, Briatore eine, wenn auch eher geringe, Entschädigung zugesprochen.
Obwohl er es wohl schon früher gekonnt hätte - die Gazetten brachten ihn vor allem in seiner italienischen Heimat nur zu gerne als Ferrari-Retter ins Spiel - kehrte Briatore nie in die Formel 1 zurück. Keine Lust, sagte der mittlerweile 74-Jährige, er sei glücklich und Geld habe er sowieso genug verdient. Nun, im Sommer 2024, erfolgte offenbar die Kehrtwende: Jetzt rettet Briatore halt Alpine.
Monatelang ließ sich der schillernde Ex-Teamchef von Freund und Renault-Präsident Luca de Meo bequatschen, irgendwann habe das Gefühl einfach gestimmt, berichtet er: De Meo sei ein Genie - und er selbst "ein Formel-1-Genie", sagt Briatore bei seinem Amtsantritt, bescheiden wie eh und je: Da habe man sich gleich verstanden.
Geniestreich oder Zufall, beim krisengeschüttelten Alpine-Rennstall ging es jedenfalls gleich mal bergauf, sowohl in Barcelona als auch in Österreich gab es Punkte für die Franzosen. Zwar machen die Fahrer weiter durch ihr eigentlich schon seit Jungendtagen zerrüttetes Verhältnis auf sich aufmerksam, aber mit solchen Nebenschauplätzen hält sich ein Briatore gar nicht auf.
Diese Drecksarbeit darf tatsächlich noch der durch den Rückkehrer entmachtet wirkende Teamchef Bruno Famin machen. Mit dem feststehenden Abgang von Esteban Ocon, spätestens zum Saisonende, löst sich die Problematik aber sowieso.
Macher Briatore: Gasly verlängert, Sainz im Visier
Briatore indes hat seine Augen schon mehr aufs große Ganze gerichtet: Und deshalb auch gleich mal die Vertragsverlängerung von Pierre Gasly veranlasst. Gerne wäre man bei diesen Verhandlungen dabei gewesen, denn Anekdoten über Briatore bei Vertragsgesprächen, da gibt es großartige - fragt doch mal meinen Kollegen Christian Nimmervoll, der einige davon gerade für ein Buchprojekt recherchiert hat, Stichwort Leopardenbademantel ...
In seiner Schwesterkolumne "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat", hat er übrigens über Carlos Sainz geschrieben - das neuste Objekt der Begierde Briatores. Nicht nur bei Naomi Campbell oder Heidi Klum hat das Motto "groß denken" Flavio schon geholfen, und Sainz ist schließlich mit Abstand der größte Name von den noch verfügbaren auf dem Fahrermarkt.
Nun, wenn Famin durchklingelt geht man vielleicht nicht zwingend ran, schon gar nicht, wenn man wie der Spanier schon mal bei Renault war. Aber wenn Briatore anruft ... ?
Spätestens Freund und Landsmann Fernando Alonso dürfte den nötigen Kontakt gerne hergestellt haben, um dessen Belange sich Briatore immer noch kümmert - wie übrigens auch um die von Junior Jack Doohan, was ein spezielles Licht auf das am Mittwoch in Le Castellet anberaumte Shootout gegen Mick Schumacher wirft, bei dem die Backup-Lösung für Sainz ermittelt wird.
Am Ende umweht Briatore eben doch diese spezielle Aura: "Möge die Macht mit dir sein." Sollte Star-Wars-Schöpfer George Lucas, der sich als bekennender F1-Fan in Spielberg auch mal wieder die Ehre im Grid gab, irgendwann einmal die Lust verspüren ein Remake von Francis Ford Coppolas Kultklassiker "Der Pate" zu drehen, am besten vielleicht im Formel-1-Umfeld, würde einem da schon eine Idealbesetzung für die Hauptrolle einfallen ...
Alpines neuer Sonderberater jedenfalls scheint nach gut einer Woche schon mehr Zügel in der Hand zu halten, als Teamchef Famin nach einem Jahr. Briatore macht das, was er am besten kann, er zieht im Hintergrund fleißig die Strippen. Und besonders großes Augenmerk liegt dabei offensichtlich auf der Verbindung zu Sainz.
Der von Ferrari geschasste Spanier, aktuell Königsfigur am Fahrermarkt, schwankte eigentlich zwischen Williams und Audi, hatte zwei unterschriftsreife Verträge vorliegen - nun sind es dem Vernehmen nach drei.
Für "die Kultur des Siegens": Briatore greift durch
Mit Briatores Auftauchen auf der Bildfläche hat sich die Gemengelage für Sainz geändert, und der französische Werksrennstall könnte plötzlich vom Chaosteam zur tatsächlich lohnenswerten Alternative avancieren. Denn wo der Italiener anpackt, da herrscht Aufbruchsstimmung - oder "die Kultur des Siegens" wie er es selbst formulierte.
Doch Briatore wäre nicht Briatore, wenn es nicht vielleicht doch einen kleinen Haken gäbe an der Sache, beziehungsweise am Ende vielleicht gar nicht mehr das drinnen steckt, was aktuell noch draufsteht, auf dem angepriesenen Produkt: So wie bei der riesigen Bibliothek in seiner Londoner Wohnung, die sich bei genauerem Hinsehen als Tapete aus aufgeklebten Buchrücken herausstellte.
Denn den ungeliebten, weil schwachbrüstigen Renault-Motor, den will der neue Strippenzieher am liebsten gleich loswerden. Kurz vor Barcelona tauchten erstmals Spekulationen auf, Alpine könne sich von seinem kostspieligen und wenig erfolgreichen Motorenprojekt trennen - zu diesem Zeitpunkt war Briatore zwar noch nicht ernannt, sich mit De Meo aber längst einig. Die Richtungsvorgabe dürfte die erste Entscheidung des neuen Spezialberaters gewesen sein.
Allein: Nicht wenige im Fahrerlager können sich unter Briatores Ägide sogar den Totalausverkauf bei Alpine vorstellen: Als reines Kundenteam würde Briatore den Rennstall für potenzielle Käufer deutlich attraktiver und einfacher zugänglich machen. Und mit einem Fahrer vom Kaliber Sainz im Kader dann noch zusätzlich aufwerten.
Briatore und Renault: Von Enstone bis nach Stockholm
Wer chice italienische Hemden verkaufen kann, der kann auch einem kriselnden Rennstall wieder neuen Glanz einhauchen und diesen gegebenenfalls für gutes Geld an den Mann bringen, so die Grundidee. Sollte sich gar rausstellen, dass die Voraussetzungen für Erfolg doch nicht so schlecht sind, gibt es sogar vereinzelt Unkenrufe, dass Briatores eigener Name auf der Käuferliste auftauchen könnte.
Vor großen Deals schreckt der begnadete Manager bekanntlich nicht zurück, das bewies er schon als er gemeinsam mit Ex-Formel-1-Boss Bernie Ecclestone einst den britischen Fußballklub Queens Park Rangers erwarb.
Im Narrativ eines Briatore könnte das sogar Sinn machen, ist es doch genau genommen sowieso sein Formel-1-Team, hervorgegangen aus dem ehemaligen Benetton- und späteren Renault-Rennstall, mit dem er seine größten Erfolge feierte.
Und obwohl er es mit seiner Crashgate-Affäre zwischenzeitlich an den Rande des Ruins brachte, scheint in Enstone, martialisch ausgedrückt, fast eine Art von Stockholm-Syndrom zu herrschen, wo sich das Opfer immer wieder an seinen Peiniger wendet ...
Welcome back, Flavio!
Euer Frederik Hackbarth