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Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Sergio Perez
Sergio Perez liefert im Moment genau das, was Red Bull will: Dafür winkt nicht nur guter Schlaf, sondern vielleicht auch eine unerwartete Vertragsverlängerung
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
wie gut muss ein Chef seine Mitarbeiter eigentlich kennen, frage ich mich und denke dabei, na klar, an Christian Horner. Aber nein! Nicht so, wie ihr jetzt denkt ...
Vielmehr hallt mir im Kopf der starke Spruch nach, den der Brite am Sonntag in Suzuka zum Mut seines Schützlings Sergio Perez rausgehauen hat.
"Er sah nicht so aus als hätte er drei Kinder", scherzte Horner nach den tollen Überholmanövern des Red-Bull-Fahrers gegen die Lieblingskonkurrenz von Mercedes, ausgerechnet in der ultraschnellen Linkskurve 130R.
Und bringt damit auf den Punkt, was wohl viele beim Anblick von Perez denken, der optisch meist eher den Charme eines gutbürgerlichen Sparkassenvertreters aus Guadalajara versprüht. Sind es im Qualifying mal wieder mehr als drei Zehntel und Helmut Marko schwärmt im TV vom "Max-Faktor", könnte man Perez vielleicht sogar ein "severe resting Bitch-Face" (abgekürzt ausgerechnet mit RBF) attestieren.
Eher selten, so ehrlich muss ich sein, kommt mir indes der Gedanke an einen knallharten Racer, der mit dicken Cojones volle Kanne reinhält, in einer der größten Mutkurven, die noch übrig ist im Formel-1-Kalender. Fragt doch mal bei Allan McNish nach, der die Barriere am Ausgang bei seinem Megacrash 2002 genauso durchbrach wie erst vor wenigen Monaten Ukyo Sasahara in der japanischen Super Formula.
Stichwort Cojones: Einen kleinen Schönheitsfehler hatte Horners Spruch dann doch, denn: Kinder hat Perez seit September letzten Jahres schon vier - zwei Töchter und zwei Söhne. Da kann man schonmal durcheinander kommen. Böse Zungen würden wohl behaupten: Ähnlich wie mit den WhatsApp-Chats für Ehefrauen und Angestellte.
Allein: Mit seinem Lob lag der zuletzt so polarisierende Red-Bull-Teamchef, anders als mit der Zahl, trotzdem goldrichtig, denn Perez zeigte ein blitzsauberes Suzuka-Wochenende - zumindest, wenn man einen kleinen Tanz über die Randsteine am Ausgang der zweiten Degner-Kurve mal außen vor lässt und sich stattdessen lieber die Jobdescription von Red Bulls Nummer-2-Piloten vor Augen hält.
Siegen soll er ja gar nicht, der Perez. Dafür ist Dominator Max Verstappen da. Aber bitteschön dahinter Platz zwei einfahren. Und genau das macht Perez, 2024 bereits zum dritten Mal im vierten Rennen. Damit trägt er seinen Teil bei zu einer kuriosen Statistik, wie es sie in gut 75 Jahren Formel 1 auch noch nicht gab: Mit vier Doppelsiegen eines Teams (dreimal Red Bull, einmal Ferrari) ist tatsächlich noch keine Weltmeisterschaft gestartet.
Verstappen-Flirt kann Chance für Perez sein
Verlässt Verstappen den Rennstall und wechselt zu Mercedes, wo Teamchef Toto Wolff heftig um die Dienste des ehemaligen Silberpfeil-Feindbildes von 2021 wirbt, dürfte Red Bull erst recht darauf bedacht sein, ein wenig Konstanz im Team zu halten - zumal bei einem Verstappen-Abgang womöglich weitere elementare Stützen des Teams wegbrechen, wie etwa Helmut Marko oder auch Adrian Newey.
Bleibt Verstappen und Perez spielt weiter brav die Nummer zwei, die konstant Punkte für die Konstrukteurs-WM liefert, dürften die Verantwortlichen beim Team aus Milton Keynes wenig Interesse haben, für neue Unruhe zu sorgen - gerade nach dem äußerst turbulenten Saisonbeginn im Hause Red Bull. Wie heißt es doch so schön: "Never change a winning team!"
Spätestens seit Rubens Barrichello weiß die ganze Formel 1: Ein guter Wasserträger ist schnell genug, um vereinzelt auch mal selbst einen Grand Prix zu gewinnen, aber langsam genug, um den Platzhirschen nicht dauerhaft gefährden zu können. Wenn Sergio Perez eines in den letzten nun schon über drei Jahren an der Seite Verstappens bewiesen hat, dann das.
Lohnenswert ist vor allem bei diesem Japan-Grand-Prix, bei dem erstmals seit Kamui Kobayashi 2012 im Sauber am Sonntag mal wieder ein heimischer Pilot in die Punkte gefahren ist, aber auch der Blick aufs hausinterne Juniorteam des aktuellen Klassenprimus: die Racing Bulls.
Tsunoda: Schon ein Kandidat für Red Bull?
Okay, zugegeben: Hier könnte Perez kurz mal hochschrecken aus einer REM-Schlafphase, in der er gerade davon träumt, seine Unterschrift unter einen neuen Red-Bull-Vertrag zu setzen. Denn Yuki Tsunoda ist nicht länger nur für sein aufbrausendes Temperament und seine Schimpftiraden am Funk bekannt, sondern neuerdings auch für seine gute Pace.
Im vierten Jahr Königsklasse scheint der Knoten endlich geplatzt zu sein beim 23-Jährigen. Doch ein paar Schwalben machen noch keinen Sommer. Tsunoda muss seine gute Frühform jetzt erst einmal zementieren und nachlegen, will er sich wirklich nachhaltig für das Topcockpit empfehlen.
Ganz zu schweigen von der Frage, ob sich die Verantwortlichen den Heißsporn wirklich an der Seite von Verstappen antun wollen. Wie gut Tsunoda etwa auf Teamorder reagiert, stellte er ja unlängst beim Saisonauftakt in Bahrain und seinem Wutausbruch mit anschließendem Harakirimanöver gegen Teamkollege Daniel Ricciardo auf der Auslaufrunde unter Beweis. Gefühlt ist für Perez hier also noch nicht wirklich Gefahr im Verzug ...
Ricciardo hingegen, vor wenigen Monaten selbst noch als heißer Kandidat auf eine Red-Bull-Rückkehr gehandelt, kämpft aktuell mehr um sein eigenes Cockpit als um das von Perez beim Hauptteam.
In Suzuka strandete der Australier schon nach drei Kurven und einer Kollision im Kies. Wenngleich ihn die Stewards freisprachen und den Vorfall als Rennunfall werteten, geht die Formkrise des einstigen Dauergrinsers aus Perth damit weiter - und erinnert schon fast an seine düstere McLaren-Zeit. Den Honigdachs muss Perez also nicht mehr fürchten ...
Im Red-Bull-Kader stünden mit Liam Lawson und Ayumu Iwasa dann auch noch zwei ambitionierte Talente bereit, wobei Lawson bei seinen ersten Rennen als Ricciardo-Ersatz im Herbst 2023 durchaus zu überzeugen wusste. Isawa drehte seinerseits gerade am Wochenende in Japan im Training die ersten offiziellen Kilometer in der Formel 1 - in beiden Fällen drängt sich für den Anfang aber maximal eine Beförderung ins Juniorteam Racing Bulls auf.
Alonso? Sainz? Oder doch einfach Perez ...
Trotz seines betont guten Verhältnisses zu Verstappen sehen viele Experten den Spanier aber eher als möglichen Ersatz für den Niederlänger bei den roten Bullen, und nicht an dessen Seite. Dass Alonso sich Letzteres in dieser Karrierephase noch antun würde, dafür fehlt auch mir irgendwie die Fantasie. Perez' Platz wäre in diesem Fall also eher unbetroffen.
Ähnlich dürfte es sich mit Carlos Sainz verhalten, der momentan in der Form seines Lebens fährt und den Entscheidern bei Ferrari, wegen ihres Wechsels zu Lewis Hamilton 2025, somit schon die ein oder andere schlaflose Nacht beschert haben dürfte. Aber das soll hier nicht Gegenstand sein.
Zwar war der Madrilene beim Betreten des Fahrerlagers von Suzuka am Sonntag in Begleitung von Helmut Marko zu sehen - man kennt sich noch bestens aus der Juniorenzeit und den Anfängen bei Toro Rosso. Doch daher kennt Sainz eben auch seinen damaligen Teamkollegen Max Verstappen.
Während der Niederländer das teaminterne Duell letztlich für sich entschied und bei Red Bull zum neuen Superstar Marke Sebastian Vettel aufstieg, ging Sainz zu Renault, zu McLaren und zu Ferrari. Verstappen, als nunmehr dreimaligen Weltmeister, in dessen um ihn herum optimierten Team erneut herauszufordern, scheint selbst im Angesicht Sainz' starker Performance anno 2024 eine Nummer zu groß.
Und so grüßt mit Blick nach vorne, nicht nur beim Betrachten der ausgelassenen Jubelfotos von Red Bulls Doppelsieg in Suzuka, doch irgendwie wieder der ewige Perez, wenn man an die Besetzung für eines der beiden Cockpits in Milton Keynes denkt. Zahlenmäßig jedenfalls braucht sich Perez nicht verstecken, erwischt er doch den zweitbesten Saisonstart seiner Karriere nach 2023 - und da wurde er am Ende immerhin Vizeweltmeister.
Aktuell liegt der Mexikaner, natürlich auch bedingt durch den Technikdefekt bei Verstappen in Melbourne, nur 13 WM-Punkte hinter seinem Teamkollegen an der WM-Spitze. Und dann war da ja noch dieses ungewöhnliche Highlight: Überraschend gering war bereits am Samstag im Suzuka-Qualifying schon Perez' Rückstand auf die Pole seines Stallgefährten, mit gerade einmal 66 Tausendsteln.
67 Tausendstel schneller, und Perez könnte nicht mehr so beruhigt ins Bett gehen, denke ich mir. Aber das mit der Jobdescription hatten wir ja oben schon ...
Euer Frederik Hackbarth
P.S.: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat, das erfahrt ihr wie gewohnt in der Schwesterkolumne unseres Chefredakteurs Christian Nimmervoll.