• 16. November 2023 · 13:50 Uhr

Kritik am Event: Das ginge noch ein bisschen besser, Las Vegas!

Meinungsbeitrag von Christian Nimmervoll: Was den einmaligen Glamour der Formel 1 in Las Vegas zumindest aus der Sicht des Journalisten empfindlich trübt

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Meckern auf hohem Niveau: Noch ist nicht alles "fabulous" in Las Vegas Zoom Download

Vegas ist schon irgendwie ganz geil. Das fängt bereits bei der Landung an. Der Harry-Reid-Airport ist nicht etwa weit außerhalb, wie unsereins das aus München kennt. Sondern beim Landeanflug leuchtet einem schon die surreale Sphere-LED-Kugel entgegen (die ich real weniger beeindruckend finde als auf Fotos), und man setzt gefühlt ein paar Meter neben dem Strip auf dem Boden auf.

Ich bin sicher, das Rennen am Sonntag wird ein glitzerndes Spektakel, wie es die Formel 1 in ihrer 73-jährigen Geschichte noch nie erlebt hat. Rechteinhaber Liberty Media hat einen super Job gemacht, so einen Event in so kurzer Zeit möglich zu machen. Hier wird nicht nur groß gedacht, sondern auch groß gemacht.

Aber der Job des Journalisten bringt es quasi per DNA mit sich, dass ich es als Teil meiner Aufgabe als Beobachter vor Ort verstehe, auch nörgelnd auf ein paar Kleinigkeiten hinzuweisen, die noch nicht ganz so rund laufen. Und die Liberty Media mit all den Millionen, die investiert wurden, sicher besser hätte managen können.

Das fängt an bei der Streckeninspektion. FIA-Rennleiter Niels Wittich hätte am Dienstag eigentlich schon grünes Licht erteilen sollen, doch als er mit seinem Team um die Strecke lief, war diese an vielen Stellen noch gar nicht fertig beziehungsweise nicht in einem Zustand, der es Wittich erlaubt hätte, ruhigen Gewissens grünes Licht für den Grand Prix zu geben.

Also musste die Inspektion, so erzählt man sich das im Paddock, am Mittwoch wiederholt werden. Streng genommen - ja, das ist ein bisschen pingelig - stand zum Zeitpunkt der dick aufgetragenen Eröffnungszeremonie (Formel 1 macht jetzt einen auf Olympia) noch gar nicht fest, dass der Grand Prix überhaupt stattfinden kann.

Journalisten müssen wegen Drohnenshow warten

Apropos Eröffnungszeremonie. Ich bin ja einer, der überhaupt nichts gegen den ganzen Showkrempel hat, solange er die eigentliche Veranstaltung und die Arbeit derjenigen, die halt zum Arbeiten in der Formel 1 sind, nicht beeinträchtigt. Ich persönlich habe kein übertriebenes Interesse an irgendwelchen Popacts am Tag vor dem ersten Training, verstehe aber, dass viele Fans das anders sehen.

Was ich, aus ganz subjektiver Sicht des Medienschaffenden, weniger prickelnd finde, ist, wenn man vor der Eröffnungszeremonie aus dem Paddock zurück ins Medienzentrum marschieren möchte, um dort zu arbeiten - dann aber erstmal ewig in einer Securityschleuse warten muss, weil der Fußweg aus Sicherheitsgründen gesperrt wird, solange die leuchtenden Drohnen in der Luft sind. Hätte ich vorher gewusst, dass ich eh nix arbeiten kann, wäre ich noch im Paddock geblieben und hätte mir die Show auch selbst angeschaut. Schwamm drüber.

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Drohnen: Schön anzusehen, hohes Nervpotenzial für arbeitendes Volk Zoom Download

Noch ärgerlicher ist, dass das Medienzentrum nicht direkt im Paddock untergebracht ist wie auf allen anderen Strecken (Baku mal ausgenommen, aber dort geht's wirklich nicht anders, und die Wege sind viel kürzer), sondern man jedes Mal eine Viertelstunde hin und zurück laufen muss, wenn man bei der Pressekonferenz im Paddock eine Frage stellen und dann im Medienzentrum die Story dazu schreiben möchte.

Bitte nicht falsch verstehen: Mir schadet's mit meinem Wohlstandsbauch eh nicht, ein paar Kilometer mehr zurückzulegen. Aber fünfmal täglich hin und retour kostet annähernd zwei Stunden Arbeitszeit netto, und die tun dann schon ein bisschen weh, wenn man um fast 5 Uhr morgens noch hier sitzt, um diese Zeilen in die Tasten zu hacken.

Zumal es ganz einfach gewesen wäre, das Medienzentrum in das gigantische Paddockgebäude zu integrieren, das Liberty Media in erster Linie gebaut hat, um mit steinreichen VIP-Fans einen Haufen Dollar zu produzieren. Ich verstehe schon, dass man am liebsten keinen Quadratmeter Fläche für uns Journalisten abdrücken will, die keinen direkten Umsatz für die Aktionäre erwirtschaften. Aber ich fände es schon ganz cool, wenn man sich ein bisschen besser um die kümmert, die das, was vor Ort passiert, zu denen nach Hause transportieren, die sich so einen Luxus-Grand-Prix nicht leisten können.

Das Internet im Jahr 2023

Was übrigens, auch das ist dem Event nicht würdig, generell eine Herausforderung ist. Das Video für den YouTube-Kanal von Formel1.de durchzuschicken, das wir zum Medientag im Tuscany-Casino aufgenommen haben, versuchten wir zwei Stunden lang erfolglos, bis man uns anstatt des Steinzeit-WLAN zumindest für ein paar Minuten eine LAN-Leitung der Fotografen anbot. Was, nebenbei bemerkt, auch nur einer engagierten Mitarbeiterin am Media-Center-Desk zu verdanken ist, die ich zufällig von früher kenne.


Verstappen meckert: Ist das alles gar nicht so geil? | Medientag Las Vegas 2023

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Ohne Streckenabnahme kein Grand Prix: Steht Las Vegas 2023 auf der Kippe? Kevin Scheuren und Christian Nimmervoll berichten vor Ort. Weitere Formel-1-Videos

Ich frage mich wirklich: Kann das mit dem WLAN im Jahr 2023 wirklich noch so schwierig sein? Es ist ja nicht so, dass ich dem Promoter hunderttausende von Dollar abverlangen will. Bei mir zu Hause habe ich gerade das WLAN modernisiert. Einer der Access-Points, die ich verbaut habe, kostet 250 Euro, bedient bis zu 1.000 Geräte und das bei 1.000 Mbit/s. Vier oder fünf von den Dingern, und das Thema ist geregelt. Wenn das nächstes Jahr immer noch nicht funktioniert, spendiere ich Las Vegas gern ein paar von den weißen Scheiben, für die ich hier keine explizite Werbung machen möchte.

Las Vegas: Nur für dicke Geldbörsen

Falls ich noch ein bisschen Geld übrig habe, denn in Vegas sind nicht nur die Tickets teuer. 16 Euro für eine Schachtel Zigaretten (sollte man eh besser lassen!), 20 Dollar für eine Dose Cola und ein bisschen Wasser (und das nicht im Restaurant, wohlgemerkt, sondern im Getränkeladen die Straße rüber), und wenn man sich ein wirklich gutes Essen gönnen möchte (nicht so einfach zu finden), legt man gleich mal einen Hunderter ab (plus 20 Dollar Trinkgeld, wenn man nicht schief angeschaut werden möchte). Das kann man sich gönnen, ist für Normalsterbliche aber mindestens hart an der Grenze.

Sorgen, die die Herren Formel-1-Fahrer nicht haben. Ein Bordell in Vegas bietet jedem Fahrer gratis Sex mit einer Dame nach Wahl an, und immerhin 50 Prozent Rabatt für andere Mitarbeiter der Teams. Ein Werbegag, den man lustig finden kann, aber nicht muss.

Auch nicht lustig ist, dass hunderte Mitarbeiter, die die Formel 1 normalerweise bei Dienstleistern in Europa bucht, gar nicht erst nach Vegas einreisen konnten. Mit dem sogenannten ESTA darf man nicht arbeiten, das erforderliche Visum wollte das zuständige Konsulat aber nicht ausstellen. Pech gehabt. Möglich, dass jetzt nicht in allen VIP-Lounges sofort Schampus und Kaviar da ist, wenn die zahlenden Kunden danach rufen. Auch so ein Thema, das man vielleicht smarter im Vorfeld hätte klären können.

Was die Locals über den Grand Prix denken

Die Meinung der Locals über die Formel 1 ist geteilt. Der Taxifahrer (Uber), der uns vom Flughafen zum Hotel gebracht hat, war tierisch genervt davon, dass die Anwohner wegen der Straßensperren teilweise enorme Umwege in Kauf nehmen müssen, um zur Arbeit zu kommen. Trifft ihn bei Uber, der pauschal abrechnet, härter als die klassischen Taxis, die man nach Kilometer zahlt.

Der nette Herr mit dem Scooter vor dem Hoteleingang hingegen, der vor ein paar Jahren von San Diego nach Vegas gezogen ist, findet's einfach geil, wenn sich was tut in seiner Stadt. Darum sei er schließlich hergezogen, sagt er, und den Raunzern sollen wir Journalisten lieber keine Beachtung schenken. Die können doch auch, wie er, einfach den Scooter nehmen. Regnen, so wie am Mittwoch, tut's in Vegas schließlich eh fast nie.

Und dann ist da noch die Sache mit dem Jetlag. Vor Vegas waren zwei Wochen Pause. Da kann man die Zeitumstellung den hochbezahlten Profis schon mal zumuten. In einer Woche geht's aber schon in einer ganz anderen Zeitzone weiter, in Abu Dhabi. Da wird der eine oder andere womöglich ein bisschen müde sein, wenn er zum ersten Training ins Auto steigt. Ist manchen eher egal, wie Kevin Magnussen, finden andere aber weniger cool, etwa Max Verstappen.

Letzterer steigt in meiner ganz persönlichen Sympathie sowieso gerade dramatisch. Dass er sich beim Signature-Event von Liberty Media eiskalt hinstellt und uns Journalisten erklärt, wie unnötig er den ganzen Mist findet und dass er sich schon lang nicht mehr so wenig auf einen Grand Prix gefreut hat, er sich bei der Eröffnungszeremonie "wie ein Clown" vorgekommen sei, das ist schon ziemlich frech. Im positiven Sinn. Endlich sagt mal wieder einer, was er wirklich denkt. Das finde ich toll!

Auch wenn's Liberty Media nicht gefällt. Ja, Vegas wird geil. Aber da ist schon noch ein bisschen Luft nach oben.

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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