Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Alle außer Verstappen
Warum 19 von 20 Formel-1-Fahrern nach dem Katar-Grand-Prix 2023 nicht zufrieden sein können und bei wem die Bringschuld jetzt besonders groß ist
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
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Lance Stroll im Formel-1-Fahrerlager 2023: Freude am Fahren sieht anders aus ... Zoom Download
gut schlafen kann nach dem Katar-Grand-Prix 2023 nur Max Verstappen. Aber die Lobeshymne über den neuen Formel-1-Weltmeister hat bereits mein Kollege Christian Nimmervoll verfasst in seiner neuen Kolumne.
Mir fällt heute daher das Gegenstück zu, der "Schlechtschläfer", aber ich möchte mich dieses Mal nicht auf nur einen Protagonisten beschränken - und aus guten Gründen.
Aber wo anfangen? Denn die Liste ist wirklich lang ...
Vielleicht mit Lance Stroll. Denn eigentlich war ich geneigt, ihm diese Montagskolumne exklusiv zu widmen.
Stroll schlittert derzeit von einer Pleite in die nächste, sieht gar kein Land gegen Aston-Martin-Teamkollege Fernando Alonso und strahlt mehr denn je die Lustlosigkeit aus, die man von ihm schon gewohnt ist. Aber mit seiner Leistung in Katar und seinem Mini-"Interview" nach dem Sprint hat er nochmals nachgelegt, einen neuen persönlichen Tiefpunkt erreicht.
Warum tut sich Stroll das eigentlich noch an?
Ich frage mich bei ihm wirklich (und schon seit geraumer Zeit): Warum tut er sich all das eigentlich an, wenn er doch so überhaupt keinen Bock hat?
Das war ja früher schon so bei ihm, als er noch für Williams fuhr. Da kam er schon mal mit Kaugummi im Mund maximal gelangweilt zu seinen Presseterminen, blaffte ein paar kurze Antworten raus, schaute auf die Uhr und zur Pressedame, sagte "War's das?" in die Runde und verschwand wieder.
Das ist 2023 nicht viel anders, umso mehr in jüngster Zeit, wo praktisch nichts läuft bei Stroll. Aber wozu das Ganze? Papa finanziert den ganzen Spaß, schon klar, aber weiß ein 24-Jähriger nichts Besseres anzufangen mit seiner Zeit? Will er nicht lieber etwas machen, das er gerne tut? Man möchte ihm derzeit fast zurufen: "Lass bleiben, Lance." Weil ein Happyend irgendwie nicht absehbar ist.
Aston Martin müsste keine windigen Ausreden mehr erfinden
Denn wenn es Papa Stroll wirklich ernst meint mit seinen Ambitionen für Aston Martin, dann ist der Junior als zweiter Fahrer einfach zu schlecht. Das ist die nackte Wahrheit. Stroll ist der einzige Grund, weshalb Aston Martin nicht auf P2 oder P3 in der Konstrukteurswertung steht, sondern auf P4.
Wenn Stroll junior also das Handtuch werfen würde, er würde dem Team vermutlich einen Gefallen tun. Zumindest müsste Teamchef Mike Krack nicht Woche für Woche versuchen, irgendwelche wilden Rechtfertigungen zu erfinden, um Stroll in Schutz zu nehmen.
Und Stroll selbst hätte endlich seine Ruhe, müsste keine nervigen Fragen mehr beantworten und könnte sich anderweitig beschäftigen. Sonst schläft er noch lange Zeit sehr schlecht ...
Auch völlig neben der Spur: Sargeant und Perez
Aber, und das sei an dieser Stelle betont: Sorgen haben auch die anderen 18 Formel-1-Fahrer, die nicht Max Verstappen heißen. Allen voran Williams-Mann Logan Sargeant - und nein, ich meine damit nicht sein Aufgeben im Grand Prix, weil ihm speiübel war. Im Gegenteil: Ich rechne es ihm hoch an, dass er eingesehen hat, so nicht weiterfahren zu können. Keine einfache Entscheidung, aber die richtige.
Sargeant macht generell einen geknickten Eindruck, strahlt alles aus, aber kein Selbstvertrauen. Und er scheint auch mit dem Druck nicht klarzukommen, macht immer wieder kostspielige Fehler, will vielleicht zu viel und den Erfolg erzwingen. Und er wirkt dabei völlig verloren. Genau wie Sergio Perez als Teamkollege von Verstappen.
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Okay: Wer würde neben Verstappen in dieser bestechenden Form wirklich gut aussehen? Die wenigsten aktuellen Formel-1-Fahrer vermutlich. Aber Perez ist sowas von neben der Spur, dass es schon sehr erstaunlich ist, mit welcher Gelassenheit die Red-Bull-Bosse das hinnehmen. Und jede Woche gibt es neue Nackenschläge, weil Verstappen besser und besser wird, und Perez nicht aus seinem Loch herauskommt.
Auch Norris hat zu knabbern - an Teamkollege Piastri!
Es sind aber nicht nur die "offensichtlichen" Kandidaten, die nach dem Katar-Grand-Prix schlecht geschlafen haben. Einem Lando Norris auf P3 war ganz deutlich anzumerken, wie es ihn anpisst, dass ihm Formel-1-Rookie Oscar Piastri als Teamkollege voraus ist - und McLaren dann auch noch eine Stallregie zugunsten von Piastri ausgibt.
Gegen Daniel Ricciardo hatte Norris bei McLaren noch leichtes Spiel. Aber mit Piastri ist das jetzt anders. Was sich auch in kleinen Fehlern bei Norris zeigt, zum Beispiel in beiden Qualifyings in Katar. Und das wird Norris nicht mehr so ruhig schlafen lassen wir noch in den vergangenen beiden Jahren.
Auch Lewis Hamilton dürfte nicht allzu leicht in den Schlaf gefunden haben in Katar: In beiden Qualifyings setzte es eine Niederlage gegen George Russell, im Sprint kam er hinter ihm ins Ziel und im Grand Prix dem Teamkollegen in Kurve 1 zu nahe - Kollision! Mercedes selbst meint: Die Aktion in der ersten Runde kostete wohl zwei Podestplätze. Das wird den Ex-Champion entsprechend wurmen.
Keine Glanzleistungen von Alonso und Lawson
Oder Alonso: Von der Frühform von Aston Martin zu Saisonbeginn ist nicht mehr viel übrig. Das Team verschwindet zunehmend im Mittelfeld, und mit ihm Alonso. Ein Fahrfehler mit Kiesbett-Besuch (und rustikalem Zurückfahren auf die Strecke) kostete zusätzlich Positionen. Eine Sternstunde war das Wochenende in Katar für ihn sicher nicht.
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Liam Lawson ist ein weiterer Fahrer, der zu knabbern haben dürfte, nach seinem vermutlich vorerst letzten Grand Prix als Ersatzmann bei AlphaTauri. Denn Ricciardo scheint für Austin wieder fit zu werden. Und ausgerechnet in Katar fliegt Lawson im Sprint ab und wird erstmals überhaupt von Yuki Tsunoda im Rennen geschlagen. So hatte sich Lawson den vorläufigen Schlusspunkt eher nicht vorgestellt.
Und alle Formel-1-Fahrer, ob hier genannt oder nicht, dürften sich kollektiv die Frage stellen, ob es überhaupt ein Ankommen gibt gegen einen Verstappen in Überform und mit der Bestätigung von jetzt drei WM-Titeln im Rücken. Denn derzeit sieht es so aus, als wäre das nur der Anfang der Ära Verstappen. Und das dürfte den 19 Konkurrenten von Verstappen einige schlaflose Nächte bereiten ...
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Und wer nach dem Rennen in Katar am besten geschlafen hat? Das erfahrt ihr wie immer in der Schwesterkolumne von Chefredakteur Christian Nimmervoll.
Euer
Stefan Ehlen