• 25. September 2023 · 01:50 Uhr

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Christian Horner

Eine Laudatio auf den neuen Konstrukteurs-Weltmeister: Wie Christian Horner einst mit Helmut Marko in Berührung kam und was ihn heute noch auszeichnet

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

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Christian Horner jubelt in Suzuka über Red Bulls sechste Konstrukteurs-WM Zoom Download

es ist Tradition dieser Kolumne, dass am Montag nach einer Titelentscheidung in der Formel 1 nicht der Verlierer des Wochenendes am schlechtesten schläft (den Part übernimmt heute ausnahmsweise einer meiner Kollegen), sondern dass der frischgebackene Weltmeister am besten schläft. Und das ist nach der Entscheidung in der Konstrukteurs-WM beim Grand Prix von Japan in Suzuka Red-Bull-Teamchef Christian Horner.

Viele unserer jüngeren Leser wissen wahrscheinlich nicht, dass Horner früher selbst Rennfahrer war. In der Formel Renault gewann er sogar Rennen, er fuhr später auch Formel 3 und Formel 3000, das Äquivalent zur heutigen Formel 2. Bei einem Test in Estoril stieß er dann jedoch auf einen gewissen Juan Pablo Montoya, und als er in der Zielkurve Parabolica sah, was Montoya dort anstellen konnte, wurde Horner klar, dass er nicht ganz so viel Talent hat wie die Besten unter den Besten.

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Christian Horner nach einem Unfall bei einem Formel-3000-Test in Silverstone 1998 Zoom Download

Es ist, übrigens, eine Ironie des Schicksals, dass genau das Horner mit seinem Erzrivalen Toto Wolff verbindet. Auch der war in seiner Jugend semiprofessioneller Rennfahrer, bekam dann aber von einem gewissen Alexander Wurz aufgezeigt, dass es für die Weltspitze nicht reichen würde.

Was die Erzrivalen Horner und Wolff verbindet

2009 kam Wolff noch auf die mäßig schlaue Idee, mit einem Porsche 911 GT3 RSR Niki Laudas alten Nürburgring-Rekord zu brechen, doch die Nordschleife warf ihn gnadenlos ab, und spätestens von da an war der Österreicher davon geheilt, eine Karriere als Rennfahrer weiterzuverfolgen.

Wolff und Horner verbindet auch, dass sie trotzdem weiter Motorsport machen wollten, und so stieg Horner ins Management ein und betrieb mit Arden sein eigenes Team. Horner kannte damals schon Helmut Marko. Marko hatte seinerseit auch sein eigenes Formel-3000-Team, und 1996 verkaufte er Horner ein gebrauchtes Motorhome.

Jahre später, es muss um 2004 gewesen sein, war Horner in der Formel 3000 einer der etablierten Teamchefs. Gleichzeitig suchte Bernie Ecclestone nach einem Käufer für das ins Straucheln geratene Team von Eddie Jordan. Dort sollte später der Midland-Milliardär Alexander Shnaider aus Russland einsteigen, mit dem deutschen Teamchef Colin Kolles. Doch eigentlich hatte Ecclestone versucht, Horner zu überreden, für Jordan eine Lösung zu finden.

2004: Rekordsaison mit Liuzzi in der Formel 3000

Für Horner bot sich wenig später die nächste Gelegenheit, sich den Traum von der Formel 1 zu erfüllen. Für 2004 hatte ihm sein alter Bekannter Marko für Arden einen jungen Italiener namens Vitantonio Liuzzi als Fahrer aufgeschwatzt. Liuzzi war Red-Bull-Junior, und er war ausgesprochen talentiert. In jener Saison gewann er sagenhafte sieben von zehn Rennen und wurde zweimal Zweiter.

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2004: Christian Horners Team Arden gewinnt mit Vitantonio Liuzzi die Formel 3000 Zoom Download

Marko war inzwischen der Mann, der Dietrich Mateschitz ins Ohr flüsterte, er könne sich nach dem Engagement als Shareholder bei Sauber doch auch sein eigenes Team kaufen, und so erwarb Red Bull Ende 2004 das Jaguar-Team vom Ford-Konzern. Als es darum ging, wer das Team operativ führen könnte, fiel Marko Horner ein und schlug diesen bei Mateschitz vor, obwohl der damals gerade erst 30 Jahre alt war.

Mateschitz lud Horner nach Salzburg ein und bot diesem ein selbst für einen erst 30-Jährigen ziemlich bescheidenes Gehalt an. Also schlug Horner vor, auf Erfolgsbasis Prämien auszuzahlen. Jaguar hatte 2004 zehn WM-Punkte geholt, und sollte dieses Ergebnis übertroffen werden, würde Horner auf Prämienbasis ziemlich gut verdienen.

Melbourne 2005: Guter Tag für die Geldbörse

Melbourne 2005, Red Bull stand jetzt erstmals mit zwei eigenen Autos in der Startaufstellung der Formel 1. David Coulthard beendete das Rennen sensationell als Vierter, Christian Klien wurde Siebter. Das bedeutete nach der Premiere Platz 3 in der Konstrukteurs-WM und sieben WM-Punkte. Bis zum Saisonende sollten satte 34 Punkte draus werden, und so verdiente sich Horner schon in seiner ersten Saison als Teamchef eine (für damalige Verhältnisse) goldene Nase.

Dabei war Horner in den ersten Jahren nur der Mann für die trockene Knochenarbeit. Wenn es darum ging, die großen Fäden zu ziehen, etwa welche Fahrer man holen sollte oder welche Ingenieure, wurde zwar seine Meinung abgefragt; aber die Entscheidungen traf letztendlich Marko, immer in enger Abstimmung mit Mateschitz und teilweise Thomas Überall, einem ehemaligen Ski-Freestyler aus Österreich, der sich bei Red Bull um die Juniorfahrer kümmerte.

Irgendwann im Jahr 2005 brachte Gerhard Berger, so wird es zumindest in Österreich erzählt, Mateschitz auf die Idee, dass er doch versuchen sollte, Adrian Newey für Red Bull zu gewinnen. Jetzt schlug Horners große Stunde. Denn auch wenn niemand je offiziell drüber gesprochen hat: Hinter den Kulissen der Formel 1 erzählt man sich, dass Horner schlau genug war, sein Schicksal mit jenem von Newey zu verknüpfen. Auch vertraglich.

Horner und Newey gibt's nur im Doppelpack

Es ist schon eine ganze Weile her, dass Ferrari auf die Idee kam, Newey zu wollen. Doch Newey gab's ab dem Zeitpunkt nur noch im Paket mit Horner. Horner fuhr nach Maranello, führte die Verhandlungen, und letztendlich blieben die beiden doch bei Red Bull. Selbstverständlich nicht zum Nulltarif. Sowohl Horner als auch Newey sind heute Spitzenverdiener in der Formel 1.

Und das, obwohl sich besonders Newey seine Freiheiten rausnimmt und sich aus dem Hamsterrad der Formel 1 zumindest auf täglich-operativer Basis gelöst hat. Als sein Team am vergangenen Wochenende im fernen Japan beide WM-Titel fixierte, fuhr Newey gerade in der Gegend um Triest mit seinem Ferrari 250 GT California Spider SWB die Cavalcade Classiche.

Horner war auch schlau genug, frühzeitig zu erkennen, dass ein Einstieg von Porsche als 50-Prozent-Partner im Formel-1-Programm für ihn keine gute Nachricht und seine über die Jahre gewachsene Kontrolle beschneiden würde. Also war er einer von denen, die ab einem gewissen Zeitpunkt gegen den Deal Stimmung machten. Stattdessen finanzierte ihm Mateschitz Red Bull Powertrains, was Horner noch mehr Macht und Einfluss in der Formel 1 verschafft.

Sexy Horner neben Rennwagen: Ein ikonisches Foto

Christian Horner hat es weit gebracht. Aus dem mäßig erfolgreichen Rennfahrer mit der ausgeprägten Brustbehaarung ist der erfolgreiche Manager eines der erfolgreichsten Grand-Prix-Teams geworden. Das stattliche Anwesen in England, das er gern und regelmäßig auf Instagram postet, gehört dazu ebenso wie die Popstar-Ehefrau, Geri Halliwell von den Spice Girls, mit der er seit 2015 verheiratet ist.

Ich hatte einmal das Vergnügen, Horner im nicht streng beruflichen Rahmen kennenzulernen, als ich bei einem von Red Bull organisierten Mittagessen neben ihm saß. Horner wollte von der Runde wissen, was die Geschichten zum ersten Grand Prix sind, bei dem man jeweils gewesen sei, und ich erzählte ihm meine.

1997 zum Beispiel, als ich Schule schwänzte, um mit dem Reisebus zur Formel 1 zu fahren, oder 1999, als ich mein letztes Taschengeld für eine Gold-Tribünenkarte am damaligen A1-Ring zusammenkratzte, mir den Campingplatz nicht mehr leisten konnte und stattdessen im Kornfeld nebenan ein Versteck für meinen Schlafsack suchte. Was soweit auch ganz gut klappte, bis es in der Nacht zu regnen begann.

Ich hatte das Gefühl, dass ihm diese Geschichte ehrlich gefiel. Horner mag heute ein gemachter, wohlhabender Mann sein, aber ihn und Helmut Marko verbindet eins: Ganz egal, wie viel Geld sie auch verdient haben mögen - letztendlich geht es ihnen nur ums Racing. Das muss jedem klar sein, der nach Abu Dhabi 2021 gehört hat, in welcher Lautstärke Horner seinen Emotionen über den gewonnenen WM-Titel freien Lauf ließ ...

Euer
Christian Nimmervoll

Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen der Formel 1.

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