• 20. März 2023 · 04:50 Uhr

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Die FIA

Die peinliche Posse um Fernando Alonso und dessen dritten Platz im Formel-1-Rennen in Saudi-Arabien: Wenn die Regelwächter die Regeln nicht kennen (können)

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,

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Der Weltverband (FIA) reguliert mit seinen Sportkommissaren die Formel 1 Zoom Download

eigentlich hättet ihr an dieser Stelle einen ganz anderen Text vorfinden sollen. Der war - am späten Sonntagabend - auch schon ein gutes Stück gediehen, aber dann erfolgte um kurz nach 23 Uhr noch die Korrektur der Ergebniskorrektur durch die FIA-Sportkommissare, und damit hatte sich das Thema praktisch erledigt.

Also: Themawechsel. (Und es darf gerne getippt werden, wen ich im Original gut schlafen lassen wollte!)

Die peinliche Posse um Fernando Alonso

Wenden wir uns statt echten "Gutschläfern" denjenigen zu, die laut Formel-1-Fahrer Fernando Alonso schon während des Rennens in Saudi-Arabien "geschlafen" haben: den Verantwortlichen des Automobil-Weltverbands (FIA), die in Dschidda als Sportkommissare über die Einhaltung der Regeln wachten. Das waren konkret: Hassan Alabdali, Enrique Bernoldi, Mathieu Remmerie und Nish Shetty. Aber das ist eigentlich gar nicht entscheidend.

Entscheidend ist vor allem, dass sich FIA und Formel 1 blamiert haben. Denn erst hat Alonso direkt nach der Zieldurchfahrt als Dritter an der Siegerehrung teilgenommen, nur um kurz danach per Zeitstrafe auf Platz vier degradiert zu werden und um Stunden später doch wieder als Dritter zu gelten.


FIA-Penalty erklärt: Darum bekam Alonso P3 zurück!

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Wir erklären, auf welche Regeln sich die FIA-Stewards bezogen haben, wie es zu dem Chaos kommen konnte und was in Zukunft getan werden muss. Weitere Formel-1-Videos

Es sind genau solche Eiertänze, die vielen Fans die Formel 1 madig machen. Das nicht Wissen, ob ein Ergebnis über das Ende der TV-Übertragung hinaus noch Bestand haben wird. Das nachträgliche Bestrafen anhand irgendwelcher Paragrafen und Artikel, die ohnehin kein Mensch zuhause kennt oder nachvollziehen kann.

Erst ist alles korrekt, dann plötzlich doch nicht

Um was es genau geht? Wir rekapitulieren: Alonso hatte sich beim Start nicht korrekt in seiner Startbox befunden und war mit einer Fünf-Sekunden-Zeitstrafe belegt worden, die er beim Boxenstopp in Runde 18 "absaß". Dabei aber berührte der hintere Wagenheber schon vor dem Ablauf der Strafzeit das Fahrzeug.

Soweit kein Problem: Die Sportkommissare erhielten die Meldung, die Strafe sei ordnungsgemäß absolviert worden. Das hat die Analyse des Remote Operations Centre (ROC) mit Sitz in Genf ergeben.

Eben dieses ROC aber wandte sich in der letzten Rennrunde (!) an die Rennleitung, um dann doch auf eine inkorrekt absolvierte Strafe hinzuweisen, woraufhin die Rennleitung eine Untersuchung durch die Sportkommissare anberaumte - mit dem Ergebnis, dass Alonso nochmals bestraft wurde, mit einer zusätzlichen Zehn-Sekunden-Zeitstrafe, die ihn Platz drei kostete.

Begründung: Man habe sich im Sporting Advisory Committee (einer Kommission, die in sportlichen Fragen beraten soll) darauf verständigt, dass eine Berührung durch einen Wagenheber dem Strafbestand "arbeiten am Auto" gleichkomme, und eine Berührung durch den Wagenheber könne nachgewiesen werden.

Wer hat denn eigentlich hier "gepennt"?

Und damit sind wir an dem Punkt angekommen, an dem "gut geschlafen" wurde. Aston Martin konnte nämlich in einer weiteren Sitzung bei den Sportkommissaren nachweisen, dass es eine solche Verständigung nie gegeben hat.

Das Team legte einerseits das Protokoll der jüngsten Kommissionstagung vor und andererseits Videoaufnahmen von abgesessenen Zeitstrafen, bei denen zwar in sieben Fällen Wagenheber Autos berührt hatten, diese Vorfälle aber jeweils straffrei geblieben waren.


Fotostrecke: Formel 1 2023 in Saudi-Arabien: Das Wichtigste zum Sonntag

All das war den Sportkommissaren bei ihrer Entscheidungsfindung nicht bewusst gewesen. Sie hielten daher in ihrem finalen Urteil fest, sie seien von "falschen Annahmen" ausgegangen und die Basis für ihre Entscheidung sei ebenso "falsch" gewesen. Es habe "doch keine klare Verständigung" gegeben, und zwar "anders, als man es den Sportkommissaren davor zu verstehen gegeben hatte", so heißt es. Und Alonso bekam Platz drei zurück.

Der Fehler liegt im System

Wer also hat jetzt "geschlafen"? Diejenigen, die die Regeln aufstellen? Oder diejenigen, die sie überwachen? Diejenigen, die am Ende ein Urteil fällen müssen?

Ich meine: Der Fehler liegt im System. In einem System, das längst niemand mehr überblickt. Das die Bezeichnung "System" vielleicht gar nicht mehr verdient, weil ein "System" oftmals nicht mehr erkennbar ist - bei einem Reglement, das gefühlt ein Regalbrett komplett ausfüllt; bei immer neuen Arbeitsgruppen und Gremien, die immer neue Feinheiten ausloten und ausschließen; bei immer mehr Daten und immer weniger Durchschaubarkeit.

Die Sportkommissare des Weltverbands sind in Saudi-Arabien gewissermaßen über ihre eigenen Füße gestolpert, weil man ihnen unterm Tisch - wahrscheinlich unbewusst - die Schnürsenkel zusammengebunden hat. Aber so oder so: Am Ende fallen die Sportkommissare um, weil sich das "System" verheddert hat.

Die FIA kündigt eine Aufarbeitung an, aber ...

Apropos: Ein FIA-Sprecher hat nach dem finalen Urteil noch angekündigt, die Situation werde bei der nächsten Sitzung des Sporting Advisory Committee am 23. März 2023 nochmals auf die Tagesordnung kommen. Anschließend soll es eine "Klarstellung" geben, noch vor dem nächsten Grand Prix in Australien.

Nachsatz: "Diese offene Herangehensweise bei Prüfung und Verbesserung seiner Prozesse ist ein Teil der anhaltenden Aufgabe des Weltverbands, den Sport fair und transparent zu regulieren."

Und jetzt weiß ich nicht, ob ich lachen oder weinen soll. Denn ich bin nicht davon überzeugt, dass das Grundproblem erkannt wurde.

Alonso spricht vielen aus der Seele

Oder wie es Alonso nach dem zwischenzeitlichen Verlust des dritten Platzes ausgedrückt hat: "Da läuft etwas wirklich falsch in diesem System. Das ist ein bisschen traurig für die FIA. Und ein Tag wie heute ist nicht gut für die Fans."

Und weiter: "Wir müssen gar nichts erfinden. Wir müssen einfach nur wieder gesunden Menschenverstand walten lassen."

Da hat er einen Punkt, finde ich. Statt immer neuen Regeln, die die Formel 1 in ein immer engeres Korsett zwängen und die Rennserie immer weiter von ihren Zuschauern wegdriften lassen, sollte der Weltverband lieber einmal über etwas nachdenken, was sich alle Beteiligten wünschen und dringend benötigen: Vereinfachungen, und zwar flächendeckend. Sonst heißt es bald wirklich: gute Nacht!

Einverstanden? Widerspruch? Lasst uns reden!

Ihr denkt ähnlich? Oder ganz anders? Dann lasst uns darüber reden: Folgt mir gerne auf Facebook und/oder Twitter, wo ich diese Kolumne - und weitere andere Themen aus der Formel 1 und dem Motorsport allgemein - gerne mit euch diskutiere.

Und wer nach dem Rennen in Saudi-Arabien gar nicht gut geschlafen hat? Das erfahrt ihr wie immer in der Schwesterkolumne von Chefredakteur Christian Nimmervoll.

Euer
Stefan Ehlen

PS: Meine Montagskolumne erscheint ab sofort nicht mehr nur auf der deutschsprachigen Edition von Motorsport.com, sondern auch auf Formel1.de und Motorsport-Total.com.

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