• 09. Januar 2023 · 15:26 Uhr

Warum es für Frederic Vasseur keine Ausreden gibt bei Ferrari

Wie schwierig die Aufgabe ist für den neuen Ferrari-Teamchef Frederic Vasseur und warum er trotzdem gleich in der Formel-1-Saison 2023 zum Erfolg verdammt ist

(Motorsport-Total.com) - Am 9. Januar 2023 beginnt Frederic Vasseur ganz offiziell seine Tätigkeit als Ferrari-Teamchef in der Formel 1. Und seine große Hoffnung wird sein, gleich das erste Jahr bei Ferrari mit dem Titelgewinn zu beschließen. Für dieses Ziel wurde er nach Maranello geholt. Vasseur weiß aber auch: Es gibt keinen magischen Knopf, den er drücken könnte, um Ferrari ganz nach vorne zu bringen.

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Formel-1-Teamchef Frederic Vasseur: Bisher bei Alfa Romeo, jetzt bei Ferrari Zoom Download

Das musste zuletzt auch Mattia Binotto erfahren, Vasseurs Vorgänger als Ferrari-Teamchef. Die Ferrari-Bosse John Elkann und Benedetto Vigna hätten Binotto leicht ein weiteres Jahr geben können, scheinen aber das Vertrauen in Binotto verloren zu haben. So viel verrät das Timing der Personalentscheidung bei Ferrari.

Das italienische Formel-1-Traditionsteam hat Binotto aus einem einfachen Grund ausgetauscht: Es will den WM-Titel gewinnen und es will den WM-Titel jetzt.

Was Ferrari mit dem neuen Teamchef vorhat

Es handelt sich also nicht um die "Standardsituation" im Motorsport, in der die Ergebnisse nicht mehr passen und das Team sich in einer Abwärtsspirale befindet, die es zu durchbrechen gilt. Nein, die Ausgangslage bei Ferrari ist vor der Saison 2023 eine ganz andere.

Vigna hat es im Winter sehr treffend formuliert: "Wir haben Fortschritte gemacht. Ich bin zufrieden mit den Fortschritten, aber nicht mit dem zweiten Platz. Ich glaube, das Team hat alles, was es braucht, um sich mit der Zeit zu steigern."

Wenn 2022 der zweite Platz für nicht gut genug erachtet wurde, dann ist klar, was die Führungsetage 2023 von Ferrari erwartet: den ersten Platz.

Viel Druck für Vasseur im ersten Ferrari-Jahr

Und damit zurück zu Vasseur, der bisher im Formel-1-Mittelfeld für Renault und Alfa Romeo tätig gewesen ist. Er bekommt es jetzt mit einem Topteam zu tun - und kriegt daher keine Schonfrist, wenn er sich in sein neues Umfeld einarbeitet: Es geht bei Ferrari nicht um langfristige Ambitionen und einen kontinuierlichen Aufbau. Es geht 2023 einzig um Siege und Titel, ohne Wenn und Aber. Und es gibt keine Ausreden.

Das bedeutet vor allem eine Menge Druck. Denn das Ergebnis, das Ferrari vorschwebt, ist in Maranello schon seit 15 Jahren nicht erreicht worden. Kein Wunder also, dass manche Beobachter meinen, Vasseur erhalte bei Ferrari zu Jahresbeginn 2023 einen bittersüßen Begrüßungsdrink.

Zumal auf der Hand liegt, was passieren dürfte, sollte der Saisonauftakt nicht nach Wunsch verlaufen für Ferrari: Es werden vermutlich Stimmen laut, die den Wechsel an der Teamspitze in Frage stellen. Umso mehr, falls sich Pleiten und Pannen aus der Vorsaison auch in diesem Jahr fortsetzen sollten.

Was Vasseur jetzt bei Ferrari ändern muss

Um dieser Kritik durch Medien und Fans zu entgehen, muss Vasseur sicherstellen, dass Ferrari fehlerlos agiert. Aber das ist in der hochkonkurrenzfähigen Formel 1 natürlich leichter gesagt als getan, und der Druck ist groß.

Für Vasseur geht es daher vor allem darum, das vorhandene Potenzial zu nutzen und kostspielige Fehler abzustellen. Deshalb dürfte sein Hauptaugenmerk zunächst nicht auf dem eigentlichen Rennauto, sondern auf der Teamstruktur liegen. Mit der Frage im Hinterkopf: Was ist 2022 schiefgelaufen, dass dabei so schlechte Strategie-Entscheidungen herausgekommen sind?


Fotostrecke: Flop 25: Die größten Ferrari-Strategiedesaster seit 2015

Um hier für einen Neuanfang zu sorgen, muss Vasseur sicher nicht die Strategen rauswerfen. Klar ist aber: Das ist einer der Bereiche, in dem es besser werden kann und besser werden muss.

Positiv für Vasseur: Er fängt bei Ferrari nicht bei null an

Es warten also einige wichtige Aufgaben auf den neuen Ferrari-Teamchef, wenn er eine erfolgreiche erste Saison für Maranello bestreiten will.

Es gibt aber auch einiges, das ihm in die Karten spielt. Vasseur kommt jetzt nämlich in ein Team, das sich im Aufwind befindet. Schon seit einigen Jahren geht es wieder vorwärts bei Ferrari. Und obwohl 2022 die negativen Schlagzeilen dominiert haben: So erfolgreich war Ferrari lange nicht gewesen.

Auch die Teamstruktur wirkt gefestigt. Vasseurs Vorgänger Binotto hat zu Beginn seiner Tätigkeit viel Zeit dafür aufgewendet, die unterschiedlichen Abteilungen miteinander in Einklang zu bringen, um Ferrari maximal auf Erfolg zu trimmen.

Technisch ist alles vorbereitet für die Saison 2023

Anfang Januar dürfte Ferrari zudem ein fast fertiges Auto zur Verfügung haben. Binotto hat im Winter noch die Entwicklung des Fahrzeugs begleitet, alle wichtigen Entscheidungen für das Konzept und etwaige Verbesserungen im Vergleich zum Vorjahr sind längst getroffen.

Auch auf Seiten des Antriebs dürfte Vasseur eine verbesserte Ausgangslage vorfinden. Die Defekte, die 2022 in Spanien und Aserbaidschan noch mögliche Ferrari-Siege verhindert haben, müssten inzwischen aufgearbeitet worden sein.


Fotostrecke: Fotostrecke: Alle Ferrari-Rennleiter in der Formel 1 seit 1950

Es heißt: Ferrari ist den Zuverlässigkeitsproblemen auf die Spur gekommen und hat die Fehler noch in der Saison 2022 abgestellt. Das war bitter notwendig: Teilweise ist das Formel-1-Team in der zweiten Saisonhälfte mit konservativen Motoreinstellungen gefahren, soll Insidern zufolge aber beim Saisonende den Antrieb wieder aufgedreht haben.

Mehr noch: Ferrari sollen in der Winterpause weitere Fortschritte rund um die Zuverlässigkeit gelungen sein, was sich in einer noch besseren Antriebsleistung in der Saison 2023 niederschlagen dürfte. Das könnte zum Beispiel mehr Topspeed bedeuten - und damit weniger Handicap im Vergleich zu Red Bull, das 2022 in dieser Hinsicht die klare Nummer eins war.

Hat Vasseur den gleichen Überblick wie Binotto?

Spannend wird sein, ob Vasseur bei Ferrari eine ähnlich ganzheitliche Perspektive erhält wie Binotto, der nicht nur für das Rennauto, sondern auch für den Antrieb und die technischen Feinheiten verantwortlich zeichnete.

Denn es war eine der großen Stärken von Binotto als Ferrari-Teamchef, dass er das Formel-1-Auto und dessen Leistungsvermögen in- und auswendig kannte. Er wusste um die Komplexität des Fahrzeugs - und um die Machtspielchen im Formel-1-Fahrerlager, die ebenfalls einen Einfluss auf die Leistung haben können.

Was laut Binotto zu tun ist bei Ferrari

Was Vasseur aber ermutigen dürfte, ist: Seine Aufgabe bei Ferrari mag zwar schwierig sein, aber sie klingt machbar. So hat es zumindest Binotto selbst formuliert. Noch im Sommer 2022 sagte der damalige Ferrari-Teamchef, sein Rennstall befinde sich auf dem richtigen Weg, um wieder Weltmeister zu werden. Es fehle lediglich noch etwas Feinschliff.

Auf die explizite Frage, was Ferrari denn anders machen müsse, damit sich der ganz große Erfolg einstelle, sagte Binotto: "Ich glaube nicht, dass wir etwas anders machen müssen. Ich denke, wir müssen einfach so weitermachen und uns kontinuierlich steigern, uns auf jedes einzelne Rennen konzentrieren."

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Frederic Vasseur (links) tritt bei Ferrari die Nachfolge von Mattia Binotto an Zoom Download

"Es gibt keine magischen Knöpfe, die wir drücken könnten. Und ich glaube auch nicht, dass wir uns verändern müssen. Wir können gute Arbeit leisten. Das haben wir schon unter Beweis gestellt. Jetzt geht es darum, Schritt für Schritt nach vorne zu gelangen. Und wie auch immer 2022 ausgeht: Wir werden versuchen, uns auf 2023 vorzubereiten."

Die bisher größte Aufgabe für Vasseur

Und nun ist es an Vasseur, diese Aufgabe zu übernehmen und zu einem Abschluss zu bringen. Er wird das mit eiserner Entschlossenheit tun, wenngleich er sich im Fahrerlager gerne locker und lächelnd präsentiert.

Oder wie es Valtteri Bottas formuliert, der Vasseur seit vielen Jahren kennt: "Frederic kann sehr entspannt und lustig wirken, aber er kann auch hart sein. Er weiß, wann es an der Zeit ist, eine Motivationsrede zu halten oder konstruktive Gespräche zu führen. Er ist gut."

Diese Qualitäten muss Vasseur jetzt bei Ferrari einbringen. Und vor allem: Er muss damit erfolgreich sein.

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