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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: Mattia Binotto
Mattia Binotto und das Ferrari-Team haben ein pfeilschnelles Auto, schenken die Formel-1-Weltmeisterschaft 2022 aber mit unnötigen Fehlern ab
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser/-innen,
© circuitpics.de
Laut Ralf Schumacher muss Mattia Binotto womöglich bald um seinen Job zittern Zoom Download
80 Punkte sind eine Menge Holz. In der Geschichte der Formel-1-Weltmeisterschaft, und die gibt's immerhin seit mehr als 70 Jahren, hat noch nie ein Fahrer einen so großen Rückstand aufgeholt. Oder, anders ausgedrückt: Obwohl noch neun Rennen zu fahren sind, kann es sich Max Verstappen jetzt leisten, mit zweiten Plätzen Weltmeister zu werden.
Selbst dann, wenn Charles Leclerc alle neun verbleibenden Rennen und den Sprint in Brasilien gewinnen und dabei immer die schnellste Rennrunde fahren sollte. Was, nebenbei bemerkt, nicht passieren wird. Obwohl Mattia Binotto noch in Le Castellet erklärt hatte, dass Ferrari zumindest das Potenzial habe, von jetzt an jedes Rennen zu gewinnen.
Weit gefehlt.
Am kurvenreichen, verwinkelten Hungaroring, auf dem Ferrari eigentlich als haushoher Favorit gehandelt wurde, war Verstappen bereits im Qualifying der schnellste Mann. Nur ein technisches Problem verhinderte die (überraschende) Poleposition.
Und wer im Rennen von P10 aus gewinnen kann, trotz spektakulärem 360-Dreher, Kupplungsproblem und zögerlichem Start, über dessen Performance braucht man wohl nicht länger diskutieren.
Ferrari ohne Erfolgserlebnis in die Sommerpause
Binotto hat genug nachzudenken in der Sommerpause. Am Sonntagabend in Budapest wirkte er defensiv, als er in einer virtuellen Medienrunde via Zoom von den Journalisten gelöchert wurde. Man habe sich bei der Wahl für die harten Reifen auf die Daten verlassen. Und die seien, das sei im Nachhinein leicht zu sagen, falsch gewesen.
Ralf Schumacher spekulierte bei den Kollegen von Sky als Erster darüber, dass Binotto womöglich nicht mehr lang fest im Sattel sitzen könnte, wenn das sportliche Desaster der Scuderia weitergeht.
Noch gibt es keine konkreten Hinweise darauf, dass Ferrari-Präsident John Elkann an seinem Stuhl sägen könnte. Doch die Italiener sind ein emotionales Volk, und um die Emotionen ist es derzeit nicht gut bestellt.
Mir wurde das am Sonntagabend bewusst, als wir am Ausgang des Hungarorings unsere große Rennanalyse gefilmt haben. Am Tor standen ein paar Ferrari-Fans. Als, begleitet von einer Polizeieskorte, Binotto rausfuhr, plärrte ein junger Mann mit Ferrari-Kappe: "Mattia, vaffanculo!" Eine Beleidigung, die an dieser Stelle besser unübersetzt bleibt.
Ferrari 2022, das ist eine einzige Pleiten-, Pech- und Pannenserie. Es gibt nicht einen Schlüsselbereich, der WM-reif ist.
Was bei Ferrari alles schiefläuft
Die Fahrer Leclerc und Sainz mögen zwar hochgradig begabt sein, haben diese Saison aber schon zahlreiche Fehler gemacht. Denken wir nur an Imola und Le Castellet bei Leclerc oder an Melbourne bei Sainz.
80 Punkte: So viel hat noch nie jemand aufgeholt!
Ferrari hat eins der schnellsten Autos, aber kriegt die Strategie nicht auf die Reihe. Das hat Leclerc womöglich seine letzten WM-Chancen gekostet. Weitere Formel-1-Videos
Die Strategien, wie sich in Ungarn gezeigt hat, sind denen von Red Bull und Mercedes oftmals unterlegen. Ferrari scheinen klare Ansagen in hitzigen Momenten ebenso zu fehlen wie die nötige Flexibilität, wenn's drauf ankommt.
Die Boxenstopps wurden nicht nur einmal verpatzt. Sainz verlor am Hungaroring wieder mehrere Sekunden Standzeit. Was nützt einem das schnellste Auto, wenn man beim Reifenwechsel dann wertvolle Zeit verliert?
Zu guter Letzt: das Auto. Der 2022er-Ferrari ist pfeilschnell. Wenn man bedenkt, wo Ferrari seit der Motorenaffäre herkommt, dann ist es wohl auch Binottos Verdienst, dass die Scuderia überhaupt dazu in der Lage ist, sich die Kritik dafür einzuhandeln, die WM zu verlieren. Das wäre noch vor einem Jahr völlig undenkbar gewesen.
Binottos Team hat den Bogen weit aufgezogen, um 2022 wieder konkurrenzfähig zu werden. Vielleicht zu weit.
Doch es heißt, dass es einfacher ist, ein schnelles Auto zuverlässig zu machen als umgekehrt. So gesehen ist Ferrari eigentlich auf einem guten Weg. Und nur die Erwartungshaltung falsch.
Ferrari ist das meistverbesserte Team der Formel 1. Das gilt 2022 noch als Ausrede.
2023 nicht mehr. Wenn Binottos Frauen und Männer dann nicht liefern, wird es, denke ich, einen neuen Teamchef geben. Nicht, weil schon einer in den Startlöchern steht. Sondern weil das in der Vergangenheit immer so war in Maranello.
Eins wird 2023 nicht mehr so sein, wie es die vergangenen Jahre immer war: Sebastian Vettel wird in der Formel 1 nicht mehr am Start sein. Warum der viermalige Weltmeister letzte Nacht am besten geschlafen hat, das hat mein Kollege Stefan Ehlen für unsere Schwesterplattform Motorsport-Total.com aufgeschrieben.
Euer
Christian Nimmervoll
Hinweis: Es liegt in der Natur der Sache, dass diese Kolumne meine subjektive Wahrnehmung abbildet. Wer anderer Meinung ist, kann das gern mit mir ausdiskutieren, und zwar auf meiner Facebook-Seite "Formel 1 inside mit Christian Nimmervoll". Dort gibt's nicht in erster Linie "Breaking News" aus dem Grand-Prix-Zirkus, sondern vor allem streng subjektive und manchmal durchaus bissige Einordnungen der wichtigsten Entwicklungen hinter den Kulissen.