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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat: George Russell
George Russell muss Toto Wolff nichts beweisen, hat es in Imola aber trotzdem versucht - und sich damit für den Verlauf seiner Karriere keinen Gefallen getan ...
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser/-innen,
© Motorsport Images
George Russell hat sich mit dem Crash in Imola keinen Gefallen getan Zoom Download
auf 'Sport1' fand am Sonntagabend nach dem Grand Prix in Imola eine spannende Diskussion statt. Colin Kolles und Christian Danner debattierten dort (unter anderem), wie der Crash zwischen Valtteri Bottas und George Russell zustande gekommen war. Und erzählten das mit dem Insiderwissen eines ehemaligen Formel-1-Teamchefs und eines ehemaligen Formel-1-Fahrers.
Für Kolles ist klar, dass die Egos der beiden Fahrer in jenem Moment "eine massive Rolle" gespielt haben müssen. Russell habe als "kommender Star" zeigen wollen, dass er Anspruch auf ein Mercedes-Cockpit hat, und Bottas ("bringt keine Leistung") "wusste ganz genau, dass Russell kommt".
Womit Kolles genau das unterstreicht, was Russell unmittelbar nach dem Rennen unterstellt hat, nämlich dass sich Bottas wohl gegen keinen anderen Fahrer im Feld so hart gewehrt hätte wie gegen ihn. Davon ausgehend, dass Lewis Hamilton für 2022 gesetzt ist, sofern er seine Karriere fortsetzen möchte, war das gestern nämlich der direkte Kampf ums zweite Mercedes-Cockpit.
Russell, findet Kolles, hätte klar sein müssen, "dass ihn Bottas nicht einfach vorbeilässt". Aber: "Er wollte Bottas zeigen, wer der Platzhirsch ist. Wenn er durchgekommen wäre, wäre Russell der Held gewesen. Bottas musste nicht viel machen. Der musste nur geradeaus fahren. Er wusste ganz genau, dass der dort abfliegt, wenn Russell versucht, ihn dort zu überholen."
Schuldfrage klar: Russell darf's dort nicht versuchen!
Für mich, das möchte ich an dieser Stelle auch betonen, ist die Schuldfrage klar. Russell verlor neben der Strecke die Kontrolle über sein Auto und nahm damit sich selbst und einen Mercedes-Kollegen aus dem Rennen. Dass er dabei abgedrängt wurde? Geschenkt! Hamilton jammerte auch nicht wehleidig darüber, dass Max Verstappen in Kurve 1 mit ihm genau das Gleiche gemacht hat.
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Doch einsichtig ist der 23-Jährige, der zum zweiten Mal hintereinander in Imola Williams' mögliche erste WM-Punkte seit Robert Kubica in Hockenheim 2019 weggeworfen hat, nicht. Auch nach dem für ihn sicher nicht angenehmen Gespräch mit Toto Wolff blieb er beharrlich bei seiner Meinung, im Recht gewesen zu sein. Schade. Da hätte ich von Russell mehr Reife erwartet.
Schlauer wäre gewesen, anstatt in dem Moment, in dem ihm klar wurde, dass er ausgerechnet Bottas überholen kann, extra aufs Gas zu steigen und zusätzliches Risiko zu nehmen, erstmal besonnen beim Team zu deponieren, dass er schneller ist, kurz innezuhalten und dann vielleicht ein wohlüberlegtes und gut geplantes Manöver zu probieren.
Das hätte die Gefahr mit sich gebracht, dass es nicht geklappt hätte. Denn Bottas kämpfte gerade damit, dass er seine Reifen nicht im richtigen Temperaturfenster hatte. Das hätte ein, zwei Runden später schon wieder ganz anders sein können, und dann wäre er nie in die Verlegenheit geraten, sich mit einem Mercedes gegen einen Williams verteidigen zu müssen.
Für Russell ist die Zukunft wichtiger als ein WM-Punkt
Doch für Russell geht's in Wahrheit nicht um ein, zwei WM-Punkte in Imola 2021, sondern um die Zukunft. Alles andere als ein Wechsel ins Mercedes-Cockpit, und das schon 2022, wäre für ihn eine herbe Enttäuschung. Und in der Hinsicht hat er sich gestern keinen Gefallen getan. Denn auch Wolff sieht die Schuld klipp und klar auf seiner Seite.
"Die Bilder, so wie ich sie gesehen habe, gehen definitiv in die Richtung, dass es ein Fehlverhalten von George war", sagte mir der Mercedes-Teamchef in einer Online-Medienrunde, wenige Minuten bevor er sich aufmachte, das hitzige Thema mit seinen beiden Streithähnen zu klären. Und er sagte in Russells Richtung: "Da muss er vielleicht ein paar Tage drüber nachdenken."
Natürlich verstehe ich, dass Russell gerade gegen Bottas zeigen wollte, wie toll er ist und was er mit einem Formel-1-Wagen nicht alles anstellen kann. Aber das weiß Wolff schon. Wovon der "Big Boss" noch überzeugt werden muss, ist, dass Russell auch mit 23 schon reif genug ist, einen Mercedes nicht nur schnell zu bewegen, sondern auch die Rolle eines Teamplayers anzunehmen.
Es ist kein Geheimnis, dass einer der Gründe, warum Pascal Wehrlein 2017 nicht das Cockpit von Nico Rosberg bekommen hat, sondern Bottas, Wehrleins überbordender Ehrgeiz war. Wolff hatte die Befürchtung, dass eine Paarung Hamilton-Wehrlein "sehr explosiv" werden könnte. Das hat er mir schon am Morgen nach Rosbergs Rücktritt beim Frühstück in Wien selbst gesagt.
Und so gibt es gleich drei Herren, die letzte Nacht schlecht geschlafen haben. Russell, weil er großen Mist gebaut und diesen nicht eingesehen hat. Je länger er stur auf seinem Standpunkt beharrt, desto schlechter für ihn. Bottas, weil er "auf dem absteigenden Ast" ist, wie Kolles messerscharf analysiert. Und Wolff, weil er Streit in den eigenen vier Wänden hat.
Der lachende Dritte ist Hamilton!
Hamilton lacht sich hingegen ins Fäustchen (Zur Schwesterkolumne "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat" auf Motorsport.com!). Über seinen Status als Nummer 1 bei Mercedes gibt's schon nach zwei Rennen keine Diskussionen mehr (44:16 Punkte gegen Bottas). Und er war der große Nutznießer des Crashs, denn wären sich die beiden nicht ins Gehege gekommen, wäre sein Rennen mit Rundenrückstand gelaufen gewesen. So verteidigte er sogar die WM-Führung.
Hamilton musste für 2021 Einbußen beim Gehalt hinnehmen. Mutmaßlich auch, weil dieses nun angeblich nicht mehr alleinig vom Daimler-Konzern bezahlt wird, sondern von allen drei Shareholdern des Teams (Daimler, Ineos, Wolff). Er sitzt mit seinem Einjahresvertrag jetzt auf dem längeren Ast. Weil Mercedes genau weiß, dass man ihn unbedingt braucht.
Russell, davon bin ich überzeugt, hat das nötige Talent, um mit Mercedes eines Tages Weltmeister zu werden. Die nötige Reife, um sich ein Mercedes-Cockpit überhaupt zu verdienen, die hat er in Imola aber nicht an den Tag gelegt.
Was mich verwundert. Einem, der schon als kleiner Knirps mit Powerpoint-Präsentation bewaffnet in Wolffs Büro einmarschiert ist, um dem Mercedes-Chef zu erklären, warum ihm die Zukunft gehört, hätte ich mehr zugetraut ...
Zum Schluss noch ein Hinweis in eigener Sache: Um 17:00 Uhr gibt's auf dem YouTube-Kanal von Formel1.de eine ausführliche Nachbesprechung der wichtigsten Themen des Rennens. Jetzt Kanal abonnieren und Premiere nicht verpassen!
Ihr
Christian Nimmervoll
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