• 16. November 2020 · 06:00 Uhr

Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat: Lewis Hamilton

Warum Lewis Hamilton der beste Formel-1-Fahrer seiner Zeit und ein neuer Vertrag aus Sicht des Daimler-Konzerns in Wahrheit alternativlos ist

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser/-innen,

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Lewis Hamilton und Toto Wolff: Ist Daimler jetzt total auf sie angewiesen? Zoom Download

diejenigen unter Ihnen, die schon länger diese Kolumne lesen, kennen das: Am Montag nach der WM-Entscheidung wird nicht schlecht, sondern gut geschlafen, und zwar vom neuen Weltmeister. Auch wenn, zugegeben, fraglich ist, ob Lewis Hamilton letzte Nacht überhaupt geschlafen hat.

Toto Wolff hat ja angekündigt, dass er und der neue Champion gemeinsam nach Hause fliegen werden, und trinken werde man im Flieger dann nicht nur das Sprite, das auf dem Podium in Istanbul verspritzt wurde, sondern echten Schampus.

Es fällt mir zugegeben schwer, neue Hymnen über Hamilton anzustimmen, denn nach sieben Titeln wurde jedes Loblied auf ihn schon einmal gesungen. Ich muss nicht mehr aufarbeiten, was für ein Rennfahrer das ist, denn das kann der interessierte Formel-1-Fan, wie er sich auf dieser Plattform in überwiegender Mehrheit bewegt, seit vielen Jahren im (meistens) Zweiwochenrhythmus selbst sehen.

Was in Istanbul besonders war, war die Art und Weise, wie Hamilton den Grand Prix der Türkei gewonnen hat. Denn obwohl die Racing Points am Anfang auf und davon gefahren sind, während Sebastian Vettel dahinter alles einbremste, dämmerte mir schon ziemlich früh, dass der Sechsmalige vorhat, sich nur mit einem Sieg zum Siebenmaligen zu krönen.

Um 11:49 Uhr war klar: Hamilton gewinnt das Ding!

Als Hamilton kurz freie Fahrt hatte, bevor er wieder zu Vettel aufschloss, war er schon zwei Sekunden pro Runde schneller als der Ferrari-Pilot. Und um 11:49 Uhr deutscher Zeit, als sich das Rennen gerade in der 19. von 58 Runden befand und Hamilton mit 24,5 Sekunden Rückstand auf Lance Stroll an fünfter Stelle lag, wagte ich in unserem Redaktionschat erstmals die kühne Prognose, dass "Lewis jetzt eindeutig Favorit" auf den Sieg sei.

Istanbul war insofern ein merkwürdiges Rennen, als zu Beginn jene begünstigt wurden, die unter absolut ungewöhnlichen Bedingungen, wie sie nur alle heiligen Zeiten mal auftreten, die Reifen am besten auf Temperatur bekamen. Wer das am besten hinbekam, fuhr allen anderen um die Ohren. Siehe Kimi Räkkönens erste Runde in Portimao, siehe Strolls Anfangsphase in Istanbul.


Letzte Nacht: Wie gut war Vettel beim GP Türkei?

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Was Sebastian Vettels tolle Leistung schmälert, wie Perez so viel besser sein konnte als Stroll und warum Hamilton jetzt der Beste aller Zeiten ist Weitere Formel-1-Videos

Aber das geschulte Auge konnte schon nach ein paar Runden erkennen, dass das siegeswütige Mercedes-Biest nur darauf wartete, dass es von der Leine gelassen wird. Mit jeder Runde, in der es etwas trockener wurde, kamen die Reifen besser auf Temperatur, und als Hamilton dann auch insofern entfesselt war, als er keinen ihn aufhaltenden Gegner mehr vor sich hatte, gab es kein Halten mehr.

Über seine fahrerische Leistung ist alles gesagt, wenn man sich anschaut, wie abgenutzt sein Intermediate am Ende des Rennens war, nach 50 Runden. Das Gummi der Lauffläche war über weite Teile komplett weggerubbelt, der Intermediate in Wahrheit nur noch ein Slick. Wer damit noch so schnell Autofahren kann, das ist ein echter Ausnahmekönner.

Nach Führungswechsel: 3,6 Sekunden in einer Runde

Hamilton ging in der 37. Runde an Sergio Perez vorbei in Führung. Perez hatte da sogar die um zwei Runden frischeren Reifen. Aber nur eine Runde später war die Messe schon gelesen. Hamilton hatte sich um 3,6 Sekunden von seinem einzig verbliebenen Gegner um den Sieg abgesetzt. Am Ende, nach 58 Runden, waren es sage und schreibe 31,6 Sekunden.

Es wäre interessant, Hamilton mal im gleichen Auto gegen Max Verstappen oder Charles Leclerc antreten zu lassen - etwas, was wir, fürchte ich, leider nie erleben werden.


Lewis Hamiltons erstes Interview als neuer Weltmeister

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Aber klar ist: Selbst wenn Valtteri Bottas auf eine Qualifying-Runde manchmal ebenbürtig oder sogar schneller ist - auf die Dauer eines Rennens gibt es ganz selten und über eine komplette Saison gesehen nie jemanden, der dem Lewis Hamilton von 2020 das Wasser reichen kann.

Jetzt, nach dem siebten Titel, gilt es noch eine große Kuh vom Eis zu bringen, bevor es in die Winterpause gehen kann: den neuen Vertrag.

Hamilton und Wolff haben im Flieger aus Istanbul die Champagnerkorken wegen des sportlichen Erfolgs knallen lassen. Die Wahrheit ist aber, dass die beiden auch in ihren Verhandlungen mit dem Daimler-Konzern in einer unglaublich starken Position sind.

Ist der Daimler-Konzern in eine Abhängigkeit gerutscht?

Denn dadurch, dass die vertraglichen Angelegenheiten selbst Mitte November, nach der WM-Entscheidung, noch immer nicht geregelt sind, kann es sich Daimler in Wahrheit gar nicht leisten, dem Erfolgsduo Hamilton/Wolff seine Wünsche (welche auch immer das sein mögen) nicht zu erfüllen.

Die Rechnung ist ganz einfach: Wenn Hamilton und Wolff gehen, wird Mercedes 2021 nicht Weltmeister.

Hamilton und Wolff haben ihr Bekenntnis zu Mercedes so lange hinausgezögert, dass es für Daimler keinen Plan B mehr gibt. Wäre man bereits im Sommer zu der Erkenntnis gekommen, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht zustandekommen wird, weil die Vorstellungen nicht kompatibel sind, hätte Ola Källenius eine Nachfolge für Wolff regeln und mal mit Jos Verstappen sprechen können.

Dass der einen Weg gefunden hätte, seinen Sohn aus dem Red-Bull-Vertrag rauszubekommen, wenn Mercedes anklopft, davon ist auszugehen. Jetzt ist ein erfolgreicher Abschluss der Verhandlungen, zumindest aus Sicht des Daimler-Konzerns, alternativlos.

Daimler hat keine Alternative, Hamilton und Wolff schon

Aus Sicht von Hamilton/Wolff sieht das ein bisschen anders aus. Sollten sie das Gefühl haben, dass ihre Leistungen in den vergangenen Jahren in den Vertragsverhandlungen nicht ausreichend gewürdigt werden, können sie jederzeit mit einem Plan B wedeln.


Nach Istanbul: Toto Wolff schwärmt über Lewis Hamilton

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Wolff könnte sich auf seinen alten Job als Finanzinvestor zurückziehen, oder seine nie ganz stillgelegten Aktivitäten als Fahrermanager wieder hochfahren, oder im Zweifel würde wohl auch sein Freund Lawrence Stroll einen Job für ihn finden.

Und wenn er dann auch noch Hamilton als Fahrer mitbringt, würde sich wohl selbst Stroll sen. etwas für seinen Sohn einfallen lassen. Man stelle sich vor, was ein Fahrerduo Hamilton/Vettel für den Werbewert und den Aktienkurs der Marke Aston Martin anstellen würde!

Das sind natürlich Hirngespinste. Alle Beteiligten sind schlau genug und wissen, dass eine Fortsetzung der goldenen Mercedes-Ära eine historische Chance ist. Wenn Hamilton Ende 2021 achtmaliger Weltmeister ist (davon gehe ich aus), hat er Michael Schumacher nicht nur einge-, sondern überholt. Das ist ein Vermächtnis, das der Daimler-Konzern jahrzehntelang vermarkten kann.

Warum der Vertrag trotzdem unterschrieben wird

Und auch Hamilton könnte mit einer neuen Unterschrift unter seinen wahrscheinlich letzten Vertrag als Formel-1-Fahrer seine Rente absichern. Als Markenbotschafter auf Lebenszeit. Damit er dann eines fernen Tages mit seinen Oldtimern aus den 2010er-Jahren durch die Eau Rouge in Spa donnern wird, die dann hoffentlich (anders als die Steilkurven in Monza) nicht nur noch ein Denkmal ist.


Stirling Moss und Lewis Hamilton in Monza

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Geschichtsstunde mit Sir Stirling Moss: Lewis Hamilton und die Rennlegende erinnern sich auf der alten Strecke in Monza an längst vergangene Tage Weitere Formel-1-Videos

Mit leicht angegrauten Haaren und dem aufstrebenden Mercedes-Star in der Formel 1 an seiner Seite. So, wie er das in den Steilkurven von Monza einst selbst erlebt hat, als er einen Tag mit Mercedes-Ikone Stirling Moss verbringen durfte.

Trotzdem bleibt unterm Strich stehen: Für den Daimler-Konzern könnten die neuen Verträge richtig teuer werden, und das mitten in der Coronakrise, in der normalerweise gespart wird, wo es nur geht.

Aber der Markt macht den Preis, und so gesehen wird die Summe, auf die man sich letztendlich einigt, auch gerechtfertigt sein. Denn das Mercedes-Werksteam wäre ohne Hamilton nicht nur sportlich um mindestens eine Klasse schlechter. Sondern es würde auch ganz dramatisch an Werbewert verlieren.

Und, bei allem Respekt vor Valtteri Bottas und womöglich George Russell oder Esteban Ocon: Eine solche Fahrerpaarung wäre vielleicht um 40 Millionen Dollar billiger. Aber sie wäre meiner Meinung nach um ein paar hundert Millionen weniger wert ...

Ihr
Christian Nimmervoll

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