• 03. August 2020 · 05:50 Uhr

F1 Silverstone: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Warum Silverstone 2 schon ein Schlüsselrennen für die Formel-1-WM 2020 werden könnte und Lewis Hamilton auf dem besten Weg zu Titel Nummer sieben ist

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser/-innen,

Foto zur News: F1 Silverstone: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Symbolbild: Lewis Hamilton zeigt Valtteri Bottas, wohin die Reise geht ... Zoom Download

es ist immer unangenehm, wenn man selbst einen Fehler gemacht hat und diesen zähneknirschend eingestehen muss. Aber Irren ist nunmal menschlich, und weil ich sonst selbst nicht mehr gut schlafen kann, schaffen wir das Thema am besten gleich aus der Welt.

Es war die Schlagzeile des Wochenendes: "Coronatest negativ: Nico Hülkenberg darf in Silverstone fahren!" Was ich aber richtigstellen möchte: Bei uns ist sie zwei Stunden zu früh gelaufen.

Schon am Donnerstagabend war uns soweit klar, dass der 32-Jährige tags darauf ein Sensations-Comeback geben wird, dass wir die entsprechende Meldung fix und fertig vorbereitet hatten. Die konnten wir zu dem Zeitpunkt aber noch nicht veröffentlichen.

Denn Hülkenberg würde nur ins Cockpit von Sergio Perez steigen, wenn sein Coronatest negativ ausfällt, und das Ergebnis lag zu dem Zeitpunkt noch nicht vor. Der erste Test hatte kein Ergebnis angezeigt, sondern nur einen "Error", und so musste das Team Hülkenberg ohne hundertprozentige Gewissheit über die Starterlaubnis schlafen gehen.

Irren ist menschlich, aber trotzdem ärgerlich

Als meine Kollegen vor Ort in Silverstone dann am Freitagmorgen berichteten, dass sie Hülkenberg bereits an der Rennstrecke gesehen haben, zog ich daraus den falschen Schluss. Normalerweise werden nur Menschen an die Rennstrecke gelassen, die bereits einen negativen Coronatest vorlegen können. Also: Coronatest negativ, Comeback perfekt - könnte man zumindest meinen.

Tatsächlich war das zu schnell geschossen. Weil der Test vom Donnerstagabend kein zufriedenstellendes Ergebnis produziert hatte, wurde die Entscheidung getroffen, Hülkenberg an der Rennstrecke, wo noch besseres Testequipment vorhanden ist, erneut zu testen. Erst eine Viertelstunde vor Sessionbeginn lag der erforderliche negative Test dann wirklich vor.


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Wir haben auf diesen Fehler zwar sowohl im Artikel als auch auf Facebook transparent hingewiesen, bis die Sache wirklich klar war. Aber dennoch darf so etwas nicht passieren. Ich habe eins und eins zusammengezählt und meine Rechnung als Fakt verkauft - dabei war es zu dem Zeitpunkt nur eine Spekulation. Weil das natürlich kein Vertrauen schafft, möchte ich mich dafür entschuldigen.

Hülkenberg, um gleich bei der Sache zu bleiben, zählte zu den heißen Kandidaten für die Hauptrolle in dieser Kolumne. Darüber werden wir sicher in einem der nächsten Videos auf unserem YouTube-Channel reden, auf dem wir "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" seit diesem Jahr jeden Montagabend nachbesprechen.

Verlierer des Wochenendes: Valtteri Bottas

Aber letztendlich glaube ich, dass es einen gibt, der das Rennen gestern zwar zumindest bestritten hat, aber trotzdem leer ausgegangen ist und zu den großen Verlierern zählt: Valtteri Bottas. Und das noch nicht einmal wegen seiner fahrerischen Leistung. Denn die, daran gibt's nix auszusetzen, war das ganze Silverstone-Wochenende hindurch sehr gut.

Tatsache ist jedoch: Die erste (noch dazu fremdverschuldete) Nullnummer der (voraussichtlich) auf 16 oder 17 Rennen verkürzten Formel-1-Saison 2020 tut besonders weh, weil Teamkollege Lewis Hamilton trotz des gleichen Reifenschadens gewonnen und seinen Vorsprung in der WM auf 30 Punkte vergrößert hat.

Das klingt nach viel - und es ist auch viel. Stimmt schon, was Toto Wolff immer sagt: Ein Ausfall, und das alles relativiert sich ganz schnell. Haben wir ja am Sonntag gesehen. Aber Tatsache ist: Wenn du wie Hamilton einen Mercedes fährst, fällst du selten aus. Und wenn du auch noch der vielleicht beste Rennfahrer aller Zeiten bist, mutmaßlich am Höhepunkt deines Schaffens, dann gewinnst du auch meistens, wenn du nicht ausfällst.

Angenommen, Bottas gewinnt von nun an alle nächsten Rennen, und Hamilton wird jedes Mal Zweiter. Ein rein hypothetisches Rechenspiel, das so nie und nimmer eintreten wird. Selbst dann würde Bottas erst nach Mugello am 13. September die Führung in der WM übernehmen. Das zeigt, was für eine Herkulesaufgabe da vor ihm liegt.

Dabei sehen wir gerade den vielleicht besten Bottas aller Zeiten. In jeder anderen Saison und gegen jeden anderen Gegner würde er möglicherweise Weltmeister werden. Aber sein Problem ist, dass sein Gegner im gleichen (mit Abstand besten) Auto sitzt, und dass er Lewis Hamilton heißt. Noch dazu der beste Lewis Hamilton aller Zeiten.

Wolffs "Kompliment" und was es wirklich bedeutet

Toto Wolff hat kürzlich erklärt, warum die Paarung Hamilton-Bottas für Mercedes "die beste Lösung" ist: "An einem schlechten Tag von Lewis ist Valtteri da. Und an einem guten Tag ist Lewis unschlagbar."

Das klingt nur im ersten Moment nach einem Kompliment für Bottas. In Wahrheit bedeutet es: Rufen beide ihr Potenzial ab, ist Hamilton einfach um ein kleines Quäntchen besser. Und nur wenn Hamilton nicht seinen besten Tag hat und Bottas einen besonders guten, kann der Finne gewinnen. So, wie das beim Saisonauftakt in Spielberg der Fall war.

Wolffs sorgfältig gewählte Worte sind nichts als die Wahrheit. Und die zeigt sich in kleinen Details. Es ist nicht so, dass Hamilton durch Kurven wie Copse oder Becketts zehntelweise schneller wäre als Bottas. Es sind feinste Nuancen, in denen sich die Performance der beiden Mercedes-Fahrer unterscheidet.

Zum Beispiel das Reifenmanagement. Bottas war in Q1 und Q2 ein ebenbürtiger Gegner für einen Hamilton in Überform. Als es in Q3 um die Pole-Position ging, hatte er bei der ersten Zwischenzeit sogar noch Vorsprung. Doch im zweiten Teil der Runde bauten seine Reifen schon ab, weil er sie davor zu hart rangenommen hatte.

Das Beste, was sich Mercedes wünschen kann

Es ist eine Ironie des Schicksals, dass womöglich Bottas selbst mit seinen immer besser werdenden Leistungen der Grund dafür ist, dass sich auch Hamilton zu immer neuen Höchstleistungen aufschwingt. Eine Konstellation, von der jeder Teamchef nur träumen kann - vor allem, solange sie so friedlich verläuft wie zwischen den beiden.

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Valtteri Bottas sieht zu oft nur den Heckflügel von Lewis Hamilton Zoom Download

Ich bin echt kein Fan davon, schon viel zu früh von einer Vorentscheidung in der WM zu sprechen. Aber spätestens nach Silverstone 1 ist klar: Weltmeister 2020 wird unter normalen Umständen ein Mercedes-Fahrer. Das sage nicht nur ich. Und welcher das sein wird, da ist zumindest ein erster Trend ablesbar.

Silverstone 2 ist für Bottas zwar noch kein Rennen der letzten Chance, aber doch ein besonders wichtiges. Eine weitere Niederlage gegen Hamilton (und eine Niederlage wäre auch, hinter Hamilton Zweiter zu werden) kann er sich eigentlich nicht leisten. Denn dann würde er nach unserem 1-2-Rechenspiel frühestens am 11. Oktober am Nürburgring die WM-Führung übernehmen können.

Davon ausgehend, dass Bottas-Siege vor Hamilton kein Selbstläufer sind, sondern vielleicht sogar eher die Ausnahme bleiben werden, wäre das vermutlich zu wenig. Bottas braucht, um zumindest eine kleine Chance zu haben, die Gunst des Momentums auf seiner Seite. Und das war in den ersten vier Saisonrennen nur einmal der Fall.

Übrigens: Es hat auch jemand am besten geschlafen letzte Nacht. Lewis Hamilton vielleicht auch? Aber mein Kollege Stefan Ehlen hat da auf unserem Schwesterportal motorsport.com noch einen anderen Kandidaten ausgegraben ...

Ihr
Christian Nimmervoll

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