Sebastian Vettel und Red Bull: Bringt ihn nach Hause!
Bahnt sich in der Formel 1 der nächste Sensationstransfer an? Chefredakteur Christian Nimmervoll über die mögliche Rückkehr von Sebastian Vettel zu Red Bull ...
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
© ServusTV
Sebastian Vettel zu Gast bei ServusTV am Montag nach dem Rennen in Spielberg Zoom Download
dass Fernando Alonso zu Renault in die Formel 1 zurückkehren würde, das war seit Wochen absehbar und keine große Überraschung mehr. Doch hinter den Kulissen der Königsklasse zeichnet sich eine (zumindest aus deutscher Sicht) viel größere Transfersensation ab. Nämlich die Rückkehr von Sebastian Vettel zu Red Bull.
Da diese Kolumne offenbar quer von Russland bis Mexiko mit großer Spannung erwartet wird (der gestrige Social-Media-Wahnsinn um meinen Twitter-Channel schmeichelt mir zwar, ist aber völlig übertrieben), bringen wir die Kuh am besten ohne weitere Umschweife vom Eis.
Ich glaube (und habe konkrete Hinweise), dass Helmut Marko von Dietrich Mateschitz den Auftrag erteilt bekommen hat, den "verlorenen Sohn" Vettel spätestens 2021 nach Hause zu holen. Alexander Albon würde dann zu AlphaTauri wechseln, Daniil Kwjat sein Renncockpit verlieren.
Was dafür passieren muss:
Erstens: Albons Performance muss gegenüber jener von Max Verstappen weiterhin stark abfallen. In Spielberg hätte er gewinnen können. Das kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass er vom schieren Speed her hinterherhinkt.
Zweitens: Mateschitz muss die thailändische Yoovidhya-Familie, der 51 Prozent des Red-Bull-Imperiums gehören, davon überzeugen, dass das eine gute Idee wäre.
Drittens: Vettel muss das überhaupt wollen. Und er muss die Eier haben, sich nach Charles Leclerc mit Max Verstappen gleich den nächsten enorm talentierten Youngster-Teamkollegen anzutun.
Dann (und nur dann) steht einem Wechsel nichts im Weg.
Und jetzt holen wir etwas weiter aus. Mein österreichischer Landsmann Rainhard Fendrich, hierzulande wahrscheinlich der berühmteste Sänger der Nation, hat vor gut 30 Jahren ein ganz wunderbares Lied geschrieben, und das geht so:
"Dei' hohe Zeit ist lang vorüber.
Und auch die Höll' hast hinter dir.
Vom Ruhm und Glanz ist wenig über.
Sag' mir wer ziagt noch den Hut vor dir?
[...]
Da kann ma' machen was ma' will.
Da bin I her, da g'hör' I hin.
Da schmilzt das Eis von meiner Seel'.
Wie von an Gletscher im April.
Auch wenn wir's schon vergessen haben.
I bin dei Apfel, du mein Stamm."
Das Lied ist so etwas wie die inoffizielle Nationalhymne von Österreich und heißt "I am from Austria". Wüsste man es nicht besser, könnte man aber als eingeschweißter Formel-1-Fan auch meinen, es sei geschrieben worden, um die Beziehung zwischen Vettel und Red Bull zu beschreiben.
Mateschitz: Loyal und mit gutem Gedächtnis ausgestattet
Mateschitz, so sagt man, hat (neben vielen anderen) zwei Qualitäten. Erstens Loyalität. Und zweitens ein Gedächtnis wie ein Elefant. Er hat nicht vergessen, dass Vettel für Red Bull den ersten Sieg in der Formel 1 geholt hat, beim "Wunder von Monza" 2008, damals noch auf Toro Rosso. Und dass Vettel Red Bull die bisher einzigen WM-Titel geschenkt hat. Gleich vier an der Zahl, von 2010 bis 2013.
Dass Vettel jetzt von Ferrari so demontiert wird und im schlimmsten Fall die große Bühne der Formel 1 nach einer großen, einmaligen Karriere als Verlierer verlassen wird, das tut auch Mateschitz weh. Menschen, die ihn kennen, können sich gut vorstellen: Er holt Vettel jetzt nach Hause, um ihm einen würdigen Abschied in den Formel-1-Ruhestand zu ermöglichen.
Das wäre aus Red-Bull-Sicht kein Mitleids-Comeback, sondern ein echter Coup.
Vettel weiß, wie man Formel-1-Rennen gewinnt, und steht Albon in Sachen Speed sicherlich um nichts nach. Albon wiederum mag zwar einen soliden Job machen; ist aber nicht aus dem Champion-Material geschnitzt, aus dem man geschnitzt sein muss, um bei Red Bull Karriere zu machen. Die Herren Kwjat und Gasly können ein Liedchen davon singen.
Für Albon spricht sein thailändischer Pass. Red Bull, das vergessen viele, gehört nicht nur Mateschitz. Der Österreicher kontrolliert 49 Prozent des Energydrink-Herstellers. Die anderen 51 Prozent gehören der thailändischen Yoovidhya-Familie, die den Energydrink Krating Daeng auf den Markt gebracht hat, quasi das Muttergetränk des heutigen Red Bull, wie wir es kennen.
Die Thailand-Connection mal außen vor ergibt eine Rückholaktion von Vettel auf sehr vielen Ebenen Sinn.
Warum der Vettel-Transfer Sinn ergeben würde
Alleine schon aus Marketingsicht. Red Bulls hauseigener Sender ServusTV überträgt 2021 (auch ein Dankeschön dafür, dass Red Bull die Saison 2020 in Spielberg in die Gänge gebracht und Liberty Media damit viele Millionen Verlustentgang erspart hat) erstmals die Hälfte der Saison live (im Wechsel mit dem ORF).
Was wäre dafür bessere Werbung als die Superstar-Show der beiden Vs (Vettel und Verstappen), das Generationenduell im eigenen Team?
Für den Grand Prix von Österreich gäbe es auch nix Besseres. Man stelle sich vor, die holländische "Orange Army" feiert am Red-Bull-Ring ihre Formel-1-Party mit tausenden Deutschen, die in Hockenheim kein Rennen mehr und nach Spielberg nicht weit zu fahren haben? Die Verstappen-Fans könnten die Vettel-Fans in ihren Wohnmobilen theoretisch gleich mitnehmen ...
Und nicht zuletzt ist der DACH-Raum mit seinen 100 Millionen Einwohnern immer noch ein sehr wichtiger Markt für Red Bull, um Dosen zu verkaufen. Das ist (vergessen wir alle manchmal) immer noch das Kerngeschäft von Red Bull.
Menschlich steht Vettels Rückkehr jedenfalls nichts im Weg. Mateschitz schätzt ihn. Der Steirer kann mit bodenständigen Typen wie dem Social-Media-Verweigerer Vettel mehr anfangen als mit schrillen Superstars wie Lewis Hamilton, die in der Selbstinszenierung mindestens genauso gut sind wie im Autofahren.
Vettel hat sich kürzlich eine Almhütte in der Steiermark, Mateschitz' Heimatbundesland, gekauft. Es würde mich nicht wundern, wenn ihn Mateschitz selbst oder Marko, der einer der größten Immobilienbesitzer des Landes ist, bei der Suche unterstützt hätten. Das ist aber, zugegeben, reine Spekulation meinerseits.
Man kennt sich, man schätzt sich. Markos bisher größter und bewegendster Moment ist und bleibt das Podium in Abu Dhabi 2010, wo er mit Vettel gemeinsam Red Bulls ersten WM-Titel feiern durfte. Das hat der 77-Jährige nicht vergessen. Vettel war damals der erste große Coup des heute so erfolgreichen Red-Bull-Juniorteams, das vor ihm noch keinen Superstar produziert hatte.
Und es spricht Bände über die persönliche Beziehung Vettel-Marko, dass Marko einer der Ersten war, die Vettel angerufen hat, nachdem ihm Mattia Binotto (am Telefon) erklärt hatte, dass man ihn in Zukunft in Maranello nicht mehr braucht.
Vettel stellt klar: Geld ist nicht das Thema
Bislang galt von Marko die Aussage: "Wir können und wollen uns keine zwei Topstars leisten." Vettel sei aus finanziellen Gründen, wegen seiner hohen Gage, gar kein Thema. Aber das ist ein Punkt, der sich am Montagabend (passenderweise bei ServusTV, in der hauseigenen Red-Bull-Talkshow) erledigt hat.
Das Geld stehe für ihn "überhaupt nicht im Vordergrund", sagte Vettel da, und dass er dank seiner großen Erfolge der Vergangenheit in der privilegierten Situation sei, "eine gewisse Unabhängigkeit" zu genießen.
Gleichzeitig betonte er, dass er noch keine übertriebene Lust verspürt, die Formel-1-Karriere an den Nagel zu hängen, und dass er nicht glaubt, dass sich bei Mercedes eine Chance bieten wird.
Die ganze Sendung "Sport und Talk", die aus dem Media-Center in Spielberg übertragen wurde (übrigens hervorragend moderiert vom Kollegen Andreas Gröbl), wirkte wie ein einziger Flirt zwischen Vettel und Red Bull. Zumal sich der ebenfalls anwesende Christian Horner nicht sonderlich gegen Gröbls Versuche wehrte, Vettel quasi zurück zu Red Bull zu fragen, und auch Verstappen klarstellte, dass er mit einem zweiten V im Team kein Problem hätte.
Es war spannend zu beobachten, wie Vettel da saß, im Kreis seiner alten Familie, die nie aufgehört hat, ihn zu lieben. Jedes Mal, wenn er am Hangar-7 zu Gast ist und dort seinen spitzbübischen Humor auspackt, spürt man, dass Vettel innerhalb der Red-Bull-Familie einen Heldenstatus auf Lebenszeit genießt, und dass er das Ambiente dort genauso liebt, wie er geliebt wird.
Wenn man Vettel a) bei seinen Red-Bull-Gastauftritten sieht und b) bei seinen Ferrari-Terminen, dann sieht man zwei verschiedene Menschen. Auf der einen Seite ein witziger, lockerer, charmanter Spitzbub, der die Leichtigkeit des Seins genießt und in so einer Atmosphäre regelrecht aufblüht. Auf der anderen Seite der verkrampft wirkende Ex-Weltmeister, dem in den vergangenen fünf Jahren immer mehr graue Haare gewachsen sind.
Vettel & Red Bull: Transfer noch weit weg von fix
Nur damit eins klar ist: Erledigt ist der Sensationstransfer noch lange nicht! Die Beteiligten dementieren entschieden. Es habe sich an der Position von Red Bull nichts geändert, versichert man mir hoch und heilig.
Aber wenn man das Gefühl hat, mit einer Frage in ein Wespennest zu stechen, auch wenn das Gegenüber sagt, das sei "absoluter Blödsinn", dann ist meistens irgendwas dran. Oder anders gesagt: Wo Rauch ist, da ist auch Feuer.
In ein paar Wochen werden wir wissen, ob aus dem heißen Sommerflirt zwischen Red Bull und Vettel ein Liebes-Comeback geworden ist.
Es wäre eine tolle Geschichte. Für die Fans. Für die Formel 1 insgesamt und besonders in Deutschland. Und für die Menschen Mateschitz, Marko und Vettel. Die haben gemeinsam schon so viel erreicht.
Es wäre der würdige Schlusspunkt für eine ganz, ganz große Ära. Ich krieg' schon beim Gedanken dran Gänsehaut ...
Bringt ihn nach Hause!
Ihr
Christian Nimmervoll
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