Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat
Max Verstappen hat Lewis Hamilton im Kampf um den Sieg in Brasilien zermürbt und wieder einmal eindrucksvoll gezeigt, warum ihm die Zukunft der Formel 1 gehört
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
es gibt in der Formel 1 manchmal Geschichten, die sich selbst die größten Hollywood-Autoren nicht besser ausdenken könnten. In Brasilien hatten wir gleich mehrere davon: der Ferrari-Crash, auf den wir alle quasi seit dem ersten Rennen gewartet haben, das Podium von Pierre Gasly, den einige nach seiner Degradierung zu Toro Rosso bereits abgeschrieben hatten - und auch den Sieg von Max Verstappen.
Nun ist ein Sieg von Verstappen an sich nicht außergewöhnlich, war es doch bereits sein dritter in dieser Saison. Betrachtet man allerdings die Umstände, dann kommt man nicht umher, von "ausgerechnet" Brasilien zu sprechen. Der Ort, an dem Verstappen ein Jahr zuvor in Führung liegend mit Esteban Ocon kollidiert war. Und der Ort, an dem Ayrton Senna 1991 - ebenfalls mit Honda - einen seiner berühmtesten Siege feierte.
Nun mag es überzogen sein, Verstappen wegen dieses einen Sieges bereits auf eine Stufe mit Senna zu stellen. Und doch war Brasilien wieder einmal ein Beleg für das, was viele Experten bereits seit Jahren immer wieder betonen: Eines Tages wird dieser Verstappen Weltmeister werden. Denn in Interlagos war es wieder einmal die Art und Weise seines Sieges, die beeindruckte.
Zweimal auf der Strecke an Hamilton vorbei
Der Niederländer ließ ab Q1 am Samstag keinen Zweifel darüber aufkommen, dass das sein Rennen wird. Er fuhr in allen drei Qualifyingsegmenten die Bestzeit und zermürbte einen Tag später Lewis Hamilton auf der Strecke. Den Lewis Hamilton, den Eddie Irvine zuletzt als besten besten Rad-an-Rad-Racer aller Zeiten bezeichnete. Gleich zweimal überholte er den Weltmeister direkt auf der Strecke.
Beim ersten Mal schlug er nach dem Undercut durch Mercedes keine Runde später zu und stellte so die Verhältnisse direkt wieder richtig. Beim zweiten Mal kochte er Hamilton unmittelbar beim Safety-Car-Re-start ab. Klar, beim zweiten Manöver hatte er den Vorteil der frischeren Reifen. Aber können Sie sich spontan an ein Rennen erinnern, bei dem Hamilton zweimal vom gleichen Fahrer fair auf der Strecke überholt wurde?
Verstappen gab damit auch die Antwort auf einige Kritik, die ihm in den vergangenen Monaten entgegengekommen war. Nachdem er in Mexiko in einer ähnlichen Situation noch mit Hamilton kollidiert war, und später auch mit dessen Teamkollegen Valtteri Bottas, wurde wieder einmal darüber diskutiert, ob Verstappen in Zweikämpfen manchmal zu aggressiv fahre.
Verstappen hat seine besten Jahre noch vor sich
Letztendlich muss das jeder für sich selbst entscheiden. Fakt ist aber, dass auch hier unweigerlich wieder eine Parallele zu Senna gezogen werden muss. Auch dem Brasilianer wurde zu Lebzeiten immer wieder vorgeworfen, zu aggressiv zu fahren und zu oft in Unfälle verwickelt zu sein. Letztendlich wurde er mit dieser Einstellung bekanntlich dreimal Weltmeister.
Davon ist Verstappen noch weit entfernt, doch man darf nicht vergessen, dass er gerade erst 22 ist. Ein Senna zum Beispiel fuhr sein erstes Formel-1-Rennen erst mit 24. Weil er so unglaublich früh in die Königsklasse gekommen ist, hat man das Gefühl, dass Verstappen neben einem Hamilton oder einem Sebastian Vettel bereits zu den etablierten Toppiloten gehört.
In Wirklichkeit zählt er zu einer ganz anderen Generation. Wenn Hamilton und Vettel ihre Karriere in einigen Jahren unweigerlich beenden werden, wird Verstappen seine besten Rennfahrerjahre noch vor sich haben. Brasilien war sicherlich noch keine Wachablösung. Es war aber wieder einmal ein Zeichen dafür, dass Verstappen die Zukunft gehört.
Die Frage ist nur, wann diese beginnt.
Ihr
Ruben Zimmermann
Ruben Zimmermann
P.S.: "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" fand jahrelang jeden Montag auf unseren Portalen Formel1.de und Motorsport-Total.com statt. 2019 ist sie umgezogen zu de.motorsport.com. Während es hier dieses Mal um die Zukunft der Formel 1 geht, befasst sich Christian Nimmervoll heute dort mit der Vergangenheit ...