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Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat
Carlos Sainz ist auf dem besten Weg, die Saison 2019 als "Best of the Rest" zu beenden - Sein Abschied von Red Bull vor zwei Jahren war die richtige Entscheidung
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,
ich muss zugeben, dass ich mich dieses Mal ziemlich schwertue, einen Protagonisten für unsere Montagskolumne zu finden. Über Ferrari und Red Bull müssen wir wohl nicht sprechen. Und Mercedes? Da werden Toto Wolff und Lewis Hamilton nach dem Sieg sicher nicht so schlecht geschlafen haben. Allerdings war der Silberpfeil am Wochenende nicht das schnellste Auto. Das wird beiden nicht schmecken.
Schaut man sich also abseits der drei Topteams nach einem geeigneten Kandidaten für unsere Kolumne um, kommt man schnell auf McLaren. Denn fünf Rennen vor Ende hat man den Vorsprung vor Renault im Kampf um WM-Platz vier wieder auf 33 Punkte ausbauen können. Spätestens nach Russland gehe ich nicht mehr davon aus, dass die Franzosen diese Lücke noch schließen werden.
Knapp zwei Drittel der McLaren-Punkte in diesem Jahr gehen auf das Konto von Carlos Sainz. Der Spanier war gestern als Sechster im Rennen - und ist aktuell auch in der Fahrer-WM - "Best of the Rest". Keine Selbstverständlichkeit, wenn man bedenkt, dass Sainz aus dem Red-Bull-Kader kommt und nie den Sprung von Toro Rosso ins A-Team schaffte. Im Gegenteil: Sainz ist ein Ausnahmefall.
Ex-Toro-Rosso-Talente: Nur Sainz noch übrig
Kurzer Rückblick: Sainz kam 2015 mit Red Bull in die Formel 1, fuhr mehr als zweieinhalb Jahre für Toro Rosso und wechselte anschließend zu Renault - auf eigenen Wunsch. Das ist deshalb außergewöhnlich, weil kaum einer das schaffte, was Sainz schaffte: den rechtzeitigen Absprung von Red Bull. Denn in der Regel gibt es für die, die bei Toro Rosso scheitern, keine zweite Möglichkeit.
Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1
Christian Klien (2004-2010): Mit Unterstützung von Red Bull debütiert der Österreicher 2004 bei Jaguar in der Formel 1. Nach der Übernahme des Rennstalls durch den Engergy-Drink-Hersteller fährt Klien auch 2005 und 2006 bei den meisten Grands Prix für das nun Red-Bull-Racing genannte Team an der Seite von David Coulthard. Ende 2006 scheidet Klien nach Streitigkeiten über einen Wechsel in die ChampCar-Serie aus dem Red-Bull-Kader aus. Später ist der Österreicher Testfahrer für Honda und BMW-Sauber und fährt 2010 drei Rennen für HRT. Fotostrecke
Seit Red Bull Ende 2005 Minardi aufkaufte und zum eigenen Juniorteam umwandelte, fuhren bis heute insgesamt 14 verschiedene Fahrer für das Team. Sechs davon (Sebastian Vettel, Daniel Ricciardo, Daniil Kwjat, Max Verstappen, Pierre Gasly und Alexander Albon) schafften den Aufstieg zu Red Bull. Von den anderen acht sind sieben heute nicht mehr in der Formel 1. Einzige Ausnahme: Carlos Sainz.
Nun kann ich natürlich nicht mit Sicherheit sagen, wohin Sainz' Weg geführt hätte, hätte er Red Bull nicht verlassen. Ich glaube aber, dass es der richtige Schritt war. Denn was wären die Möglichkeiten gewesen? Seine Zeit bei Toro Rosso ging damals dem Ende entgegen. Und bei Red Bull waren beide Cockpits durch Verstappen und Ricciardo blockiert. Aber spielen wir das Szenario mal durch.
Red Bull: Keine Chance gegen Verstappen
Angenommen, er wäre noch zwei Jahre bei Toro Rosso geblieben und anschließend - statt Pierre Gasly - als Ricciardo-Nachfolger zu Red Bull gekommen. Ich bin mir fast sicher, dass ihn das gleiche Schicksal wie den Franzosen ereilt hätte. Und damit möchte ich gar nicht die fahrerische Klasse von Sainz und Gasly beurteilen. Es geht vielmehr um die äußeren Umstände. Und da wäre Sainz ähnlich chancenlos gewesen.
Red Bull ist Max Verstappens Team. Punkt. Da hatte ein Gasly keine Chance, und da hat aktuell auch ein Albon keine Chance. Und da hätte auch ein Sainz keine Chance gehabt. Wie soll man auch in einem Team bestehen, das einer der talentiertesten Piloten der aktuellen Zeit in den vergangenen Jahren komplett an sich gerissen hat? Verstappen und Red Bull - das passt aktuell einfach.
Zumal man nicht vergessen darf, dass Verstappen Sainz auch 2015 bereits geschlagen hat, als die beiden eine Saison gemeinsam für Toro Rosso gefahren sind. Meine Vermutung: In diesem Szenario würde Sainz nun in der gleichen (hoffnungslosen) Red-Bull-Schleife stecken, in der Gasly und Kwjat aktuell festhängen. Nicht die besten Aussichten für einen Fahrer mit Ambitionen.
McLaren der richtige Ort für Sainz
Vielleicht ist das auch Blödsinn. Und vielleicht hätte Sainz mit Verstappen mithalten können. Durchaus möglich. Ich persönlich glaube aber nicht daran. Ich denke vielmehr, dass McLaren genau der richtige Ort für ihn ist. Klar, im MCL34 wird er nie mehr als "Best of the Rest" werden können. Und auch 2020 wird McLaren die Lücke zu den Topteams nicht schließen. Die ist einfach zu groß.
Aber warten wir mal ab, was 2021 passiert. Denn aktuell scheint sich in Woking vieles in die richtige Richtung zu bewegen. Der neue Mercedes-Vertrag könnte ein weiterer Baustein sein. Und auch Sainz selbst ist ein Teil davon. Ich glaube jedenfalls, dass der Spanier bei McLaren in der übernächsten Saison sehr gut aufgehoben wäre - falls er dort bleiben sollte.
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Auch hier gilt natürlich wieder: Vielleicht ist das alles Unsinn. Vielleicht bleibt die Formel 1 auch nach 2020 eine Zweiklassengesellschaft. Aber dann besteht für Sainz zumindest noch die Chance, sich mit guten Leistungen bei McLaren für ein anderes Topteam zu empfehlen. Diese Möglichkeit wäre bei Toro Rosso eher gering gewesen. Einfach mal bei Sebastien Buemi, Jean-Eric Vergne und Co. nachfragen.
Ziemlich genau zwei Jahre ist es jetzt her, dass Sainz im Oktober 2017 in Japan sein letztes Rennen für Toro Rosso gefahren ist. Rein statistisch müsste seine Formel-1-Karriere mittlerweile bereits beendet sein und er inzwischen irgendwo in der Formel E oder der WEC fahren. Doch das ist nicht so. Ich glaube vielmehr, dass seine Karriere gerade erst begonnen hat.
Ihr
Ruben Zimmermann
Ruben Zimmermann
P.S.: "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" fand jahrelang jeden Montag auf unseren Portalen Formel1.de und Motorsport-Total.com statt. 2019 ist sie umgezogen zu de.motorsport.com. Wen es dieses mal getroffen hat, können Sie hier nachlesen!