• 21. Mai 2019 · 09:31 Uhr

Kolumne: Auf Wiedersehen, Herr Lauda!

Niki "Nazionale" Lauda: Wie ihn unser Chefredakteur Christian Nimmervoll in einer österreichischen Jugend als nationale Instanz erlebt und wahrgenommen hat

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,

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Formel-1-Legende Niki Lauda ist am Montag im Alter von 70 Jahren verstorben Zoom Download

es gibt Tage, an denen ist es ein Fluch, dass unsere Leser (zurecht) Worte der Chefredaktion zum aktuellen Anlass erwarten. Heute ist so ein Tag. Und es ist wirklich ein Fluch. Denn es erscheint mir völlig unmöglich, das Leben und den Tod von Niki Lauda in einer banalen Kolumne angemessen zu würdigen.

Ich muss gestehen: Ich hatte nie das Glück, Niki Lauda wirklich gut kennenzulernen. Meine vielleicht einprägsamste Erinnerung an ihn war ein Interview im Jahr 2015. Ich wollte mit ihm über sein erstes Weltmeister-Jahr 1975 reden, und wartete in der Mercedes-Hospitality auf ihn.

Normalerweise läuft so etwas nach einigen Jahren dann so ab, dass man sagt "Servus Toto, wie geht's dir?", man setzt sich, tauscht kurz Nettigkeiten aus und kommt zur Sache. Die meisten Interviews werden in der Du-Form geführt, aber in der Sie-Form veröffentlicht.

Ganz ähnlich wie im Fernsehen, wo man sich vor der Kamera prinzipiell siezt, und kaum ist die Kamera aus, geht's dann ganz locker-lässig per du weiter.

Einen Niki Lauda duzt man nicht!

Anders meine erste längere 1:1-Begegnung mit Niki Lauda, wir saßen etwa eine Dreiviertelstunde beisammen. Natürlich habe ich ihn gesiezt, alles andere wäre mir respektlos vorgekommen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass er mich besonders ernst nahm. Aber das war okay. Es war schließlich nicht irgendein dahergelaufener Teamchef oder Fahrer. Sondern Niki Lauda, die lebende Legende!

Ich fühlte mich ein bisschen so wie die beiden Italiener im Film "Rush", die Anhalter Niki Lauda mitnehmen durften und ihr Glück kaum fassen konnten. Niki Lauda, er ist es wirklich!

Lauda hat sich an jenem Sommertag in der Mercedes-Hospitality bemüht, meine Fragen über seinen ersten Titel, der 40 Jahre zurücklag, zu beantworten. Stieß dabei aber an seine Grenzen.


Fotostrecke: Das bewegte Leben des Niki Lauda

Im ersten Moment war ich enttäuscht darüber, dass er die meisten meiner sehr detailliert angelegten Fragen zu einzelnen Rennen und besonderen Ereignissen nicht beantworten konnte.

Erst im Nachhinein begriff ich das als Charakterstudie: Lauda ist einer, der sich nicht dafür interessiert, was er vor 40 Jahren erreicht hat. Er hat seine Formel-1-Pokale früher einem Salzburger Tankwart geschenkt, gleich als er aus dem Flieger gestiegen ist, und sie nicht fein säuberlich in einer Vitrine gehortet, wie das andere Weltmeister tun.

Wo das Interview dann in Gang kam, war, als es um Personen ging, Weggefährten von anno dazumal. Enzo Ferrari, Luca di Montezemolo, Mauro Forghieri - zu jedem dieser Namen fielen ihm sofort Geschichten ein.

Pragmatisch, nüchtern, Niki Lauda

Das beweist: Niki Lauda war nicht einfach vergesslich. Er interessierte sich halt nicht für das, was er selbst erreicht hat. Da ist er komplett pragmatisch und unemotional. Aber für Menschen interessiert er sich sehr wohl.

Niki Lauda wurde zuletzt "altersmilde", sagen Menschen, die ihn viel besser kennen als ich. Mit seiner zweiten Ehefrau Birgit wurde er 2009 noch einmal Papa von Zwillingen. Und der Pragmatiker aus dem Fernsehen wurde plötzlich auch menschlich nahbarer.

Wenn man wie ich, Jahrgang 1982, in Österreich aufgewachsen ist, dann gehörte das rote Kapperl zur Medienlandschaft dazu, genau wie der Bundespräsident oder der Bundeskanzler. "Niki Nazionale" ist nicht einfach ein Boulevard-Spitzname. "Niki Nazionale" ist, wie Niki Lauda in Österreich wirklich wahrgenommen wurde.

Ich erinnere mich noch gut an 1999, als Niki Lauda 50 wurde. Es gab eine Sondersendung im ORF und ein großes Interview mit Sportchef Elmar Oberhauser, das als "Zur Sache" landesweit ausgestrahlt wurde. Bei Bundespräsident oder Bundeskanzler habe ich so etwas in meiner gesamten Jugend nicht ein einziges Mal erlebt!

Und Niki Lauda war nicht einfach nur da, er war eine Instanz, so etwas wie ein nationaler Kompass. Nicht nur einmal saß er im Studio der "Zeit im Bild", der wichtigsten Nachrichtensendung des Landes. Selbst als 1991 eine Maschine der Lauda-Air abstürzte - für den Österreicher die schwierigste Zeit in seinem Leben -, stand die ganze Nation hinter ihm.

Niki Lauda saß nämlich nicht irgendwo am Schreibtisch und drückte den Angehörigen im feinen Zwirn und mit gestelzten Worten sein Beileid aus. Nein, er flog selbst nach Bangkok, er setzte sich selbst dem Leichengeruch und den schockierenden Bildern mit dem in tausend Teile zerfetzten Flugzeug im Wald irgendwo in Thailand aus. Weil er die Sache möglichst rasch aufklären wollte.

Botschafter für ein weltoffenes Österreich

Ein nationaler Sportheld wie er, der auch in der Wirtschaft erfolgreich ist und keine Scheu davor hat, seine politische Meinung zu äußern (Lauda stellte sich immer gegen die rechtspopulistische FPÖ und warb für ein weltoffenes Österreich), dem trauen die Menschen auch zu, ein Land zu führen.

"Wäre Niki Lauda je bei Wahlen angetreten, er könnte heute Bundeskanzler sein."
Viele sind davon überzeugt: Wäre Niki Lauda je bei Wahlen angetreten, er könnte heute Bundeskanzler sein.

Es spielt auch gar keine Rolle, dass er in seinem Job als RTL-Experte oftmals seine Meinung geändert hat. Von vielen als "Fähnchen im Wind" kritisiert, genoss er letztendlich doch immer den Status als feste Bildschirm-Instanz. Niki Lauda hat immer recht, ganz egal, worum es geht.

Mit dem Hollywood-Film "Rush" hat ihm Ron Howard 2013 ein Denkmal weit über die Grenzen Österreichs hinaus gesetzt. Der Blockbuster handelt von seiner Freund-Feindschaft mit James Hunt, mit dem Titelduell 1976 im Zentrum der Story.

Das Tröstliche ist jetzt vielleicht: Irgendwo da oben sehen sich die beiden jetzt endlich wieder. Und können, mit einem Lachen im Gesicht, darüber diskutieren, wie das damals wirklich war.

Auf Wiedersehen, Herr Lauda. Ich wünsche Ihnen alles Gute!

Ihr
Christian Nimmervoll

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