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Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat
Gar nicht dabei und trotzdem - oder gerade deshalb - gut geschlafen: Ex-McLaren-Pilot Fernando Alonso hat mit seinem Abschied aus seiner Sicht alles richtig gemacht
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
© Motorsport Images
Fernando Alonso hat mit seinem vorläufigen Rücktritt alles richtig gemacht Zoom Download
ich gebe es gleich vorweg zu: Eigentlich führt nach dem Großen Preis von Spanien kein Weg daran vorbei, erneut Mercedes zum Mittelpunkt dieser Kolumne machen. Doch in dieser Saison haben wir bereits Valtteri Bottas, Lewis Hamilton und Toto Wolff je einmal "gut schlafen lassen". Und ehrlich gesagt soll diese Kolumne etwas abwechslungsreicher sein als der aktuelle WM-Stand.
Und so fällt meine Wahl - nach einem Rennen, in dem es für mich vorwiegend Verlierer gab - auf einen Mann, der am Sonntag gar nicht in der Startaufstellung stand: Fernando Alonso. Warum gerade der Spanier, der zum ersten Mal seit 2002 nicht in Barcelona am Start war? Weil sein Heimrennen ein perfektes Beispiel dafür ist, warum es für ihn absolut richtig war, die Königsklasse zu verlassen.
Rückblickend betrachtet kann man Alonso im Laufe seiner Formel-1-Karriere sicher einige falsche Entscheidungen vorwerfen. Sein (vorläufiger) Rücktritt gehört sicher nicht dazu. Natürlich glaube ich, dass bei Alonso gestern schon ein bisschen Wehmut dabei war, nicht vor seinen Landsleuten zu fahren. Aber andererseits - und das ist der deutlich wichtigere Aspekt - wäre er sowieso wieder mit stumpfen Waffen unterwegs gewesen.
Lieber WEC-Champion statt Achter in der Formel 1
Carlos Sainz wurde gestern Achter. Das wäre auch für Alonso das maximal mögliche Ergebnis im McLaren gewesen. Und ohne Safety-Car und Haas-Kollision wohl nicht einmal das. Und genau das wollte Alonso nicht mehr. Er hat nie ein Geheimnis darauf gemacht, dass er nur dann noch einmal Formel 1 fahren möchte, wenn er konkurrenzfähiges Material bekommt. Das ist bei McLaren aktuell nicht der Fall.
Der 37-Jährige dürfte daher gestern mit dem Gefühl ins Bett gegangen sein, alles richtig gemacht zu haben - ausnahmsweise einmal. Statt sich mit Haas, Toro Rosso und Co. um die Mittelfeldplätze in der Formel 1 zu streiten, wird er in diesem Jahr mit sehr großer Wahrscheinlichkeit Weltmeister in der Langstrecken-WM (WEC). Zudem kann er beim Indy 500 nach der "Triple Crown" greifen.
Alonso hat aktuell wieder Spaß am Rennfahren. Das geht für ihn auch ohne Formel 1, aber nicht ohne Siege. Er ist ein anderer Typ als ein Kimi Räikkönen, der nach seinem Abschied von Ferrari einfach als "Hobby" bei Alfa Romeo weiterfährt. Alonso hingegen will weitere Titel gewinnen. Und das ist in der Königsklasse aktuell - auch dafür war Barcelona ein Beleg - nicht möglich, wenn man nicht in einem Silberpfeil sitzt.
Spanien-Grand-Prix ohne Alonso auf der Kippe
Und so zeigt sich momentan, dass die Formel 1 Alonso eher braucht als Alonso die Formel 1. Mit ihm hat die Königsklasse einen echten Typen verloren. Diese Lücke können Nachwuchspiloten wie Lando Norris, George Russell und Co. noch nicht füllen. Und vor allem in Spanien vermisst man Alonso. Über Jahre war der 37-Jährige das Zugpferd für den Großen Preis von Spanien.
2003 war er der erste Spanier, der bei seinem Heim-Grand-Prix auf dem Podium stand, 2006 der erste Sieger. Was in Deutschland einst die "Schumania" war, das war in Barcelona die große Alonso-Fiesta. Irgendwie ist es da passend, dass der zweimalige Weltmeister 2013 ausgerechnet hier seinen letzten Formel-1-Sieg feierte - und wohl auf absehbare Zeit auch der einzige spanische Sieger in Spanien bleiben wird.
Denn aktuell stehen die Zeichen darauf, dass es in Barcelona 2020 nicht mehr weitergehen wird. Der Vertrag läuft aus, und Liberty Media hat bereits angedeutet, dass mindestens zwei Rennen aus dem aktuellen Kalender im kommenden Jahr nicht mehr mit dabei sein werden. Spanien gilt als einer der größten Streichkandidaten. Und das hat ohne Frage auch mit Alonso zu tun.
Alonso in Spanien nicht zu ersetzen
So wie Norris und Co. den Typen Alonso nicht ersetzen können, sind auch seine sportlichen Fußstapfen für einen Carlos Sainz aktuell viel zu groß. Gut 87.000 Zuschauer waren am Sonntag an der Strecke, am gesamten Wochenende rund 160.000. Zum Vergleich: Zu Alonsos Hochzeiten waren es teilweise locker mehr als 100.000 am Rennsonntag und an allen vier Tagen sogar mehr als doppelt so viele - also weit über 300.000!
Das gesunkene Interesse mag sicher nicht nur an Alonso liegen und auch andere Faktoren haben. Einen Anteil hat das Fehlen des Superstars aber ganz sicher. Alleine im Vergleich zu 2017 kamen am Wochenende 2019 noch einmal mehr als 17.000 Menschen weniger an die Rennstrecke. Das dürfte jetzt zugegebenermaßen nicht unbedingt dafür gesorgt haben, dass Alonso in der letzten Nacht besser geschlafen hat als normal.
Aber es ist zumindest indirekt ein Zeichen der Wertschätzung, dass der Grand Prix ohne ihn wohl nicht mehr zu halten sein wird. Die gute Nachricht für alle Alonso-Fans: Eine Hintertür für ein Comeback hat der Spanier immer offengelassen. Die schlechte Nachricht: Sofern Toto Wolff nicht bei ihm anruft, wird es das nicht geben. Denn der Spanier kann auch ohne die Formel 1 bestens schlafen - vielleicht sogar besser als mit ihr.
Ihr
Ruben Zimmermann
Ruben Zimmermann
P.S.: Auch unsere Schwesterkolumne "Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat" dreht sich dieses Mal um ein Mittelfeldteam. Diese fand jahrelang jeden Montag auf unseren Portalen Formel1.de und Motorsport-Total.com statt, ist aber nun auf das Schwesterportal de.motorsport.com umgezogen.