Formel-1-Buch des Jahres: "Der unbekannte Kimi Räikkönen"
Chefredakteur Christian Nimmervoll über die Kimi-Räikkönen-Biografie von Kari Hotakainen: Eine Enttäuschung für alle Kimi- und Formel-1-Fans
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
zu einem guten Jahresrückblick gehört meiner Meinung nach auch eine Rezension des Formel-1-Buchs des Jahres, und das kann 2018 eigentlich nur eines sein: "Der unbekannte Kimi Räikkönen" (Sponsored Link: Jetzt bei Amazon bestellen!), geschrieben von Kari Hotakainen und erschienen im Lübbe-Verlag (zumindest die deutsche Übersetzung).
Die Formulierung "Buch des Jahres" muss ich nach 265 bedruckten Seiten, verschlungen (trotz allem) in zwei Tagen, präzisieren: "Der unbekannte Kimi Räikkönen" war vor der Veröffentlichung mit Sicherheit die mit am meisten Spannung erwartete Motorsport-Biografie 2018.
Umso größer ist die Enttäuschung, wenn man sie gelesen hat.
Hotakainen erzählt auf den ersten Seiten ambitioniert, wie Räikkönen zum Beispiel in Hotellobbys relativ gleichgültig an seinen Fans vorbeiläuft, er schreibt ganz nette Geschichten aus der Kindheit und Jugend in Finnland, und wie sein Hauptdarsteller irgendwie im Motorsport gelandet ist, ohne vernünftig Englisch sprechen zu können.
Das ist das Begleitrauschen, das fast jede Biografie abrundet. Zwischen den Highlights braucht man schließlich ein paar entspannte Seiten, um abzukühlen und heiß aufs nächste Kapitel zu werden.
Das Problem mit "Der unbekannte Kimi Räikkönen" ist: Es gibt keine Highlights.
Das einzige Kapitel, das Räikkönen- und Motorsport-Fans insgesamt sicher verschlingen werden, sind die als "Sechzehn Tage" betitelten neun Seiten, die von Räikkönens vielleicht längstem Dauer-Alkoholrausch berichten.
Fotostrecke: Kimi Räikkönens Top 11 classic Moments
#14 Beim Großen Preis der USA 2015 fliegt Räikkönen auf feuchter Piste ins Kiesbett ab und schlägt leicht in die Begrenzung. Sein Problem: Sein Ferrari verhakt sich dabei mit einer Werbetafel. Doch der Finne weiß Rat und kämpft sich mit wilden Lenkbewegungen und unter tosendem Applaus frei. Fotostrecke
Da ist vom Privatjet eines Scheichs die Rede, von Diego Maradona, einem im Suff gestauchten Knöchel und einem abgesagten Lotus-Test. Am Montag hört Räikkönen zu trinken auf, am Sonntag wird er Dritter beim Grand Prix von Spanien.
Das sind die Geschichten, die alle Räikkönen-Fans lesen wollen. Und noch nicht kannten.
Doch leider verliert sich Hotakainen zu sehr darin, Dinge zu erklären, die sein Zielpublikum (entweder Räikkönen- oder Formel-1-Fan) ohnehin weiß und die Leser dementsprechend langweilen. Was vielleicht damit zu tun hat, dass der Autor selbst kein Motorsport-Kenner ist.
Dabei hätte eine Räikkönen-Biografie so viel guten Stoff hergegeben!
Über den Einstieg in die Formel 1 bei Peter Sauber, der in den nordischen Augen des "Iceman" schon damals einen Weltmeister leuchten sehen konnte, wie er mir einmal in einem Interview in seinem Büro in Pfäffikon erzählt hat.
Oder wie Räikkönen in Seefeld mit Senna-Physio Josef Leberer trainiert hat, bei klirrender Kälte den Berg hinauf, barfuß durch den fast gefrorenen Bach, und abends ganz erstaunt war, als er zur Belohnung ein "Seiterl" Bier trinken durfte.
Oder wie Räikkönen am Züricher Flughafen sturzbetrunken am Gepäckband daher rollte, sehr zur Belustigung der für gewöhnlich zurückhaltenden Schweizer, die eigentlich nur ihre Koffer abholen wollten.
Kein Wort über seine menschliche Beziehung zu McLaren-Boss Ron Dennis, der den Spitznamen "Iceman" erfunden hat, den Beinahe-WM-Titel 2005 mit dem Highlight-Rennen in Suzuka, dem vielleicht größten Sieg seiner Karriere. Derart wichtige Ereignisse werden im Buch bestenfalls als Randnotizen abgehandelt. Wenn überhaupt.
Man hätte auch die Geschichte erzählen können, unter welchen Umständen Räikkönen die Karriere von Michael Schumacher beendet hat, weil Ferrari, so erzählt man in Insiderkreisen, lieber auf einen jungen Finnen als auf einen alternden Deutschen setzen wollte. Oder wie er von Ferrari Ende 2009 gnadenlos gefeuert wurde und man ihm lieber Millionen hinterherschmiss anstatt ihm weiter ein Cockpit zu geben. Nur um ihn ein paar Jahre später doch wieder zurückzuholen.
"Der unbekannte Kimi Räikkönen" ist eine der schlechtesten Motorsport-Biografien der vergangenen Jahre. Das kann man nun auf zwei Arten sehen: Erstens ist es schade, weil die Chance verpasst wurde, die vielleicht spannendste Formel-1-Karriere der letzten Jahrzehnte ordentlich zu erzählen.
Zweitens lässt es die Option offen, noch ein Kimi-Buch zu machen. Dann hoffentlich besser!
Übrigens: Wer sich lieber selbst ein Urteil bilden möchte, der kann "Der unbekannte Kimi Räikkönen" jetzt bei Amazon bestellen (sponsored Link)!
Ihr
Christian Nimmervoll
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