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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Geh jetzt bitte endlich, Fernando! Chefredakteur Christian Nimmervoll erzählt zu Alonsos Abschied die Geschichte einer unerwiderten Liebe ...
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
ich weiß nicht genau, wie es Ihnen geht mit dem Abschied von Fernando Alonso. Haben Sie ein Tränchen verdrückt, weil eine ganz, ganz große Karriere zu Ende geht? Weil es dann doch emotionaler war als gedacht? Oder sind Sie froh, dass er endlich weg ist und Platz für frisches Blut schafft?
Ich will ehrlich sein: Bei mir ist es von beidem ein bisschen.
Nach Abu Dhabi erhärtet sich der Eindruck: Alonso hat letzte Nacht womöglich schlecht geschlafen, weil es ein Abschied war, den er gar nicht wollte.
So cool er in den ganzen Interviews auch getan haben mag: In Wahrheit fiel es ihm schwer, von der Formel 1 Abschied zu nehmen. Das zeigte sich beim Fahrerbriefing, als er laut GPDA-Direktor Alexander Wurz emotionaler war, als er sich das selbst je eingestehen würde.
(Apropos Wurz: Der ORF-Experte und sein Chefkommentator Ernst Hausleitner gewinnen mit ihrer ebenso lächerlichen wie sympathischen Einlage als Alonso-Doubles für mich den Preis für den TV-Moment des Jahres. Schade, dass Jean Todt unlängst RTL statt ORF geschaut hat - ihm wäre viel Ärger erspart geblieben. Aber das ist eine andere Geschichte ...)
"Triple-Crown" ist doch nur ein Trostpreis!
Alonso wollte uns verklickern, dass er freiwillig geht. Er ließ keine Gelegenheit aus, zu betonen, wie negativ sich die Formel 1 entwickelt habe. Zum Beispiel, weil die drei Topteams meilenweit vor allen anderen fahren und er in einem McLaren-Cockpit als einer der anerkannt besten Fahrer nicht den Funken einer Chance auf Podestplätze hatte.
Ich gehe jede Wette: Wäre Alonso in einem Mercedes, Ferrari oder Red Bull gesessen, wäre ihm das scheißegal gewesen.
Und letztendlich kann er das Märchen vom freiwilligen Abschied jemand anderem erzählen. Ich nehme ihm ab, dass er jetzt zuallererst die "Triple-Crown" gewinnen möchte. Aber das ist doch nur ein Trostpreis, den er erfunden hat, als ihm klar wurde, dass ihn in der Formel 1 kein Topteam mehr will, weil er zu viel verbrannte Erde hinterlassen hat.
Als Nico Rosberg bei der FIA-Gala in Wien 2016 völlig überraschend seinen Rücktritt erklärt hat, konnte sich Toto Wolff vor Anrufen von Flavio Briatore nicht retten. Überliefert ist, dass Wolff am Gala-Abend selbst dann Bernie Ecclestone sein Handy in die Hand gedrückt hat, um Briatore endlich abzuwimmeln.
Briatore, das ist der Mann, der Alonso bei Renault 2005 und 2006 zum Weltmeister gemacht hat. Der ein Vermögen mit den spanischen TV-Rechten verdient hat, weil er einen Fahrer erfunden hat, mit dem die Formel 1 in Spanien plötzlich Massen begeistern und mobilisieren konnte. Der Alonso einen millionenschweren PR-Vertrag für den Grand Prix in Aserbaidschan verschafft hat, wo direkt neben der Formel-1-Strecke rein zufällig auch eine Billionaire-Disco steht.
Briatore kündigt offen ein Comeback an
Eben dieser Flavio Briatore trägt das Herz auf der Zunge, mehr als Alonso selbst, wenn er vor dem Start in Abu Dhabi sagt: Wir kommen wieder!
Das zeigt doch, wie es wirklich war, nämlich dass Alonso nur geht, weil ihn in der Formel 1 zumindest die nicht wollen, für die er gerne fahren würde. Es ist ein bisschen so, wie in eine Frau verliebt zu sein, die die Gefühle einfach nicht erwidert. Dann zu behaupten, man finde das Leben als Single eigentlich viel besser, ist genau das, was Alonso uns gerade weismachen will.
Jetzt wird Alonso also erstmal Langstrecken-Weltmeister, er wird aller Voraussicht nach Le Mans ein zweites Mal gewinnen - und er wird beim Indy 500 sicher wieder eine Mega-Show bieten. Ob's für den heiß ersehnten Sieg reicht? Wir werden sehen. Über dem Teich fahren auch nicht nur Nasenbohrer.
Fotostrecke: Die Karriere von Fernando Alonso
Zwei WM-Titel und 30 Grand-Prix-Siege hat Fernando Alonso errungen, dazu in der Formel 1 geschätzte 150 Millionen Euro verdient - aber angefangen hat alles im Go-Kart, hier im Alter von zarten neun Jahren. Fotostrecke
Zak Brown hat am Wochenende erzählt, dass Alonso das eine oder andere Mal den McLaren testen soll. Vielleicht schon bei den Wintertests im Februar.
Ich bin gespannt darauf, was passiert, wenn sich der McLaren wider Erwarten als Siegerauto herausstellen sollte. Ob Alonso dann immer noch lieber Le Mans und Indy fährt, oder ob er dann vielleicht doch ganz gern das Cockpit von Lando Norris hätte?
Ein spannendes Thema.
Schade nur, dass der McLaren eben kein Siegerauto sein wird ...
Wer sonst noch schlecht geschlafen hat:
Christian Nimmervoll: Ich nehme mich diesmal selbst mit auf die Liste. Rein metaphorisch, um die Möglichkeit zu haben, mich auch "offiziell" bei unserem langjährigen Kollegen Dieter Rencken zu bedanken. Dieter war seit 2007 unser permanenter Mann an der Rennstrecke, und er hat mit seinem Netzwerk an Kontakten in all den Jahren unzählige Scoops ausgegraben. Am Jahresende trennen sich unsere Wege. Wir wünschen dir, lieber Dieter, auch für die Zukunft alles Gute! Und bedanken uns aus ganzem Herzen für mehr als zehn Jahre hingebungsvolle und spannende Zusammenarbeit.
Bradley Lord: Der Mercedes-Pressesprecher durfte nach dem Rennen mit Lewis Hamilton aufs Podium, um den Pokal für den siegreichen Konstrukteur in Empfang zu nehmen. Eindrücke, die ihn womöglich (im Positiven!) beschäftigt haben, als er abends zu Bett ging. Gut so: Während sich Ferrari einigelt und Medienarbeit in etwa so transparent und offen interpretiert wie die Katholische Kirche in ihren düstersten Zeiten, zeigt Mercedes vor, dass es auch anders geht. Weltmeister nicht nur auf der Rennstrecke!
Ihr
Christian Nimmervoll
PS: In der Schwesterkolumne "Wer letzte Nacht am besten geschlafen hat" auf de.motorsport.com beschäftigt sich mein Kollege Sven Haidinger heute mit Weltmeister Lewis Hamilton. Und zwar nicht nur auf der rein sportlichen Ebene ...
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