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Sebastian Vettel hat in Monza die WM-Führung verloren. Wie? Jetzt die 17 besten Fotos in unseren Rennhighlights durchklicken!
Der erste Fahrer, der 2017 zwei Rennen hintereinander gewinnt: Lewis Hamilton siegt nach Spa auch in Monza und übernimmt die WM-Führung mit drei Punkten Vorsprung vor Vettel. Quasi im Vorbeigehen nimmt er die 69. Pole seiner Karriere mit. Jetzt ist er alleiniger Rekordhalter. Vor Michael Schumacher.
Wegen Regens dauert das dritte Training am Samstag nur 16 Minuten, und das Qualifying wird schon nach viereinhalb Minuten abgebrochen, als sich Romain Grosjean auf der Start- und Zielgerade dreht: Aquaplaning. Danach ist zweieinhalb Stunden Pause, bis der Regen nachlässt und es endlich weitergeht.
Während die Ferraris verwachsen und Vettel mit zweieinhalb Sekunden Rückstand Achter wird, holt Hamilton überlegen die Pole. Die beiden Red Bulls trumpfen im Regen auf, fallen aber wegen Komponentenwechsel nach hinten. So rückt Lance Stroll sensationell in die erste Reihe auf. Als jüngster Formel-1-Fahrer aller Zeiten!
Für die Enge der ersten Schikane verläuft der Start zum Grand Prix von Italien verhältnismäßig glimpflich. Vettel hat Wheelspin und kann P6 nicht verbessern, Felipe Massa fängt seinen Williams, zur Hälfte auf dem Rasen, geschickt ab. Am besten startet Max Verstappen: Von P13 auf P8 in der ersten Runde!
Hamilton setzt sich gleich ein paar Wagenlängen von Esteban Ocon ab, der Stroll am Start überholt hat. Und Kimi Räikkönen gewinnt das actionreiche Beschleunigungsduell gegen Valtteri Bottas durch die Curva Grande, ...
... muss seinen Landsmann aber noch in der ersten Runde wieder vorbeilassen. Toll, wie kompromisslos Bottas außen in der Parabolica draufhält - und dass er sich vom leichten Kontakt der beiden Fahrzeuge nicht gleich einschüchtern lässt.
Runde 3: Bottas spielt den überlegenen Speed des Mercedes aus und überholt Stroll. Eine Runde später ist Ocon dran. Mercedes hat jetzt eine Doppelführung in der "Höhle des Löwen". Und Vettel als Fünfter schon 5,8 Sekunden Rückstand.
Immerhin ist der Ferrari-Star inzwischen an Teamkollege Räikkönen vorbei, der mit dem Handling kämpft und nach einem Fahrfehler aus der zweiten Schikane heraus vor den Lesmos nicht groß Gegenwehr leistet. Teamorder? Die Fahrer bestreiten das. Mit Stroll und Ocon hält sich Vettel ebenfalls nicht lange auf.
Es geht um den siebten Platz zwischen Massa und Verstappen, als die beiden in der ersten Schikane aneinandergeraten. "Ein Rennunfall", findet Red-Bull-Konsulent Helmut Marko, und auch die Rennleitung schreitet nicht ein.
Aber eine Strafe gibt's trotzdem: Verstappen schlitzt sich am Williams-Frontflügel den rechten Vorderreifen auf, fällt auf den letzten Platz zurück. Dass er immerhin noch einen Punkt holt, hat er nur einem harten Manöver gegen Kevin Magnussen in der Schlussphase zu verdanken. Sonst wäre das Podium möglich gewesen.
Schon in Spa waren Fernando Alonso und Jolyon Palmer nicht einer Meinung, und in Monza setzt sich das fort. "Sorry, aber wir müssen etwas gegen Palmer unternehmen", schimpft Alonso am Funk. Der kassiert für sein Zweikampfverhalten fünf Sekunden Strafe. "Ein Witz", findet Alonso. Und unkt später, als der Renault ausscheidet: "Karma!"
Sensationsmann Stroll fightet tapfer, verliert aber einen Platz an Räikkönen, weil Ferraris Undercut aufgeht und Williams' Reifenwechsel ein paar Sekunden zu lange dauert. Der 18-Jährige lässt aber zumindest den Kontakt zu Ocon nie ganz abreißen.
Schrecksekunde am Mercedes-Kommandostand, als Hamilton in Runde 19 einen seiner seltenen Fehler macht und beinahe die Kontrolle über den Silberpfeil verliert. "Ich bin einfach ein bisschen ausgerutscht", relativiert er später. Mercedes-Boss Niki Lauda stellt fest: "Da wachst du auf!"
Während der Abstand zwischen Hamilton und Bottas zwischen drei und fünf Sekunden schwankt, fährt Daniel Ricciardo (auf den härteren Softs gestartet) mit 36 Runden den längsten ersten Stint. Dank frischer Supersofts holt er die 3,3 Sekunden Rückstand auf Räikkönen binnen drei Runden auf. Für Vettel reicht's nicht mehr ganz: P4.
Der Kampf um P6 wird in der letzten Runde noch einmal spannend: Massa attackiert den vor ihm liegenden Teamkollegen Stroll, der seinerseits Ocon auf die Pelle rückt. Beinahe wird dabei noch Sergio Perez Nutznießer! Schlussendlich bleibt aber alles beim Alten.
Hamilton gewinnt nach 53 Runden 4,5 Sekunden vor Bottas und 36,3 Sekunden vor Vettel. Letzterer lässt den Kopf aber nicht hängen, ...
... sondern erfreut sich an der einmaligen Atmosphäre im Autodromo Nazionale di Monza. Am Boxenfunk verrät Vettel ein Geheimnis, das im TV nicht zu sehen war: "Die letzten 15, 20 Runden hat etwas nicht gestimmt. Darum habe ich den Motor hoch und runter gedreht."
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
der eine oder andere von Ihnen wird sich beim Lesen dieser Kolumne am Kopf kratzen. Sebastian Vettel soll letzte Nacht am schlechtesten geschlafen haben, wie bitte? Der Sebastian Vettel, der nach der Zieldurchfahrt in Monza die Tifosi-Atmosphäre im Autodromo Nazionale in vollen Zügen aufgesogen, der das Podium sichtlich genossen hat? Echt jetzt?
Ja, genau der.
Zugegeben, diese meine Kolumne ist heute eher im metaphorischen Sinne zu verstehen, denn dass Vettel wirklich schlecht geschlafen hat, glaube ich selbst nicht. Ich glaube sogar ganz im Gegenteil, dass er eigentlich einen recht schönen Abend bei Spaghetti alla Carbonara und einem Glas Rotwein hatte, mit sich und der Leistung des Ferrari-Teams einigermaßen zufrieden war.
"Ich bin vom Podium noch voller Adrenalin. Die Atmosphäre ist einfach umwerfend. Ihr könnt mich jetzt fragen, was ihr wollt, es ist mir ganz egal: Ihr werdet immer eine positive Antwort bekommen", beschrieb Vettel während der FIA-Pressekonferenz seinen Gemütszustand.
Vielleicht kam der Aufschlag auf den Boden der Realität ja erst ein paar Stunden später.
Sergio Marchionne, der alleroberste Ferrari-Boss, sah da schon etwas klarer: "Wir haben es einfach versaut. Das Set-up war falsch. Und wir haben die Strecke unterschätzt."
Das klingt eher nach einer realistischen Einordnung jener 31,846 Sekunden Rückstand, die Vettel partout nicht beunruhigen konnten.
Stimmt schon, die große Panik muss bei Ferrari jetzt nicht ausbrechen. Dass Mercedes auf der Motoren-Paradestrecke in Monza gewinnen würde, ist keine Überraschung. Das könnte in zwei Wochen in Singapur ganz anders aussehen. Zumal Ferrari im Gegensatz zu den Silberpfeilen noch ein Motorenupdate für den Rest der Saison im Köcher hat.
Aber dass Lewis Hamilton seine Drohung wahrgemacht, Spa und Monza gewonnen und damit als erster Fahrer der Saison 2017 zwei Rennen hintereinander für sich entschieden hat, das ist eine Ansage für die restlichen sieben Grands Prix.
Vom (überwiegend italienischen) Publikum wurde Hamilton übrigens ausgebuht. Naturgemäß. Wie er damit umgegangen ist, war souverän. Den Tifosi zu sagen, dass er klasse findet, wie sie hinter ihrem Team stehen. Und dass er gern der Bösewicht ist, der ihnen die Party versaut, weil er schließlich auch nur Weltmeister werden will.
Das klang ein bisschen nach: Hey, ich will es mir mit euch nicht versauen, denn vielleicht stehe ich eines Tages in einem roten Overall wieder hier.
Ausgerechnet beim Ferrari-Grand-Prix trat Hamilton damit - zumindest in meinen Augen - sympathischer auf als Ferrari selbst. Und meine Stammleser wissen, dass ich nicht akut gefährdet bin, Hamilton übermäßig sympathisch zu finden.
Aber die Scuderia tut sich keinen Gefallen damit, wie sie anno 2017 in der Öffentlichkeit auftritt. Dass Teamchef Maurizio Arrivabene und Co. für die (zumindest nicht italienischen) Medien kaum greifbar sind, damit haben wir uns inzwischen abgefunden.
Aber dass Präsident Marchionne seinen Vorgänger Luca di Montezemolo nicht nach Monza eingeladen hat, ausgerechnet am Wochenende des 70-jährigen Ferrari-Jubiläums, das ist kein besonders feiner Stil. Montezemolo ist ein elementarer Bestandteil der Ferrari-Erfolgsgeschichte, und es brauchte ein Zeitungsinterview, damit er ausdrücken konnte, wie gern er in Monza dabei gewesen wäre.
Das muss demütigend sein.
Ferrari ist noch lange nicht tot, und Vettel hat in der WM erst drei Punkte Rückstand. Mit Strecken wie Singapur, Sepang und Suzuka kommt jetzt ein Triple auf uns zu, bei dem er durchaus den Hattrick einfahren könnte. Dann sieht alles ganz anders aus. Aber Stand heute, Stand Montag nach Monza, hat Hamilton das Momentum auf seiner Seite.
Damit wir uns nicht falsch verstehen: Ich nehme Vettel schon ab, dass er sich über den dritten Platz gefreut hat. Ehrlich. Ich finde nur: Er hatte keinen Grund dafür.
Ihr
Christian Nimmervoll
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