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Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Frustbewältigung auf der österreichischen Autobahn: Warum Max Verstappens Ausfall in Spielberg so frustrierend war und Kimi Räikkönen so gelassen ist
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
meine Güte, was zieht dieser Max Verstappen in der Formel-1-Saison 2017 das Pech an! Während seit dem Europa-Auftakt in Barcelona kein anderer Fahrer mehr WM-Punkte geholt hat als sein Teamkollege Daniel Ricciardo, ist der Niederländer in den letzten sieben Rennen fünfmal ausgeschieden. Seit Barcelona gerechnet steht es zwischen den beiden 10:85.
Das tut dreifach weh.
Erstens rein sportlich. Es ist nie schön, ein mögliches Podium zu verlieren - und man muss davon ausgehen, dass Verstappen rein vom Speed her das Zeug gehabt hätte, unter die besten Drei zu fahren. Wenn man einmal nachrechnet, wie viele Punkte er durch die Ausfälle verloren hat, wird einem ganz schwindlig: in Bahrain (mindestens) zehn (wegen Bremsdefekt), in Spanien wahrscheinlich 15 (Kollision mit Kimi Räikkönen), in Kanada bis zu 18 (Motor), in Aserbaidschan 25 (Motor) und gestern in Österreich nochmal 15 (Kupplung).
Ergibt unterm Strich 83 Zähler, die theoretisch mehr auf seinem Konto sein könnten. Rechnet man die zu den bestehenden 45 (P7 hinter Sergio Perez) dazu, könnte er Stand heute genauso gut anstelle von Valtteri Bottas erster Verfolger von Vettel/Hamilton sein.
Aber von hätte, wäre und wenn kommen keine Titel.
Zweitens emotional. Ich weiß nicht, ob sich jemand die Mühe gemacht hat, die ganzen "Oranjes" auf den Tribünen des Red-Bull-Rings zu zählen. Es müssen zehntausende gewesen sein. Die ganze Woche hatte sie sich auf dem Campingplatz auf ein Volksfest beim Red-Bull-Heimspiel eingestimmt, am liebsten natürlich mit einem Podestplatz ihres Nationalhelden.
Und dann war das Spektakel nach nicht einmal fünf Minuten vorbei. Die folgende Stille auf der Tribüne zwischen erster und zweiter Kurve war herzzerreißend.
Mir persönlich haben die "Oranjes" auch Schwierigkeiten bereitet, und zwar bei der Fahrt nach Hause. Das ist von Spielberg aus normalerweise eine Angelegenheit von knapp drei Stunden. Nicht so gestern. Obwohl ich bei meinem Heimspiel den Luxus hatte, diverse Ausweich-Bundesstraßen der verstopften Autobahn in Richtung Norden vorzuziehen, stand ich zwischendurch gefühlte Ewigkeiten im Stau. Mitten in einem Meer aus Wohnmobilen.
Drittens könnte Verstappen wegen seiner Zukunft schlecht geschlafen haben. Dass er sich nach der erneuten Enttäuschung so professionell den TV-Kameras gestellt hat, lag wohl daran, dass es a) das Red-Bull-Heimrennen im "Wohnzimmer" von Dietrich Mateschitz war und er sich b) nach Baku nicht den nächsten Mini-Eklat erlauben konnte. Aber ich muss zugeben: Ich hätte ihn emotionaler erwartet. Oder eben gar nicht.
Die Gelassenheit könnte trügerisch sein. Im Paddock in Spielberg verdichteten sich Indizien dafür, dass der 19-Jährige aus seinem (angeblich wasserdichten) Vertrag raus möchte.
Bei Ferrari wäre ein Platz frei, weil Räikkönen seine Karriere wahrscheinlich beenden wird. Auch Vettel hat noch nicht für 2018 unterschrieben. Und Mercedes-Sportchef Toto Wolff wollte Verstappen schon haben, als er noch Formel 3 gefahren ist. Die Entscheidung für Red Bull fiel nur, weil Helmut Marko den Verstappens bei Toro Rosso sofort ein Renncockpit anbieten konnte. Das konnte Mercedes nicht.
Jos Verstappen sagt zwar, dass sein Sohn "zu 100 Prozent" bei Red Bull bleiben soll. Mag sein, dass es letztendlich tatsächlich so kommen wird. Aber wer glaubt, dass Verstappen sen. nicht mit Ferrari und Mercedes spricht und Optionen auslotet, ist naiv.
Ich habe es schon in einer der letzten Folgen des Formel-1-Talks "Starting Grid" gesagt: Auch wenn die Ergebnisse ihn mit Sicherheit nerven, muss sich Verstappen um seine Karriere keine Sorgen machen. Niemand zweifelt auch nur im Geringsten an seinem Talent. Und rein vom Speed her bekommt er Ricciardo, weiß Gott auch kein Nasenbohrer, immer noch besser in den Griff.
Aber nach fünf Ausfällen in sieben Rennen, nach einem geplatzten Volksfest beim halben Heimspiel, vor zehntausenden genervten "Oranje"-Fans, da darf man schon einmal schlecht schlafen.
Wer sonst noch schlecht geschlafen hat:
Kimi Räikkönen: Der "Iceman" wirkt super relaxt in letzter Zeit. Seine Medienrunden erinnern vor Redefreude fast schon an Nachmittags-TV-Talkshows, und selbst wenn ihn Ferrari-Oberboss Sergio Marchionne mal wieder verbal angeht, lässt ihn das weitgehend kalt. Vielleicht, weil Räikkönen durch die Geburt seines zweiten Kindes gelassener geworden ist. Vielleicht auch, weil er weiß, dass er den ganzen Zirkus schon bald hinter sich und viel mehr Zeit für seine Kinder haben wird. Trotzdem: In der WM hat er nicht einmal halb so viele Punkte wie Vettel. Das wird seinem Talent nicht gerecht.
Ihr
Christian Nimmervoll
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