Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!
Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Fernando Alonsos irre Drama-Story beim Indy 500: Wie er die Herzen der Amerikaner im Sturm erobert hat und letztendlich wieder an Honda gescheitert ist
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
es war ursprünglich Sinn und Zweck dieser (Montags-)Kolumne, auf zugespitzte, unterhaltsame, (immer) subjektive, aber doch auch informative Art nach jedem Formel-1-Wochenende einen "Verlierer des Wochenendes" zu küren. Einen, der (meistens natürlich im übertragenen Sinn) letzte Nacht "schlecht geschlafen" hat, weil er besonderen Mist gebaut hat oder ihm die Felle aus Gründen, die er selbst nicht kontrollieren kann, davonschwimmen.
Heute möchte ich den Interpretationsspielraum dieser Kolumne etwas weiter ausdehnen, denn es gibt an diesem Montagmorgen nur ein Thema, über das ich unbedingt schreiben möchte: Fernando Alonsos irrer Auftritt beim Indy 500.
Vorweg: Der 35-jährige Spanier hat letzte Nacht mit Sicherheit nicht schlecht geschlafen. Das Indy 500 war seit einiger Zeit das absolute Highlight seiner Karriere, und dass er das richtig, pardon, geil fand, das war ihm zu jedem Zeitpunkt anzusehen. Auch nach dem unglücklichen Ausfall in der 180. von 200 Runden.
Ausgerechnet Honda!
Aber genau da haken wir kurz an dem Punkt ein, warum's dann doch irgendwie passt, heute Alonso zum Thema zu machen.
Denn es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ihn ausgerechnet ein Honda-Motorschaden letztendlich außer Gefecht gesetzt hat. Einige meiner schadenfroheren Kollegen werden sich nun ins Fäustchen lachen. "Eigentlich gibt es nur zwei große Storys", meinte einer vergangene Woche. "Entweder er gewinnt das Ding - oder er scheidet mit einem kaputten Honda-Motor aus!"
Nun muss man wissen, dass jene Division, die Hondas Formel-1-Motoren baut, mit Honda Performance Development (HPD) in Kalifornien ungefähr so viel zu tun hat wie MAN-Trucks mit Bugatti: Beides sind Firmen unter demselben Konzerndach (in letzterem Fall Volkswagen), aber dann hört es auch schon auf mit Gemeinsamkeiten.
Honda: Andere "Probleme" als in der Formel 1
Das Problem von HPD in Nordamerika ist ein ganz anderes als in Europa. Erstens hat mit Takuma Sato ausgerechnet ein Japaner mit einem Honda-Motor das 500 gewonnen. Das ist in der Geschichte des "Brickyard" einzigartig. Und zweitens war Honda den ganzen Monat Mai hindurch konkurrenzfähiger als Konkurrent Chevrolet. Deutlich konkurrenzfähiger. Dass das auf Kosten der Zuverlässigkeit gehen kann, war allen Beteiligten bewusst.
Ich wage zu behaupten: Würde Alonso regelmäßig in Formel-1-Rennen um den Sieg mitfahren, würde er den einen oder anderen Motorschaden relativ locker wegstecken. Und so bleibt unterm Strich stehen, dass die geniale PR-Aktion, Alonso beim Indy 500 starten zu lassen, nur für einen beteiligten Player zum totalen Bumerang wurde: Honda.
Aber lassen wir das.
Der Moment, als Alonso den Motor abstellte, war eines jener Gänsehaut-Erlebnisse, die ein Rennfahrer nie vergessen wird. Nicht einmal als Sato-san in der Victory-Lane die berühmte Indy-Milch über seinem Kopf vergoss, kamen ähnliche Emotionen auf.
Gänsehaut: Standing Ovations von 300.000
"Ein großer Champion. Jeder hier hofft, dass er wieder zurückkommt", sagte sogar der TV-Kommentator im amerikanischen Fernsehen.
300.000 Menschen am "Brickyard" erhoben sich von ihren Plätzen, um Alonso mit Standing Ovations zurück in die Formel 1 zu entsenden. Nicht einmal bei der Zieldurchfahrt wurde so laut gejubelt.
Der McLaren-Honda-Star war die bestimmende Figur der 101. Auflage des berühmten 500-Meilen-Rennens. Zwar verpennte er wie befürchtet gleich den ersten fliegenden Start, aber danach ließ er keinen Zweifel daran, wer der talentierteste Fahrer im Feld ist.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe allergrößten Respekt vor alten IndyCar-Haudegen wie Helio Castroneves, Scott Dixon (der einen fürchterlichen Horrorcrash überlebt hat) oder Tony Kanaan. Und mit Sicherheit haben sich die Herren in der ersten Rennhälfte, als es noch um nichts ging, auch keinen Kopf gemacht, als ihnen Alonso um die Ohren fuhr.
Der Sieg schien schon zum Greifen nah
Aber als der Gast aus Europa bei der Rennunterbrechung als Führender in der Boxengasse stand und sein Speed auch danach beeindruckend blieb, begann so mancher mit einer Sensation zu spekulieren. Alonso war Siebter, als sein Honda-Motor verrauchte. Er sagte später, dass er gerade loslegen wollte, weil er bis dahin seine Reifen geschont hatte.
Das kann man glauben oder nicht. Und spielt eigentlich auch keine Rolle. Wahrscheinlich hätte er das Rennen nicht gewonnen. Aber dass das Podium überhaupt in Reichweite lag, ist eine Sensation, die einem mittleren Erdbeben gleichkommt.
Erdbebenartig war übrigens auch das Interesse an der Veranstaltung. Am mit Abstand reichweitenstärksten Tag in der Geschichte dieses Portals lockte Alonso beim Indy 500 tausende Menschen in unseren Live-Ticker, und auch heute Morgen zog der Traffic viel früher an, als das sonst an einem Montag der Fall ist. Weil jeder, der es noch nicht mitbekommen hat, wissen will, wie es Alonso ergangen ist.
Gut ist es ihm ergangen. Und ich tippe: Schon 2018 wird er den nächsten Anlauf starten, die Borg-Warner-Trophy zu gewinnen.
Wenn es dann wieder heißt: "Drivers, start your engines!"
Ihr
Christian Nimmervoll
PS: Folgen Sie mir oder meinen Kollegen auf Twitter unter @MST_ChristianN!