Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
'Motorsport-Total.com'-Redakteur Roman Wittemeier über die Tatsache, dass der Mexiko-Erfolg auch einen Verlierer produziert hat: Formel-1-Boss Bernie Ecclestone
(Motorsport-Total.com) - Liebe Freunde des gepflegten Zweikampfes,
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So geht eine Formel-1-Party: Mexiko hat die gesamte Szene positiv aufgerüttelt Zoom Download
was war das für ein herausragender Erfolg am Wochenende bei der Formel 1 in Mexiko. Die Fans waren nicht nur zahlreich vor Ort, sondern in der ausverkauften Hütte war eine Stimmung wie beim FC St. Pauli nach einem Sensationssieg gegen den FC Bayern München ("Weltpokalsiegerbesieger"). So macht uns der Grand-Prix-Sport am meisten Spaß. Und eines wurde sehr klar: Die Formel 1 ist längst noch nicht tot - zumindest nicht in Nationen wie Mexiko.
Eigentlich gilt die Rückkehr in das Heimatland von Force-India-Pilot Sergio Perez als großer Coup von Bernie Ecclestone. Ich denke aber schon, dass dem 85-järhigen Briten diese "Fiesta Mexicana" mittelfristig schlaflose Nächte verschaffen könnte. Warum? Die Euphorie und der herrlich freundliche Empfang bei der Formel-1-Party in Mexiko-Stadt zeigt einmal mehr deutlich, dass sich Ecclestone in den allermeisten Fällen auf dem Holzweg befindet.
In den vergangenen Jahren ist der "Dagobert Duck" des Grand-Prix-Zirkus immer wieder an neue Schauplätze gegangen. Als Lockmittel galten dabei selten Tradition, Motorsportkultur oder Wünsche der Fans, sondern in den allermeisten Fällen der schnöde Mammon. Wer am meisten bietet, bekommt als erstes ein Formel-1-Rennen - so einfach ist das Vorgehen des Vermarkters, der den Einnahmentopf der FOM (Formula One Management) dadurch ausweiten konnte.
Wenn der Peso nicht gekommen wäre...
Es war reines Glück, dass man Ecclestone für die Rückkehr nach Mexiko-Stadt seitens der örtlichen Macher auch noch Geld geboten hat. Wenn dort keine Pesos geflossen wären, dann hätte es kein Comeback im Autodromo Hermanos Rodriguez gegeben - so einfach ist das. Was mir dabei Kopfschmerzen und Bernie Ecclestone eine schlaflose Nacht bereiten könnte? 2016 geht der Zirkus nach Aserbaidschan und fährt dort den "Grand Prix von Europa" - übrigens außerhalb Europas...
Ecclestone muss in seinen Träumen doch langsam mal ein Licht aufgehen! Die tolle Formel-1-Party 2014 in Österreich und die Grand-Prix-Sause 2015 in Mexiko haben gezeigt, dass die Szene nur noch dort gut angenommen wird, wo es eine Grundlage dafür gibt. Die beiden genannten Nationen sind nicht neu im Motorsport, dort hat sich über viele Jahre eine entsprechende Kultur ausbilden können, samt Euphorie, Leidenschaft und dem notwendigen Verständnis für den Sport.
Die Auftritte in Bahrain, China oder Aserbaidschan mögen kurzfristig zwar ein paar Dollar mehr in die Kassen von Ecclestone bringen, aber mittelfristig geht der Schuss ganz sicher nach hinten los. In Zeiten des abnehmenden Interesses an der Formel 1 braucht es Leidenschaft und ausflippende Fans. Wer gestern am TV die jubelnden Massen in Mexiko gesehen hat, der muss sofort gedacht haben, dass dort etwas ganz Großes passiert. So schafft man Interesse an der Formel 1 - und nicht durch leere Ränge in Manama.
Besinnen auf alte Stärken und Standorte
Wenn Ecclestone aufwacht, dann muss ihm klar sein, dass die Zukunft seines Business nur dann auf sicheren Füßen stehen kann, wenn er mit seinem Zirkus auch Standorte ansteuert, die für die Formel 1 eine entsprechen sichere Bank sind. Wie kommt man in diesem Zusammenhang beispielsweise auf die unfassbare Idee, den Grand Prix von Italien in Monza in Frage zu stellen? Ganz ehrlich: Das werde ich niemals begreifen.
Fotostrecke: GP Mexiko, Highlights 2015
Das schönste Podium des Jahres, ganz besonders für Nico Rosberg: Nach seiner bitteren Niederlage gegen Lewis Hamilton beim WM-Entscheider in Austin liefert der Mercedes-Fahrer in Mexiko-Stadt eines seiner besseren Wochenenden ab und gewinnt letztendlich souverän. Vor 134.850 Zuschauern fühlt er sich "wie ein Rockstar". Fotostrecke
Mich als leidenschaftlichen Motorsport-Liebhaber interessiert es nicht die Bohne, ob Putin Bock auf die Formel 1 hat und mal eben entsprechend den Rubel rollen lässt. Es interessiert mich ebenso wenig, ob dadurch der FOM-Topf umfangreicher wird und die Teams aus diesem Topf etwas mehr Geld abrufen können. Meine Rechnung ist ganz einfach: Wenn neue Begeisterung an altbewährten Standorten gezeigt wird, dann regelt sich die finanzielle Seite von ganz allein. So hat das System doch über Jahre funktioniert.
Lieber Bernie, du bist in der Szene wegen deines angeblich vorausschauenden Handelns und aufgrund deines wirtschaftlichen Erfolges in der Vergangenheit hoch angesehen. Nun aber besinne dich doch endlich auf die Stärken der Formel 1 zurück. Sie funktioniert nur dort, wo sie aufgrund von Tradition und Interesse hingehört. Und das ist nicht in Indien, Südkorea oder Aserbaidschan der Fall. Monströses Mexiko, jubelndes Japan und irres Italien - so etwas braucht es!
Viele Grüße und bis bald,
Roman Wittemeier