Bernd Mayländer: Anekdoten aus den Ardennen
Urlaub am Lago Maggiore, gemütliche Fahrt in die Ardennen und Vorfreude auf ein "Racing pur"-Wochenende: Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer vor Spa
(Motorsport-Total.com) - Liebe Formel-1-Fans,
aus sportlicher Sicht freue ich mich extrem, dass die Sommerpause nun vorbei ist und wir wieder Rennsport bester Sorte erleben dürfen. Privat ist es ein wenig anders: Ich habe zwar gemeinsam mit meiner Freundin einen tollen und entspannten zweiwöchigen Urlaub erlebt, aber all die Erholung ist schnell wieder weg gewesen. Auf meinem Schreibtisch hat sich die Arbeit gestapelt, es gab unzählige Termine, sodass ich ganz schnell wieder gefühlte Lichtjahre vom Urlaub weg war.
Ich bin quasi schon wieder urlaubsreif. Da kommt das Formel-1-Wochenende in Spa-Francorchamps gerade passend. Wie der Name "Spa" schon sagt: Es ist ein Wohlfühlprogramm für Racer! Der Belgien-Grand-Prix ist vielleicht am ehesten mit dem Rennen in Silverstone vergleichbar. An beiden Orten herrscht eine unvergleichliche Atmosphäre, der Rennsport steht dort im Vordergrund - und Glanz, Glamour und Party rückt mal deutlich in den Hintergrund. Aber der Reihe nach...
Nach dem DTM-Wochenende in Spielberg bin ich sofort nach Mailand gefahren, um dort meine Freundin vom Flughafen abzuholen. Gemeinsam sind wir dann in die Ferienwohnung meiner Eltern an den Lago Maggiore gefahren. Meine Familie hat die Unterkunft schon seit den 1980er-Jahren, ich verbinde mit Urlauben dort also eine ganze Menge Erinnerungen. Es ist immer schön und völlig entspannt. Ich habe Verwandtschaft und Freunde in der Nähe - langweilig war es daher kein bisschen.
Entspannung am Lago Maggiore
Die Wohnung liegt auf der Schweizer Seite des Sees. Auf dieser Seite ist alles viel ruhiger, es ist beschaulich und man muss sich nie um irgendetwas Sorgen machen. Das einzige, was mich dort immer wieder mit dem Kopf schütteln lässt: die unfassbaren Preise in der Schweiz. Das ist schon heftig. Im Gegenzug habe ich dort die Sicherheit, dass mir nie jemand die "Bude" ausräumen wird. Wir hatten dort mal im Herbst vergessen, die Tür abzuschließen. Als wir im März zurückkamen, war alles unverändert. Klasse!
Das Thema Sicherheit im Urlaub hat uns ja schließlich gerade in dieser Sommerpause begleitet. Ich finde es unfassbar, was Jenson Button in Südfrankreich passiert ist: betäubt und ausgeraubt. Ich höre immer wieder, dass die Kriminalität in der Gegend zwischen Monaco und Marseille im Sommer extrem hoch ist. Ein Freund von mir hat deswegen sogar sein Haus an der Cote d'Azur verkauft - und der ist Franzose! Da lobe ich mir doch die ruhige Schweiz, wo man auch mal vergessen kann, seine Wohnung monatelang nicht abzuschließen.
Interessant fand ich in der Pause auch das Thema Antrieb für Red Bull. Die müssen sich tatsächlich etwas überlegen. Wenn das Team wirklich Aggregate von Mercedes bekommen würde, dann gäbe es vermutlich eine ganz neue Würze im Wettbewerb. Andererseits kann ich meine Kollegen aus Stuttgart sehr gut verstehen, wenn sie einige Bedenken haben, einen solch etablierten Konkurrenten quasi nach vorn zu schieben. Ich bin gespannt, wie sich das Thema entwickeln wird.
Fahrerkarussell: Wer dreht am Rad?
Für viel Gesprächsstoff sorgt natürlich auch der Fahrermarkt. Es ist auch jetzt im Sommer wieder viel spekuliert worden, aber was ist tatsächlich passiert? Gar nichts! Ich schätze, dass man spätestens in Monza einige Neuigkeiten erfahren wird. Mein Bauch sagt mir, dass Kimi bei Ferrari bleiben wird und sich somit ohnehin kaum etwas verändert. Schade eigentlich für Nico Hülkenberg, der dann schon wieder das Nachsehen hat. Der Nico hätte es mal verdient, in einem Topauto sein Potenzial zeigen zu dürfen. Aber die Türen sind wohl zu - da hilft auch der großartige Le-Mans-Sieg nichts.
Fotostrecke: GP Belgien, Highlights 2014
Nach einem verregneten Qualifying in Spa-Francorchamps hat wieder einmal Mercedes-Pilot Nico Rosberg die Nase vorn. Teamkollege Lewis Hamilton geht von Platz zwei aus ins Rennen, Sebastian Vettel startet als Dritter. Fotostrecke
Heute mache ich mich - mit einem kurzen Zwischenstopp in Köln - per Auto auf den Weg nach Spa. Ich fahre immer gern dorthin. Die Landschaft ist schön, die Speisen und die Lokale ganz nett und vor allem ist dort kein Schicki-Micki-Schnickschnack, sondern Racing pur. Was haben wir gerade in den Ardennen schon für spektakuläre Szenen erlebt. 2000 das Überholmanöver von Mika zum Beispiel, oder 1998 der Massencrash beim Start. Wir können von großem Glück reden, dass damals nur "Blechschaden" entstanden ist.
Würden heutzutage so viele Fahrzeuge beim Start in einen solchen Unfall verwickelt, dann könnte man einpacken. Es blieben ja überhaupt keine Autos für ein Rennen mehr übrig. Das war damals noch anders. 1998 hat man eben mal schnell das dritte Auto, also das T-Car, aus der Garage geholt. Erinnert ihr euch auch noch an Michaels wutentbrannte Attacke gegen David Coulthard? Wie er von Jean Todt zurückgehalten werden musste? Ich muss immer schmunzeln, wenn ich daran zurückdenke. Spa erzeugt eben Emotionen!
Belgisches Bier - dafür sind wir hier!
Meistens am Freitag laufe ich über die Fanmeilen im Ort. Da bekommt man das wunderbare Leben so richtig mit. Es gibt so viele verschiedene Waren zu kaufen: vom Strampelanzug bis zum Schaltknauf im Ferrari-Look. Es riecht nach typisch belgischen Pommes, die ich ehrlich gesagt nur selten gegessen habe, es fließt das belgische Bier in Strömen. Und so sitzen schon am frühen Morgen die Fans von Mercedes, Ferrari, McLaren und Co. einträchtig, stressfrei und gut gelaunt beisammen. So etwas gibt es nur im Motorsport.
Lewis Hamiltons Spa-Ausblick
WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton (Mercedes) blickt auf den Grand Prix von Belgien in Spa-Francorchamps voraus. Weitere Formel-1-Videos
Ansonsten hat die Gegend um Spa-Francorchamps nicht allzu viel zu bieten. Wer Party machen will, muss wirklich weit fahren - wahrscheinlich sogar bis nach Köln. Für einige liegt das ohnehin auf dem Weg zum Hotel, denn die Unterkünfte sind im direkten Umfeld der Strecke absolut rar. In den vergangenen Jahren habe ich oft in Aachen übernachtet, in diesem Jahr habe ich das Glück, ein Hotelzimmer am Ort zu haben. Das macht vieles leichter und angenehmer, denn Spa bedeutet tägliches Verkehrschaos.
Wie die Besucher von der örtlichen Polizei zur Strecke und wieder weg geleitet werden, ist teilweise wirklich abenteuerlich. Da brauchst du schon ein SUV, um die Schotterpisten durch die Ardennen halbwegs schadlos zu überstehen. Das gesamte Chaos auf den Wegen ist in etwa mit Monza vergleichbar. Auch dort muss man immer einen "Fluchtwagen" parat stehen haben, um wenigstens halbwegs zügig nach dem Rennen nach Hause kommen zu können. Wer nicht sofort losfährt, kommt erst einen Tag später daheim an.
Mercedes in den Ardennen dominant
Was erwartet uns abseits der weiteren Gerüchte um Fahrerwechsel und Antriebspartner am kommenden Wochenende? Sicherlich wieder großartiger Motorsport. Die Strecke ist ein Garant für Action. Und für Spaß bei den Fahrern, denn trotz aller Umbauten im Sinne der Sicherheit hat der Kurs rein gar nichts von seinem Flair verloren. Dort hat man die neuesten Maßnahmen vorbildlich umgesetzt und die große Tradition bewahrt. Es ist und bleibt eine Mut- und Powerstrecke.
Weil in Spa die Leistung der Aggregate eine wichtige Rolle spielt, erwarte ich keine Wiederholung von Ungarn. Ich gehe fest davon aus, dass Mercedes dominieren wird. Williams wird dort sicherlich stark sein, alle Teams mit Renault- und Honda-Antrieben wahrscheinlich Probleme bekommen. Dort sind frische Teile für die Power Unit gefragt - und genau in diesem Bereich haben die Teams mit Mercedes und Ferrari noch deutlich mehr Spielraum als die Mitbewerber.
Ich habe so meine Schwierigkeiten, das aktuelle Potenzial von Ferrari einzuschätzen. Die Leistung in Budapest war ohne Frage sehr stark, aber in Belgien sieht die Sache bestimmt wieder etwas anders aus. Dennoch muss Mercedes aufpassen, denn die Italiener sind auf dem Vormarsch. Ich bin übrigens gespannt auf die veränderten Startprozeduren für die Fahrer. Es könnte lustig werden, wenn am Sonntag um 14:00 Uhr die Startlampen ausgehen. Vielleicht muss ich dann mal meinen feinen AMG GT-S treten und für einige Runden die Führung übernehmen...
Euer
Bernd Mayländer
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