• 17. Juni 2015 · 17:34 Uhr

Bernd Mayländer: Anekdoten aus dem Land der Berge

Rekord im Guinnessbuch, 110 DM Strafe am alten A1-Ring, Karriere-Tiefpunkt in der Boxenmauer: Safety-Car-Fahrer Bernd Mayländer vor dem Grand Prix Österreich

(Motorsport-Total.com) - Hallo, liebe Leser,

Foto zur News: Bernd Mayländer: Anekdoten aus dem Land der Berge

Bernd Mayländer freut sich auf Österreich, 2015 sein "halber Heim-Grand-Prix" Zoom Download

dass Lewis Hamilton den Grand Prix von Kanada gewinnt und Nico Rosberg Zweiter wird, dass auf einer Highspeed-Strecke sieben Mercedes-Motoren in den Top 10 landen, das kam alles nicht unerwartet. Und dass in Montreal eine klasse Atmosphäre herrscht, das ist auch seit Jahren bekannt und war vor zwei Wochen nicht anders. Was aber sehr wohl überraschend war: dass das Safety-Car nicht zum Einsatz kam. Das gibt's zwischen den Betonmauern des Circuit Gilles Villeneuve selten.

Am Sonntagabend fand in Montreal noch die Code-20-Party statt, aber viele Fahrer können dort nicht gewesen sein. Ich habe jedenfalls einige am Flughafen getroffen, unter anderem beide Nicos. Nico Hülkenberg war voller Tatendrang und sagte zu mir: "Nächste Woche muss ich mein dickes Ding fahren!" Damit meinte er seinen Porsche 919 Hybrid. Der ist wirklich ein "dickes Ding", bringt es bei 870 Kilo Gewicht auf rund 1.000 PS Gesamtleistung. Sein Force India ist 702 Kilo schwer, dem Mercedes-Formel-1-Motor sagt man 850 PS nach. "Dickes Ding" also, kann ich nachvollziehen.

Le Mans und Allgäu Classics

Ich habe versucht, Le Mans so gut es geht zu verfolgen. Ich war nach Kanada zunächst Golfen, bei einem Charity-Turnier im Rahmen der Allgäu Classics. Da habe ich über meinem Handicap gespielt, das ich besser nicht verrate - aber ist ja auch völlig egal, war für den guten Zweck. Und dann bin ich die Allgäu Classics gefahren, mit einem wunderschönen Mercedes 300 SL Roadster in Silber und Rot. Am Rande der Veranstaltung habe ich immer wieder den Le-Mans-Ticker von Motorsport-Total.com verfolgt, mir kurz einen Fernseher gesucht oder mit Frau Abt gequatscht, deren Sohn Daniel beim 24-Stunden-Rennen am Start war.

Nico Hülkenberg kommt jetzt also als Le-Mans-Sieger zum Grand Prix von Österreich. Ich glaube, da wird die Überwältigung noch sehr groß sein, da gibt es im Kopf einen Schub an Motivation. Er hatte bisher ein schwieriges Jahr, aber ich glaube, das wird ihn jetzt beflügeln. Die Umstellung vom Porsche auf den Force India wird ihm nicht schwer fallen. Natürlich muss er mit den unterschiedlichen Leistungen und Techniken arbeiten, aber das hat ein Rennfahrer sehr schnell raus.

Klar ist es mental auch schwierig, von einem Siegerauto in den Force India umzusteigen, aber insgesamt verschafft ihm Le Mans sicher mehr positive als negative Energie. So ein Sieg beflügelt - gerade in Le Mans, denn dort gewinnt man in einem Rennfahrerleben nur sehr, sehr selten. Es gehört auch Glück dazu, denn sie haben ja alle Testfahrten, alle Qualifyings, alle Trainingssitzungen ohne irgendeinen Kratzer am Auto überstanden. Das ist wirklich aller Ehren wert.

Für mich geht's jetzt erst malweiter nach Österreich, dieses Jahr (wo wir kein Rennen in Deutschland haben) so etwas wie mein gefühlter Heim-Grand-Prix. Spa ist auch noch ähnlich nahe, aber in Österreich ist sogar die Sprache verbindend. Davor nehme ich noch eine Veranstaltung von IWC und Mercedes-Benz mit, bei der Nico Rosberg und ich mit historischen Fahrzeugen vom Mercedes-Museum in Stuttgart aus zu IWC nach Schaffhausen fahren.

Zwischen Kaiserschmarrn und Dirndl

Am Red-Bull-Ring selbst bin ich auf einer Alm untergebracht, etwa eine halbe Stunde von der Strecke entfernt. Das nimmt man gern in Kauf, wenn man dann abends in so einer schönen gemütlichen Bauernhütte sitzen kann, was zu dem Ländlichen dort sehr gut passt. Ich finde es toll, gemütlich zusammenzusitzen und was Deftiges zu essen, bei gastfreundlichen Menschen und in einer wunderschönen Gegend.

Man kann in und rund um Spielberg wirklich gut essen, Kaiserschmarrn oder Gerichte mit dem berühmten steirischen Kürbiskernöl, dazu einen tollen Weißwein aus der Region. Es gibt wunderschöne Lokale, nur mit Party machen ist's etwas mau. Direkt an der Rennstrecke gibt es eine Disko, die "Burg", aber da war ich erst einmal, noch zu meiner DTM-Zeit. Alles andere spielt sich in den schönen Hotels ab. Man ist dort sehr familiär unterwegs, sehr gruppenbezogen. Man genießt die schönen Seiten der Steiermark. Dazu gehören im Übrigen auch fesche Mädels im typischen Dirndl... ;-)


Fotostrecke: FIA-Fast-Facts Spielberg

2014 war Österreich für mich der herausragende Grand Prix, was die Organisation und das Rahmenprogramm angeht. Es war eine geniale Kulisse, die Legendenparade hat die Fans begeistert, es wurde für jeden was geboten. Man merkt das auch daran, dass ich noch nie so viele Likes auf meiner Facebook-Seite hatte wie vergangenes Jahr in Spielberg. Der Grand Prix hat auch genau das Harmonische und Herzliche in der Region ausgedrückt. Ich hoffe, dass es dieses Jahr genauso wird.

Ich kenne Spielberg noch von den ganzen frühen Anfängen, als es noch Österreichring hieß. Ich bin dort Klubsportrennen gefahren im Jahr 1990 mit meinem Vater zusammen, auf dem alten Ring, wie er ursprünglich mal war. Dass war schon noch einmal eine Stufe anders zu der jetzigen Strecke. Die alte Streckenführung existiert noch, aber gefahren wird sie nicht mehr, weil der hintere Teil komplett weg ist.

Alle Höhen und Tiefen eines Rennfahrers erlebt

Der Red-Bull-Ring ist zwar jetzt relativ einfach, wenn man sich mal die Kurven anschaut, aber es gibt immer tolle Rennen dort und das Besondere ist irgendwo geblieben. Ich bin dort auch FIA-GT-WM, Porsche-Supercup und DTM, eigentlich alle Rennserien gefahren. Vom Österreichring über den A1-Ring zum Red-Bull-Ring habe ich dabei alle Namen mit durchgemacht - und fast alles erlebt, was man als Rennfahrer auf einer Rennstrecke erleben kann.

1997 habe ich gemeinsam mit Klaus Ludwig und Bernd Schneider das Rennen zur FIA-GT-WM gewonnen. Dafür 1998, in der gleichen Rennserie, ein Tiefpunkt: Ich liege an vierter Stelle, komme an die Box, neue Schlappen drauf, fahre weg, bremse - und denke: "Sch..., geht nicht!" Die Reifen waren noch zu kalt und ich bin geradeaus in die Boxenmauer gecrasht. Vorne war der Querlenker richtig krumm und ich musste das Auto abstellen.

Das war einer der Tiefpunkte in meiner Karriere, so was braucht man gar nicht. Es war ähnlich wie bei Felipe Nasr in Kanada. Ich kann das verstehen. Ein Rennfahrer denkt sich: "Sch..., wie kann mir so was passieren?" Aber es ist schon vielen anderen passiert. Sogar David Coulthard in der Boxeneinfahrt in Adelaide. Auf dem Red-Bull-Ring habe ich wirklich schon alles durchgemacht und ich habe noch alles genau in Erinnerung. Aber über die Tiefen bin ich heute hinweg.

Ich erinnere mich an eine Geschichte aus dem Jahr 1997, nach unserem FIA-GT-Sieg. Bernd Schneider und ich sind damals zusammen nach Hause gefahren, ich hinter ihm her. Keine zehn Kilometer von der Rennstrecke wurden wir wegen Geschwindigkeitsübertretung angehalten. Kann sein, dass wir den Speed unseres CLK GTR noch im Blut hatten; jedenfalls waren wir zu schnell. Soweit ich mich erinnere: völlig unabsichtlich ;-) Wir haben noch versucht, die Polizei um Nachsicht zu bitten, weil wir gerade auf dem A1-Ring gewonnen hatten, aber da war nichts zu machen. Was auch gut so ist! Jedenfalls haben wir dann glaube ich 110 Mark Strafe gezahlt.

Ähnliche Stärken wichtig wie in Montreal

Aber zurück zur Formel 1 2015. Von der Streckencharakteristik geht Spielberg in die gleiche Richtung wie Kanada. Man liegt von der geographischen Lage her etwas höher. Die Leistung der Fahrzeuge wird dadurch reduziert sein, aber das gilt für alle. Ich glaube, dass Spielberg wie in Montreal eine sehr stark Mercedes-dominierte Strecke sein wird. Dort waren ja phasenweise alle acht Mercedes-Motoren in den Top 10.

Ich tippe einfach mal, dass die Pole-Position wieder an die zwei Helden von Mercedes geht, weil deren Performance einfach unschlagbar ist. Da muss schon ein grober Fehler passieren, dass da mal etwas nicht funktioniert. Williams kann dort auch eine Rolle spielen. Aber man darf nicht vergessen, dass Sebastian Vettel in Kanada Probleme hatte und im Rennen eine super Aufholjagd zeigen konnte. Der könnte in Österreich sicherlich auf den Plätzen drei, vier, fünf noch eine Rolle spielen. Aber sonst wird's schwierig.

Übrigens, und das möchte ich abschließend noch erzählen, habe ich seit vergangenem Samstag einen weiteren Eintrag ins Guinnessbuch. Ich habe einen neuen Weltrekord aufgestellt, mit der größten Seifenkiste der Welt über eine Distanz von 400 Metern. Jetzt bin ich schon zweimal im Guinnessbuch der Weltrekorde eingetragen - mit dem Geschwindigkeitsrekord über 100.000 Meilen* und jetzt mit der größten Seifenkiste, vier mal acht Meter.

Matthias Dolderer, der Red-Bull-Air-Race-Pilot, war mein Bremser. Das war ein großer Spaß und auch alles für einen guten Zweck. Die ganzen Einnahmen wurden für einen guten Zweck gespendet. Wir hatten viele Zuschauer in der Nähe von Oberstdorf und es war ein tolles Erlebnis am Rande der Allgäu Classics. Und jetzt heißt's: Servus, Österreich!

Euer
Bernd Mayländer

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*Auf dem Hochgeschwindigkeitskurs im texanischen Laredo absolvieren drei Serienmodelle des Mercedes E 320 CDI im April 2005 störungsfrei eine 30-tägige Rekordfahrt über 100.000 Meilen. Spektakulär ist die Durchschnittsgeschwindigkeit von 224,8 km/h über die gesamte Distanz. Bernd Mayländer war einer von sechs Fahrern.

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