Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat
Der arme Peter Sauber: Der Schweizer ist beim Debakel seiner Mannschaft im Grand Prix von Österreich live vor Ort - Gesunde Nachtruhe sieht sicherlich anders aus
(Motorsport-Total.com) - Liebe Formel-1-Freunde,
es wird einige aus dem Grand-Prix-Fahrerlager geben, denen heute Morgen der Schädel etwas brummt - aus unterschiedlichen Gründen. Das Wochenende in Spielberg mit der umjubelten Rückkehr der Szene nach Österreich war eine gelungene Party, den Organisatoren gebührt ein großes Kompliment. Vor allem auch der Mannschaft von Williams, die den Silberpfeilen endlich mal etwas Feuer unter dem Hintern machen konnte. Da gab es sicherlich den einen oder anderen Martini - zumindest waren viele im Williams-Lager gerührt.
Bei aller Freude in der Traditionstruppe aus Grove sind wir genau dort auch schon beim ersten Kandidaten, der für unser "Schlechtschläfer-Ranking" am Montagmorgen nach einem Grand Prix in Betracht kommt: Felipe Massa. Der Brasilianer holte sich am Samstag in toller Manier die Pole, aber am Sonntag fährt ihm der junge Teamkollege Valtteri Bottas ganz locker vor die Nase. "Ich freue mich für das Team", sagte Massa nach Platz vier zwar, aber tief in ihm drin nagte die Niederlage ganz bestimmt.
Felipe Massa ist allerdings nicht derjenige, der nach meiner Meinung die schlechteste Nacht hinter sich hat. Auch nicht die Verantwortlichen von Red Bull, die beim Heimspiel bitter hinterherfuhren. Auch nicht Sebastian Vettel, dessen RB10 am Sonntag so rund lief wie mein alter Benzin-Rasenmäher beim ersten Anlassen nach einem langen Winter. Ich denke, dass Peter Sauber einiges mitgenommen hat, das ihn mindestens eine Nacht lang gequält hat - wenn diese Sorgen nicht sogar noch viel länger anhalten.
Der arme Peter Sauber
Im zarten Alter von 70 Jahren wollte sich der Schweizer eigentlich in aller Ruhe die möglichst positive Entwicklung seines Rennstalls - seines Lebenswerks - aus der zweiten Reihe anschauen. Sauber bleibt den meisten Grands Prix mittlerweile fern, schaut sich die Action entspannt im TV an und lässt sich am Montag von der Crew alle Details berichten. In Spielberg war der Unternehmensgründer endlich mal wieder persönlich vor Ort. Was er dort von seiner Mannschaft sah, dürfte ihm gar nicht gefallen haben.
Das Team aus Hinwil hat nach einer starken zweiten Saisonhälfte 2013 offenbar jeglichen Schwung verloren. Mit einem übergewichtigen Auto ging es in die diesjährige Saison, der Ferrari-Antrieb im Heck des C33 ist alles andere als ein Traum und die Leistungen von Neuzugang Adrian Sutil reichen bislang bei Weitem nicht an das heran, was Nico Hülkenberg im Vorjahr für das Team realisierte. Jener Hülkenberg liegt nach seiner Rückkehr zu Force India nur einen Zähler hinter Weltmeister Sebastian Vettel. Sauber liegt hinter Marussia punktgleich mit Caterham am Ende der WM-Tabelle.
Bei Sauber läuft es seit Wochen so schlecht wie bei der Schweizer "Nati" in der ersten Halbzeit gegen Nachbar Frankreich. Die Updates für den mäßigen C33 kommen schleppend und schlagen meist nicht ein. Und das Team macht Fehler, die - sorry für die Wortwahl - zumindest in Österreich schnell mal der Kategorie Comedy zugewiesen werden könnten. Nur leider ist das Gesamtszenario im Rennstall von Peter Sauber überhaupt nicht lustig - da fällt der Genuss der wohlverdienten Zigarre schwer.
Vor den Augen des Chefs leistete sich Sauber am Spielberg-Wochenende unglaubliche Schnitzer. Im Freien Training technische Probleme, im Qualifying Patzer des Herrn Sutil und im Rennen einen unfassbaren Fauxpas. Beim ersten Boxenstopp von Esteban Gutierrez wird eine Radmutter nicht richtig befestigt. Der Mexikaner wird losgeschickt und sofort wieder gestoppt - kann passieren, darf aber eigentlich nicht. Das war aber nicht das wirklich Schlimme.
Das Team in gefährlichen Untiefen
Die Aufforderung zum Anhalten ging per Funk auch an Adrian Sutil, der verwirrt von der Ansage viel Zeit und einige Positionen verlor. "Was wir abgeliefert haben, ist nicht zu entschuldigen", sagt Chefingenieur Giampaolo Dall'Ara. "Solche Fehler können wir uns nicht leisten", meint Teamchefin Monisha Kaltenborn. Es hat halt seine Gründe, warum Sauber in diesem Jahr noch ohne Punkte dasteht. Die wenigen Chancen werden einfach nicht genutzt - das erkennt sicherlich auch Peter Sauber.
Die Schweizer sind finanziell bestimmt nicht auf Rosen gebettet. Der 70-jährige Geschäftsmann hat privates Geld in den Betrieb gepumpt, damit sein Lebenswerk weiter gedeihen kann. Die erhoffte Hilfe von russischen Partnern und Sponsoren kam nicht im erwarteten Umfang. Und nun droht ein noch viel heftigerer Rückschlag. Wenn Sauber keine Punkte holt und am Ende des WM-Tableaus bleibt, dann überweist ein gewisser Herr Ecclestone deutlich weniger Geld aus dem Vermarktungstopf. Das Team befindet sich in gefährlichen Untiefen und muss dringend wieder auf Kurs gebracht werden.
Was mag Peter Sauber beim Einschlafen am Sonntagabend mit in die Nacht genommen haben? Sicher Enttäuschung, vielleicht etwas Wut, aber womöglich auch Hoffnung. Die Leistungen in den kommenden Rennen müssen definitiv besser werden - nicht nur sauber, sondern porentief rein!
Daumen drücken für eines der wichtigen Privatteams der Formel 1. Viele Grüße
Roman Wittemeier