Bernd-Mayländer-Kolumne: Endlich wieder Europa
Der große Grand-Prix-Check des Safety-Car-Fahrers: Die Atmosphäre beim Europaauftakt in Barcelona, die wilden Nachwuchsfahrer und der leckere Schinken
(Motorsport-Total.com) - Liebe Formel-1-Fans,
nach vier richtig interessanten und teilweise hoch spannenden Rennen in Übersee sind wir jetzt wieder in Europa unterwegs. Der Grand Prix von Spanien in Barcelona bildet seit vielen Jahren den Auftakt zur zweiten Phase der Saison. Die Teams kennen die Strecke in Katalonien in- und auswendig, die Autos bekommen oft umfangreiche Updates, die Fans in Spanien sind hoch emotional (und oft in Rot gekleidet) und im Paddock herrscht so etwas wie Normalbetrieb.
Bevor ich auf das bevorstehende Rennwochenende in Spanien blicke, möchte ich noch einmal auf China zurückblicken. Ich war ehrlich gesagt hoch erstaunt, wie sich die Formel 1 dort entwickelt hat. Die Tribünen in Schanghai waren in diesem Jahr erheblich besser besetzt als in den Vorjahren. Insgesamt habe ich den Eindruck, als würde der Motorsport jetzt endlich etwas in die Kultur dieses riesigen Landes einziehen und immer mehr Fans generieren. Das ist richtig schön zu sehen.
Auch das Wetter meinte es diesmal richtig gut mit uns. Was findet der Bernd an Regen so toll, werdet ihr euch vielleicht fragen. Aber es ist tatsächlich so: In Schanghai wünsche ich mir immer Regen, damit der Smog aus der Luft gewaschen wird. Das war aufgrund des Wetters in diesem Jahr wirklich mal gar kein Problem. Man konnte tatsächlich mal frei atmen. Schanghai fast als Luftkurort sozusagen. Okay, ist ein wenig übertrieben, aber Smog ist halt nicht so mein Ding.
Viel Spannung in der Formel 1
Auch sportlich gab es interessante Signale in China. Zwar war das Rennen nicht ganz so packend wie jenes in Bahrain, und schon wieder waren die beiden Mercedes vorne, aber es wurde vor allem im Qualifying deutlich, dass die Gegner der Stuttgarter aufschließen. Ferrari hat ordentlich zugelegt und Red Bull ist samstags jetzt schon verdammt nahe dran. Dies alles verspricht viel Spannung für die kommenden Wochen, wo sich an den Autos sicherlich noch einiges tun wird.
Lewis Hamilton hat die vergangenen drei Rennen gewonnen und seinen Teamkollegen Nico Rosberg jeweils auf Platz zwei verwiesen. Ich gehe aber fest davon aus, dass im Mercedes-Stallduell noch längst keine Entscheidung gefallen ist. Immerhin führt Nico die Gesamtwertung bisher noch an. Und in Barcelona kann dieser Zweikampf ganz schnell auch mal anders ausgehen. Ich würde mir jedenfalls sehr wünschen, dass in diesem Duell möglichst lange ordentlich Pfeffer drin bleibt. Das wäre für alle Fans am besten.
Mercedes sehe ich auch am kommenden Wochenende in Barcelona als Favorit, wenngleich ich Ferrari, Red Bull und auch Force India durchaus zutraue, ganz vorne mitzufahren. Mit großen Überraschungen ist aber nicht zu rechnen, denke ich. Klar, vor zwei Jahren hat dort mal ein Pastor Maldonado im Williams quasi aus dem Nichts gewonnen, aber das waren andere Voraussetzungen. Damals wurde das Rennen über die Reifen entscheiden. Die Pneus sind zwar immer noch wichtig, aber Energiestrategien sind heutzutage noch wichtiger. Und da wird es kaum Überraschungen geben.
Bevor es um die Wurst geht: Schinken
Für mich als Fahrer des Safety-Cars in der Formel 1 bringt Barcelona rein statistisch gesehen oft nur wenige Einsätze. Im Schnitt gibt es nur in jedem dritten Grand Prix auf dem Circuit de Catalunya einen Safety-Car-Alarm. Das liegt einerseits daran, dass alle Fahrer und Teams die Strecke und ihre Eigenheiten gut kennen, aber es gibt auch andere wichtige Faktoren, die dort hineinspielen. Der Kurs ist sehr weitläufig, es gibt große Auslaufzonen, sodass kaum mal jemand wirklich irgendwo einschlägt. Nicht vergleichbar mit Monaco, Singapur oder Montreal.
Ein weiterer Faktor sind die Streckenposten in Spanien. Auf dem Kurs in Barcelona finden über das gesamte Jahr sehr viele Rennveranstaltungen statt. Die Streckenposten sind bestens trainiert und sehr, sehr schnell, wenn es um die Wurst geht. Nichts gegen die Marschalls an den Überseestrecken, die sicherlich auch gut ausgebildet sind, aber die Spanier sind halt extrem routiniert. Hinzu kommt, dass sie besonders nett sind, wie ich an jedem Grand-Prix-Sonntag in Barcelona erfahren darf.
Fotostrecke: Triumphe & Tragödien in Spanien
Alles begann am 28. Oktober 1951: In Spanien, das damals unter der Diktatur Francos leidet und von der wirtschaftlichen Prosperität anderer europäischer Staaten weit entfernt ist, wird erstmals ein Grand Prix ausgetragen. Die Wahl fällt auf das beschauliche Örtchen Pedralbes vor den Toren Barcelonas. Das katalanische Dorf, das sonst nur für ein gothisches Kloster bekannt ist, erlebt den ersten WM-Titel Juan Manuel Fangios. Für Alfa Romeo gewinnt er das Saisonfinale und damit auch die Krone gegen Alberto Ascari. Fotostrecke
Die Parkposition meines Safety-Cars ist während der Rennen am Ende der Boxengasse, aber beim Start stehe ich zunächst woanders. Ich warte die Prozedur ab, schaue, ob alle Fahrzeuge sicher und gut durch die ersten beiden Ecken gekommen sind und fahre erst dann auf meine endgültige Position. Diese ungefähr fünf Minuten bis dahin warte ich immer am gleichen Posten ab. Die dortigen Marschalls kenne ich nun schon seit langer, langer Zeit. Es hat sich quasi eine Beziehung entwickelt.
Jedes Jahr, wenn ich dort direkt vor dem Start des Formel-1-Rennens also meine Position beziehe, dann kommen die dortigen Streckenposten und schenken mir ein Stück von dem typischen katalanischen Schinken. Das ist eine echte Spezialität, eine richtige Leckerei. Darauf freue ich mich wirklich jedes Mal. Das mag eine kleine Geste sein, eine minimale Randerscheinung. Für mich drückt dies aber etwas aus, was den Rennsport so toll macht. Es kommen Menschen in komplett unterschiedlichen Funktionen, aber mit der gleichen Leidenschaft an einem Ort zusammen. Man versteht sich sofort, es verbindet irgendwie - super!
Die jungen Wilden in den Formelautos
Wie gesagt: Einsätze mit einem AMG SLS kommen in Barcelona nicht allzu häufig vor. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass mir dort unter der meist angenehmen spanischen Frühlingssonne langweilig wird. Ganz im Gegenteil. Der Job erfordert stets größte Aufmerksamkeit. Mit dem Auftakt der Formel-1-Europasaison haben wir auch wieder unser typisches Rahmenprogramm mit GP2, GP3 und Porsche-Supercup.
Ich bin bei all diesen Serien in Bereitschaft. Samstagnachmittag startet das erste GP2-Rennen, am Sonntagmorgen folgen GP3, nochmal die GP2 und dann der Supercup. Als Höhepunkt folgt dann noch die Formel 1. Das bedeutet für mich, dass ich die ganze Zeit aufmerksam im Fahrzeug sitzen muss. Diese andauernde totale Aufmerksamkeit ist schon anstrengend. Und die teils wilden Jungs in den Nachwuchsformeln tragen häufiger mal dazu bei, dass ich meinem SLS die Sporen geben muss. Langweilig geht anders - ganz ehrlich.
Ich freue mich unheimlich auf das Wochenende in Barcelona. Die Teams haben wieder ihre großen Hospitalities dabei, die Trucks stehen im Fahrerlager, die Fans sind hoch emotional, das Wetter ist meist sehr schön und die Stadt faszinierend. Katalonien hat noch deutlich mehr zu bieten als den leckeren Schinken. Die Stadt ist jung, frisch, pulsierend und kulturell extrem interessant. Und noch ein Vorteil: Ich steige am Donnerstagmorgen in Stuttgart in den Flieger und bin am Sonntag nach dem Rennen schnell wieder daheim. Alles ganz easy. Daher gehört Barcelona zu meinen Favoriten im Kalender.
Viele Grüße und bis bald,
Bernd Mayländer
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