• 21. April 2014 · 11:33 Uhr

Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Unsere Wahl für China fällt auf Red Bulls Nummer-zwei-Fahrer Vettel und den ausgebooteten, aber doch noch erfolgreichen Ex-Ferrari-Teamchef Domenciali

(Motorsport-Total.com) - Liebe Leserinnen und Leser,

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Sebastian Vettel und Stefano Domenicali: Beide haben Grund zum Nachdenken Zoom Download

tropfende Wasserhähne, rauchige Hotelzimmer oder plärrende Kinder: Es ist jeden Montagmorgen nach dem Grand Prix beinahe zum guten Brauch unserer Redakteure geworden, den Titel desjenigen, der letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat, mit schlagkräftigen Argumenten für sich zu proklamieren. Der "Man of the Race" im negativen Sinne muss jedoch auch diesmal aus dem Formel-1-Zirkus kommen.

Nach dem Wochenende in Schanghai, so meine ich, gibt es sogar zwei Protagonisten, die diese Auszeichnung verdienen: Weltmeister Sebastian Vettel und Ex-Ferrari-Teamchef Stefano Domenicali. Zunächst zum Red-Bull-Piloten, der schon am Freitag weit davon entfernt war, zu einem der Gewinner des Fernost-Trips zu avancieren. Zwar präsentierten sich die Österreicher formverbessert, doch ein gewisser Daniel Ricciardo tanzte Vettel bereits im Freien Training auf der Nase herum.

Ist Ricciardo die neue Nummer eins?

Der junge Australier war auf seiner besten Runde fast zwei Zehntelsekunden schneller, was er im Qualifying am Samstag mit einer Fabelzeit im Regen untermauerte. Er nahm dem Platzhirsch mehr als eine halbe Sekunde ab. Eine Petitesse im Vergleich zu dem, was noch folgen sollte. Denn am Sonntag trat Vettel den Gang nach Canossa an. Zwar schaffte er es in der Frühphase des Rennens, den Stallgefährten zu überholen, doch das war erst die Grundlage für eine gewaltige Demütigung.

Der Champion wurde im Funk wie ein Grünschnabel angewiesen, Ricciardo vorbeizulassen. Es machte die Schmach noch schlimmer, dass er sich der Anweisung zunächst widersetzte. Ob es daran lag, dass er das Kommando wirklich nicht verstanden hatte, oder ob es aktive Opposition war, bleibt sein Geheimnis. Überholt hätte der viel schnellere Ricciardo auf jeden Fall. Nach dem Rennen legte der 24-Jährige mit der Spekulation, Vettel habe ihn im Duell um Platz vier vielleicht gar nicht vorbeigelassen, sondern nur einen Fahrfehler begangen, noch einen drauf.

"3:1."Ricciardo führt im Qualifying-Duell
Hinzu kommt, dass das Ganze keine Eintagsfliege war: Im Qualifying-Duell der beiden führt Ricciardo mit 3:1, schon in Bahrain überholte er das Schwesterfahrzeug auf der Strecke. Dass Vettel in der WM-Gesamtwertung noch die Nase vorne hat, ist einzig Ricciardos Pech in Sepang und der Disqualifikation beim Australien-Grand-Prix geschuldet. Ist das Unmögliche also tatsächlich wahr geworden? Ist Ricciardo binnen weniger Wochen zur Nummer eins bei Red Bull avanciert?

Der "neue Webber" ist schneller - und lächelt mehr

Sachte! Fraglos ist der Neuzugang, der seit Jahren vom Brausehersteller gefördert wird, derzeit in besserer Form als Vettel. Aber das gab es schon in der Vergangenheit. Immer, wenn der Deutsche den Boliden noch nicht nach seinen Bedürfnissen feingetunt hatte, war auch Mark Webber auf Augenhöhe. Doch sobald der dunkelblaue Renner maßgeschneidert war, guckte der Kollege in die Röhre. Allerdings stellt sich die Frage, wer bei der Entwicklung in Milton Keynes künftig den Ton angibt. Mit seinen Leistungen hat Ricciardo unter Beweis gestellt, dass es sich lohnt, ihm maßgeschneidertes Material in die Hand zu geben.

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Webber & Ricciardo: Der eine ein smarter Gentleman, der andere ein Strahlemann Zoom Download

Hinzu kommt, dass die Beziehung Red Bulls zu Ricciardo eine andere ist als zu Webber. Das Verhältnis zum Routinier, das immer wieder Kontroversen um eine vermeintliche Benachteiligung gegenüber Vettel getrübt hatten, lässt sich wohl treffend als Hassliebe beschreiben. Für Webber, der oft selbst eine Teamorder schlucken musste, gab es Zuckerbrot und Peitsche. Sein Nachfolger hingegen ist ein Kind des Konzerns und mehr ein Sympathieträger als der smarte, aber eher unnahbare Webber.

Wiederholt sich Geschichte? Schließlich war es 2009 der junge Vettel, der den hoch gewetteten Stallgefährten rechts überholte und irgendwann abhängte. Ich glaube nicht daran. Der Heppenheimer ist abgezockt genug, um sich im internen Duell zu behaupten. Er kennt die Szene, er kennt die Ingenieure und er ist ein Fahrtalent. Er ist hinter den Kulissen ein knallharter Arbeiter und einer, der seine Interessen durchsetzt. Langfristig spricht wenig für Ricciardo - so sehr ich mir auch wünschen würde, dass das Teamduell bei Red Bull genauso spanend wird wie das bei Mercedes.

Domenicali muss zu Hause leiden

Zum anderen Sorgenkind des Wochenendes, das das Rennen in Schanghai nicht vor Ort, sondern vom frühlingshaften Italien aus erlebte: Nachdem wir nach dem Bahrain-Grand-Prix Ferrari-Präsident Luca di Montezemolo nachgesagt haben, er habe wegen der desolaten sportlichen Leistung der Scuderia in der letzten Nacht am schlechtesten geschlafen, so gebührt diese "Ehre" zwei Wochen später meiner Meinung nach Stefano Domenicali. Unter der Woche war der Ferrari-Teamchef - höflich ausgedrückt - gegangen worden und musste im Fernsehen erleben, dass er seinen Job vielleicht hätte retten können.


Fotostrecke: GP China, Highlights 2014

Mit Nachfolger Marco Mattiacci am Ruder bekrabbelte sich Ferrari in Person von Fernando Alonso, der von Rang drei und dem ersten Podestplatz der Saison selbst überrascht war - zumal auf dem als Motorenstrecke verschrieenen International Circuit alle Welt mit einem Totalerfolg für die Mercedes-Fraktion rechnete. Der neue Boss hat dazu bei sechs Tagen im Amt, davon mindestens einer im Flugzeug, logischerweise wenig beigetragen. Alonso selbst ließ anschließend verlauten, dass Fortschritte bis zur Sommerpause Domenicali zu verdanken seien.

Wird aus der Krise ein schwieriges Erbe?

Foto zur News: Wer letzte Nacht am schlechtesten geschlafen hat

Fernando Alonso und Ferrari sind wieder zurück auf dem Podium Zoom Download

Es scheint derzeit wenig realistisch, aber stellen Sie sich vor, Ferrari ist im Juli tatsächlich auf Augenhöhe mit Mercedes. Dann sitzt am Kommandostand der Roten ein kaum Formel-1-erfahrener Manager und Marketing-Experte mit US-amerikanischem Anstrich, der von den italienischen Gazetten ohne einen einzigen Tag in der Königsklasse nach allen Regeln der Kunst zerrissen wurde. Plötzlich bringt Mattiacci keinen frischen Wind mehr, sondern tritt ein schwierigeres Erbe an. Denn Domenicali war - und das zählt in Italien mehr als irgendwo anders auf der Welt - ein Kind der Mythosmarke und sogar laut McLaren-Patron Ron Dennis "ein liebenswerter Kerl".

Zurück zum Geschehen auf der Strecke: Ist Ferrari tatsächlich die zweite Kraft? Ich halte es für vorschnell, das zu behaupten. Hinter den Silberpfeilen rotiert das Karussell. In Australien war McLaren stark, in Malaysia Red Bull, in Bahrain Force India und Williams. Für die anderen ging es jeweils ins Nirgendwo. Die WM könnte so spannend sein, wären da nicht Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Für meine lieben Kollegen heißt das übrigens, dass sie wohl noch weiter warten müssen, bis ihre knarrenden Lattenroste und dröhnenden Baumfällarbeiten ihnen die Hauptrolle dieser Kolumne bescheren. Schließlich werden 2014 noch einige Fahrer und Teamchefs schlecht schlafen.

Einen guten Start in die Woche, Ihr,

Dominik Sharaf

Anzeige Unser Formel-1-Shop bietet Original-Merchandise von Formel-1-Teams und Formel-1-Fahrern - Kappen, Shirts, Modellautos, Helme und vieles mehr
Fotos & Fotostrecken
Foto zur News: Haas-Shakedown 2025 mit dem VF-25 in Silverstone und Sachir
Haas-Shakedown 2025 mit dem VF-25 in Silverstone und Sachir
Sachir (24.2.)
Foto zur News: Erste Fahrbilder der Formel-1-Autos 2025
Erste Fahrbilder der Formel-1-Autos 2025

Foto zur News: Aston-Martin-Shakedown 2025 mit dem AMR25 in Sachir
Aston-Martin-Shakedown 2025 mit dem AMR25 in Sachir

Foto zur News: Red-Bull-Testfahrten 2025 in Jerez
Red-Bull-Testfahrten 2025 in Jerez

Foto zur News: Aston Martin: Alle F1-Autos seit 1991, von Jordan über Force India & Co.
Aston Martin: Alle F1-Autos seit 1991, von Jordan über Force India & Co.
Anzeige Die perfekte Belohnung nach einer schnellen Runde!
Folge Formel1.de
Videos
Foto zur News: Das war der F1-Launch in London 2025!
Das war der F1-Launch in London 2025!
Foto zur News: Die neuen Autos 2025: McLaren & Williams
Die neuen Autos 2025: McLaren & Williams

Foto zur News: Warum Mick 2025 auf dem Podium stehen könnte
Warum Mick 2025 auf dem Podium stehen könnte

Foto zur News: Verstappen Rekord und Karrieren wackeln! | Thesen zur F1 2025
Verstappen Rekord und Karrieren wackeln! | Thesen zur F1 2025
Formel1.de auf Facebook

Werde jetzt Teil der großen Community von Formel1.de auf Facebook, diskutiere mit tausenden Fans über die Formel 1 und bleibe auf dem Laufenden!

 
formel-1-countdown
Anzeige motor1.com