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Kolumne: Eine Karriere zwischen Respekt und Liebe
Anlässlich Michael Schumachers 45. Geburtstages blickt 'Motorsport-Total.com'-Redakteur Dominik Sharaf auf eine unvergleichliche Laufbahn
(Motorsport-Total.com) - Liebe 'Motorsport-Total.com'-Leserinnen und Leser,
wenn ich eine Kolumne schreibe, dann fliegen die Finger meist fix über die Tastatur. Ich kann nicht leugnen, dass ich für dieses Stück länger gebraucht habe als sonst, über so manchen Satz ein zweites oder drittes Mal nachgedacht habe. Ereignisse wie der Unfall Michael Schumachers stimmen nachdenklich und zeigen, dass es im Leben um so viel mehr geht als das, was uns als Motorsport-Fans jeden Sonntag in die Fahrerlager, auf die Tribünen und vor die Fernseher zieht. So bekommt diese Würdigung anlässlich seines 45. Geburtstages eine ganz andere Klangfarbe, als sie sie noch Anfang vergangener Woche gehabt hätte.
Wir alle wissen nicht, welches Bild wir in Zukunft von Schumacher haben werden. Wir wissen nicht, wie das Unglück in den französischen Alpen sein Leben und dessen Umstände verändern wird. Seine unzähligen Rekorde und Erfolge haben Bestand für die Ewigkeit, allerdings werden der Kerpener und seine Fans wohl anders über bloßes Zahlenwerk denken als zuvor. Was sind 91-Grand-Prix-Siege wert, wenn dagegen das eigene Leben steht? Nullkommanichts. Am Ende ist der Umgang mit seinem Schicksal das, was sein Vermächtnis prägen wird, auch außerhalb der Welt des Motorsports.
Vermächtnis Scuderia Ferrari
Ich hoffe inständig, dass Schumacher in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren die Kraft, die Zielstrebigkeit und den Biss hat, der ihn auf der Rennstrecke stets ausgezeichnet hat. Diese Eigenschaften waren es, die ihm im Grand-Prix-Zirkus Anerkennung und Respekt eingebracht haben. Niki Lauda und der "Professor" Alain Prost waren zweifellos Perfektionisten par excellence, aber kein Fahrer arbeitete so akribisch an jedem Detail wie Schumacher. Keiner formte ein Team so nach seinen Vorstellungen wie er Ferrari.
Fotostrecke: Reaktionen auf
Willi Weber (ehemaliger Manager von Michael Schumacher): "Wir können nur beten. Ich bin mit Corinna Schumacher im Austausch. Sein Zustand ist genauso wie beschrieben, aber Michael ist ein Kämpfer. Der wird das durchstehen." (Sky Sport News) Fotostrecke
Schumacher besitzt großes Fahrtalent, was in den ersten WM-Jahren 1994 und 1995 Hauptgrund für seinen Durchbruch war. Aber es sind die anderen Attribute, die ihn zu dem Champion machten, der er war, ist und bleibt. Jeder noch so große Lenkradakrobat wäre wohl an der Aufgabe gescheitert, die Scuderia ab 1996 aus der wohl größten Krise ihres Formel-1-Bestehens herauszuführen. Schumacher nahm sich der Aufgabe an, weil er erkannte, dass sich eine historische Chance bot. In Zeiten des Erfolges lässt sich bei einer Mythosmarke nichts formen. Auf dem Tiefpunkt hingegen schon.
Ferrari ist aus meiner Sicht noch mehr als alle Bestmarken Schumachers größte Leistung und das Monument seiner Karriere. Toll, dass Luca di Montezemolo und die Roten das nicht vergessen haben. Mit ihrem Aufruf zur stillen Andacht vor dem Krankenhaus in Grenoble bewiesen sie, dass hinter dem Selbstbild der Familie aus Maranello mehr steckt als Phrasen.
Respektiert, aber nicht immer geliebt
Man sagt, dass ein Mensch in der Stunde seines größten Triumphes oder seiner größten Niederlage in Erinnerung bleibt. Welcher Moment genau das ist, entscheidet jeder selbst. Für mich ist dieser Schumacher-Augenblick ein und derselbe: Das Saisonfinale des Jahres 1994 in Adelaide. Nein, es war damals nicht der Jubel über die erste deutsche Weltmeister-Krone der Geschichte, der mich den Australien-Grand-Prix nicht vergessen lässt.
Es war die Schattenseite eines damals noch jungen, ungesättigten Erfolgsmenschen, für den der Triumph in diesem Moment über allem anderen stand. Und es war der Großmut eines Gentleman namens Damon Hill, der diese Niederlage erhobenen Hauptes trug.
Immer wieder in seiner Laufbahn war es dieser Ehrgeiz, der Schumacher Anerkennung und Ehrfurcht einbrachte, aber nicht zu "Everbody's Darling" machte. Im Gegenteil: Er wurde immer zum Bumerang. Sei es das Rennen in Jerez 1997 mit dem Rammstoß gegen Jacques Villeneuve oder die Stallregie gegen Rubens Barrichello in Spielberg 2002 - es sind Momentaufnahmen eines Erfolgsmenschen, der sich naturgemäß keine Liebe erarbeitet. Wer aber wiederum geliebt werden will, der muss Schwächen haben. Wie ein James Hunt.
Der Brite wurde neben einer Pop-Ikone ein Champion für die Kinoleinwand und die Nostalgie-Romantiker, nicht für die Geschichtsbücher. Lange war Schumacher der Gegenentwurf zu dieser Sorte Sportler. Doch das sollte sich ändern, weil er eine weitere wichtige Eigenschaft besitzt, die ihn in beruflichen Dingen auszeichnet. Es ist - und das sei nicht im Zusammenhang mit sportlichen Hobbys verstanden - sein Mut zum Risiko. 2010 kam er mit Mercedes in die Formel 1 zurück, weil er es nach vielen Jahren im Geschäft eben doch verknusen? konnte, ein Champion mit Narben zu werden.
Welches Schumacher-Bild wird bleiben?
Der damals 41-Jährige schätzt die Formel 1 nicht wegen des Ruhmes und der Glorie, die sie ihm eingebracht hat. Es ist die Herausforderung, die ihn kitzelt. Er zeigte sich von einer Seite, von der ihn kaum jemand kannte. Entspannt, nach Schlappen scherzend, ein Elder Statesman der Szene. Auch ich war mir vor seinem Comeback sicher, Schumacher würde durch sportliche Misserfolge sein Erbe ruinieren. Aber er polierte es auf. Es kam ein Rennfahrer zum Vorschein, den man nicht nur respektieren, sondern auch lieben konnte.
Welches Bild von Schumacher bei Ihnen auch haften geblieben ist, ob das des knallharten Jungspunds, des verbissenen Perfektionisten oder des gereiften Oldies: Es wird nach seinem 45. Geburtstag ein anderes sein. Ich persönlich hoffe, dass ich in Zukunft genauso über den vielleicht größten Formel-1-Piloten aller Zeiten denke wie ich es zuvor getan habe: Das hieße, dass der Skiunfall sein Leben vielleicht geprägt, aber nicht verändert hätte. Die Kraft, die Prüfung so zu meistern wie jede andere in seiner Karriere, wünsche ich ihm mehr als alles andere zum Geburtstag.
Herzlichst,
Dominik Sharaf