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Kolumne: Danke, "Schumi"!
Der Rekordchampion tritt zurück: Redakteur Stefan Ziegler schreibt über den Abschied von Michael Schumacher, feuchte Augen und über ein Happyend
(Motorsport-Total.com) - Liebe Leser,
© xpb.cc
Michael Schumacher auf dem Treppchen der Formel 1 - niemand siegte öfter als er Zoom Download
erinnert Ihr Euch noch an den 10. September 2006? Ich schon. Als wäre es erst gestern gewesen. Und jetzt ist es wieder passiert: Michael Schumacher hat seinen Rücktritt erklärt. Am Saisonende 2012 wird er seinen Helm an den Nagel hängen. Dieses Mal vermutlich endgültig. Und damit schließt sich für ihn ein Kapitel, das uns allen wahrscheinlich mit gemischten Gefühlen im Gedächtnis bleibt.
So geht es zumindest mir an diesem 4. Oktober 2012. Und ich glaube, ein bisschen Wehmut schwingt bei uns allen mit. Wenn wir zurückdenken, welche Emotionen uns "Schumi" in den vergangenen über zwei Jahrzehnten beschert hat. Schumacher, der Perfektionist, der Regengott, der Erfolgreichste aller Zeiten. Der zuweilen auch über das Limit hinausgeschossen ist. Und dafür viel Kritik eingesteckt hat.
Er, der als siebenmaliger Formel-1-Weltmeister und als Halter (fast) aller relevanten Formel-1-Rekorde gegangen war, um nach einer dreijährigen Rennpause noch einmal zurückzukehren. Mit Mercedes, dem neuen deutschen Werksteam, und dem Silberpfeil. Es hätte ein Formel-1-Märchen werden können, doch ein Happyend blieb Schumacher in seiner "zweiten Karriere" verwehrt.
Dabei hat alles so gut angefangen. Ich weiß zum Beispiel noch sehr genau, wie groß die Euphorie-Welle damals war, als Schumacher im Sommer 2009 als Ersatz für den verletzten Felipe Massa ins Gespräch gebracht wurde. Es war zu schön, um wahr zu sein. "Schumi", der die Formel 1 in meinen Augen zu früh verlassen hatte, wieder im Rennauto? Das musste in die Tat umgesetzt werden!
Die ganze Vorfreude ... - umsonst?
Umso größer die Enttäuschung, als das Comeback nach einigen Testfahrten kurzfristig abgesagt wurde. Doch ich bin davon überzeugt: Schumacher spürte, was auch die Fans spürten. Das Feuer. Die Entschlossenheit. Der Wille, es noch einmal zu probieren. Und dann die Gerüchte, die immer mehr an Fahrt aufnahmen. Bis zur "Bescherung" am 23. Dezember 2009. "Schumi" war zurück.
Und ich total aus dem Häuschen, wie ich ganz offen gestehe. 2006, als Schumacher seine erste Karriere beendet hatte, war ich schließlich noch Student gewesen. Und weit davon entfernt, über das Geschehen im Motorsport zu berichten. Ich war ein Fan, ein glühender Anhänger der Formel 1. Und als ich 2007 zum Redakteur aufstieg, merkte ich erst, dass ich etwas ganz Großes verpasst hatte.
Schumacher fahren zu sehen, das war über so viele Jahre hinweg etwas ganz Besonderes für mich. Ich brauchte es, sehnte es regelrecht herbei. Vor allem in der Winterpause. Ich fieberte hin auf das erste Rennen einer Saison, nur um ihn im ersten Training fahren zu sehen, das Geräusch der Motoren zu hören. Beim Großen Preis von Australien. Zu nachtschlafender Zeit in Deutschland. Als Schüler.
Der Zauber von einst ist weg
Fünf Stunden vor Unterrichtsbeginn. Mit ganz kleinen Augen vor dem Lehrer sitzend. Wie ich diese Freitage liebte! Doch sie waren ganz anders, als ich 2008 meinen Dienst bei 'Motorsport-Total.com' aufnahm. Denn mein Traum, über die Renneinsätze von Schumacher zu schreiben, hatte sich nicht erfüllt. Ich war zu spät gekommen. Bis sich im Winter 2009 die Ereignisse regelrecht überschlugen.
Ich konnte mein Glück kaum fassen. Doch ich merkte alsbald: Etwas stimmte nicht. Der Zauber, die Magie von einst - sie waren weg. Schumacher und ich, das war nicht mehr so wie früher. Und das erste Rennen der Saison 2010 hatte noch nicht einmal stattgefunden. Ich genoss es trotzdem, Texte über den siebenmaligen Weltmeister zu schreiben und hätte gern von weiteren Großtaten berichtet.
Diese blieben aber aus. Und ich gebe unumwunden zu: Das hat mich schwer enttäuscht. "Schumi", der zurückkehrt in die Formel 1, und dort nur hinterherfährt. Dabei hatte er selbst immer betont, dass er aufhören würde, sobald ihm die jüngere Generation über sei. Sie war ihm über. Oder die Formel 1, die sich in der Zeit zwischen 2006 und 2010 doch erheblicher verändert hatte, als er gedacht hatte.
Wie gut ist "Schumi 2.0"?
Was auch immer. Hoffnung keimte in mir auf, als er sich in Barcelona den vierten Platz erkämpfte und erstmals frühere Stärke aufblitzen ließ. Wie 2011 im Rennen von Montreal oder 2012 im Qualifying von Monte Carlo. Da hatte sich bei mir aber längst die Erkenntnis festgesetzt, dass "Schumi 2.0" nicht an die Vorgängerversion herankommen würde. Trotzdem war es mit ihm immer sehr erlebnisreich.
In den Grauzonen des Reglements hat er sich stets sehr wohlgefühlt, ging auf der Strecke meist bis zum Äußersten und auch darüber hinweg. Ich denke da an Szenen wie den beinharten Zweikampf mit Rubens Barrichello in Budapest 2010 oder das aufregende Duell mit Lewis Hamilton in Monza 2011. Es gab aber auch noch einige Episoden, die Zweifel aufwarfen. Vielleicht auch bei "Schumi" selbst.
Das jüngste Beispiel: Der Auffahrunfall in Singapur, bei dem Schumacher ins Heck von Toro-Rosso-Pilot Jean-Eric Vergne donnerte und in einer ersten Stellungnahme von Technikversagen sprach. Um dann im zweiten Schritt zurückzurudern und sich einzugestehen, einen Fehler gemacht zu haben. Typisch "Schumi". Das hat er sich halt bewahrt. Auch wenn er insgesamt einsichtiger geworden ist.
Der Diplomat im Silberpfeil
Fehler zugeben, war nie seine große Stärke gewesen. Immerhin bewies er in seiner "zweiten Karriere" aber eine beeindruckende Gelassenheit. Manchmal sogar zu viel davon, finde ich. Drei Jahre in einem selten flotten Silberpfeil, nur wenige Lichtblicke und lediglich ein Podestplatz. Keine Pole-Positions, keine Siege, von Titeln ganz zu schweigen - aber auch keine dicke Luft im Mercedes-Werksteam.
Ganz ehrlich: Ich hätte erwartet, dass Schumacher mal auf den Tisch haut und sagt, was Sache ist. Nämlich, dass ihm sein Rennstall das versprochene Siegerauto wieder einmal nicht hingestellt hat. Dass er sich das Ganze so nicht vorgestellt hatte. Dass er eigentlich nicht um eine Handvoll Punkte, sondern um den Gesamtsieg kämpfen wollte. Dass er sich insgesamt mehr davon versprochen hatte.
Das hat er nicht gemacht. Schumacher zeigte sich diplomatisch, sprach stets von Grundlagenarbeit für die Zukunft, anfangs sogar noch von "Entrostung", oft von den schwierigen Pirelli-Reifen. Um dann am 28. September 2012 von den Ereignissen überholt zu werden. Hamilton kommt, Schumacher geht. Ein Abschied, den man auch hätte eleganter lösen können. Passt aber irgendwie zum Geschehen.
Schumacher unterhält die Massen
Denn es hätte so schön sein können, doch es sollte wohl einfach nicht sein. Schade. Wenn ihm wenigstens noch ein weiterer Sieg gelungen wäre. Direkt danach zurückzutreten, so hatte ich mir das eigentlich vorgestellt, vielleicht sogar für ihn gewünscht. Danach sieht es nun aber nicht mehr aus. Als klare Niederlage würde ich die "zweite Karriere" Schumachers jedoch trotzdem nicht bezeichnen.
Ich glaube, die Formel 1 hat noch einmal massiv von ihm profitiert. Wer ihn früher mochte (so wie ich), freute sich über weitere Rennen mit "Schumi". Wer ihn früher nicht mochte, wollte sehen, wie er bei seiner Rückkehr zu einer neuen Siegesserie ansetzt oder wie er scheitert. Und jeder hat bekommen, was er sich davon versprochen hat. Nur Schumacher selbst nicht, denn er blieb seit 2010 sieglos.
Die Formel 1 ist der eigentliche Sieger, denn 2012, in der vermutlich letzten Formel-1-Saison des erfolgreichsten Fahrers aller Zeiten, fuhren nicht weniger als sechs Formel-1-Weltmeister. Fernando Alonso, Jenson Button, Lewis Hamilton, Kimi Räikkönen und Sebastian Vettel - sie alle konnten sich mit dem Rekordchampion messen. Und wenn wir ehrlich sind: Genau das wollten wir doch sehen.
Das letzte Kapitel einer Erfolgsstory
Was ich noch sehe, wenn ich über den bevorstehenden und wahrscheinlich endgültigen Rücktritt Schumachers nachdenke: viele schöne Augenblicke aus rund 20 Jahren. die WM-Triumphe mit Benetton und Ferrari, die Jubelsprünge auf dem Podest, die spannenden Duelle am Limit, die spektakulären und auch haarsträubenden Manöver. Und natürlich den Unfall in Silverstone 1999.
Danach hätte alles vorbei sein können. Eine Karriere, zu Ende nach zwei WM-Titeln und einem Beinbruch. Doch "Schumi" verpasste nur sechs Rennen. Um dann eine Erfolgsstory zu schreiben, wie sie die Formel 1 zuvor noch nicht gesehen hatte. Mit mehreren Kapiteln. Und jetzt schließt sich das letzte davon. Und ich frage mich ernsthaft, warum mich das nicht so traurig stimmt wie 2006.
Und da ist er wieder, dieser 10. September, der diesem 4. Oktober so ähnlich ist, sich aber auch so sehr von ihm unterscheidet. Keine feuchten Augen dieses Mal. Ein bisschen Enttäuschung vielleicht. Vor allem aber die Gewissheit, dass etwas ganz Großes zu Ende geht. Bald. Und genau deshalb werde ich die letzten Formel-1-Rennen von Michael Schumacher noch einmal so richtig genießen!
Beste Grüße & danke, "Schumi", für diese tolle Zeit!
Euer
Stefan Ziegler
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