Sutil-Kolumne: Meine Tricks für Singapur
Force-India-Pilot Adrian Sutil über die Besonderheiten des Nachtrennens in Singapur, die mäßige Vorfreude auf Südkorea und sein Duell mit Michael Schumacher
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In Singapur zeitlich im Europarhythmus zu bleiben, ist gar nicht so einfach... Zoom Download
die Europasaison ist vorbei - Zeit für eine kleine Zwischenbilanz. Ich bin derzeit WM-Zehnter und habe im Schnitt pro Rennen mehr als drei Punkte geholt. Damit kann ich zufrieden sein. Ich hatte schon vor der Saison ein gutes Gefühl, dass das Auto gut funktioniert, aber letztendlich komme ich von ziemlich weit hinten. Wenn mir also einer vor Saisonbeginn WM-Platz zehn angeboten hätte, dann hätte ich das wahrscheinlich angenommen. Das ist ja durchaus eine schwierige Aufgabe.
Zudem liege ich in der Fahrer-WM nur einen Punkt hinter Michael. Michael Schumacher - das ist halt die Riesenstory. Klar, er ist eine Koryphäe in der Formel 1. Was er geschafft hat, hat keiner geschafft, so gesehen kann man nicht sagen, dass er ein Fahrer wie jeder andere ist. Aber auf der Rennstrecke kommt mir das nicht in den Kopf, wie oft er Weltmeister war.
WM-Platz neun ist das Maximum
Der Punkt ist eher der: Weiter nach vor als auf Michaels neunten Platz kann es für mich in der WM nicht mehr gehen - und das ist der spezielle Anreiz. Derzeit ist er wie geschrieben einen Punkt vor mir. Ich will immer das Maximale rausholen und Platz neun ist im Moment das Maximum, denn die anderen sind zu weit weg - um da den Anschluss noch zu kriegen, müsste noch etwas Besonderes passieren. Also konzentriere ich mich auf Platz neun, den derzeit eben Michael hält.
Aber schauen wir nach vorne. Nach den eher kurzen Strecken in Europa geht es jetzt nach Übersee. Ich komme erst am Mittwoch in Singapur an. In den vergangenen Jahren bin ich immer dienstags angereist, habe mich diesmal aber dagegen entschieden, weil man sich eh an keine Zeitumstellung gewöhnen muss. Man lebt in Singapur wegen des veränderten Zeitplans nach Europazeit. Dadurch geht man sehr spät - gegen 4:00 oder 5:00 Uhr morgens - ins Bett und schläft dann bis 12:00 oder 13:00 Uhr. Dann steht man auf und geht an die Strecke.
Das ist ein bisschen komisch, weil sich der Körper automatisch ans Klima gewöhnt und genau spürt, dass um 9:00 Uhr der Tag anbricht. Daher habe ich rausgefunden, dass ich in Singapur immer ein bisschen müder bin als bei anderen Rennen, aber dieses Problem haben alle. Außerdem ist es eine Herausforderung, etwas Neues, auf das man sich top vorbereiten muss, um das Maximale rauszuholen.
Manche wenden den Trick an, dass sie ihre Armbanduhr gar nicht umstellen, um im europäischen Rhythmus zu bleiben, aber ich mache das schon. Sonst läufst du Gefahr, mit den Terminen durcheinander zu kommen und im schlimmsten Fall eine Session zu verpassen. Das wäre natürlich verheerend. Man könnte theoretisch zwei Armbanduhren tragen, aber ich halte das für übertrieben - man kann ja auch rechnen!
Sehr wohl wichtig ist aber, das Zimmer komplett abzudunkeln, um nicht am frühen Morgen von der Sonne geweckt zu werden. Ein paar Sonnenstrahlen kommen ja immer durch, aber ich hatte damit bisher kein Problem. Man ist dann ja so müde, dass man automatisch bis mittags schläft. Und Mittagessen gibt's zwischen den Sessions am Freitag, vor dem Qualifying und vor dem Rennen, genau wie in Europa.
Endlich mal Zeit für's Nachtleben
Das Gute ist: Man kann mit gutem Gewissen auf eine Party gehen! Ich hab' das mal an einem Mittwoch gemacht, sonst natürlich nicht. Aber da bietet es sich schon an, das Nachtleben ein bisschen auszukundschaften. Während des Wochenendes geht das natürlich nicht. Da sieht man dann im Hotel die ganzen Partygäste zurückkommen, was manchmal ganz witzig ist - selbst kommt man von der Arbeit zurück, die anderen von der Party! Jedenfalls darf man es nicht übertreiben.
Das Flutlicht ist wirklich perfekt, da haben sie gute Arbeit geleistet. Natürlich merkt man, dass es Nacht ist, aber es beeinträchtigt uns nicht beim Fahren. Besonders schön ist die Atmosphäre beim Circuit-Walk am Donnerstag. Wir gehen bei Sonnenuntergang los - und die Kulisse ist wirklich unglaublich!
Singapur ist mit den Hochhäusern eine wunderschöne Stadt, besonders im Abendrot. Die Bilder, die man im TV sieht, sind in Wirklichkeit noch außergewöhnlicher. Das ist einfach was anderes als sonst. Und die Stimmung zum Beispiel bei der Fahrerparade ist auch immer gut, weil viele Fans aus dem Ausland und aus Europa kommen. Jeder kommt hin, weil es ein spezielles Rennen ist. Da ist die ganze Welt vertreten - bisher übrigens auch immer meine japanische Stalkerin!
Sportlich gesehen hoffe ich auf ein problemloses Rennen. 2009 hatte ich den Tiefschlag der Kollision mit Nick, der ja diesmal auch wieder dabei ist - was mich übrigens sehr für ihn freut, weil ich ihn für einen guten Fahrer halte, der es verdient, in der Formel 1 zu sein. Für mich sind diesmal hoffentlich ein paar Punkte drin - das ist immer das Ziel. 2008 und 2009 war ich nicht im Ziel, aber aller guten Dinge sind drei!
Die fahrerisch schwierigste Stelle in Singapur ist diese enge Schikane mit den hohen Curbs, Kurve zehn, direkt nach der Saint-Andrews-Road. Da will man immer noch schneller drüberfahren, aber irgendwann ist es zu schnell, wenn das Auto springt und Haftung verliert. Am Ausgang sind dort schon oft Fahrer in die Bande gekracht, 2008 zum Beispiel Kimi. Die Passage ist ein bisschen Micky-Maus, hat es aber in sich und ist sehr schwierig.
Vorfreude auf Südkorea hält sich in Grenzen
Nach Singapur kommt dann Südkorea. Ich habe mich gerade diese Woche im Simulator darauf vorbereitet, habe außerdem das Layout gesehen und ein Onboard-Video auf YouTube. Lassen wir uns überraschen! Karun Chandhok ist mit dem Red Bull schon ein paar Runden dort gefahren, wenn auch nur zu Demozwecken. Aber ein kleiner Vorteil ist das.
Sie können zumindest die richtige Getriebeübersetzung einstellen - das spart vielleicht einen Run am Freitagmorgen. Jede Runde ist hilfreich, was Fahrzeughöhe und Übersetzung angeht. Mit diesen Infos kann man dann auch Vergleiche zu anderen Strecken ziehen, um das Setup anzupassen. Schaden kann das jedenfalls nicht.
Die Strecke liegt sehr weit weg von Seoul und es ist auch keine Großstadt in der Nähe, also kann man bis auf das Rennfahren nicht viel machen. Rennstrecke und Hotel, that's it. Wahrscheinlich werden deshalb auch nicht ganz so viele Fans kommen.
Im Sommer habe ich mitbekommen, dass es politische Spannungen zwischen Süd- und Nordkorea gegeben hat. Ich hoffe natürlich, dass man da kein Risiko angeht, falls es Probleme im Land geben sollte. Da vertraue ich der Formel 1, denn ich glaube nicht, dass sie jemanden in ein Krisengebiet schicken würden, nur um dort ein Rennen zu fahren.
Das sollte schon alles sicher sein, aber man hört natürlich nie gern von solchen politischen Konflikten. Nicht nur deswegen, aber auch aus anderen Gründen - etwa die nicht vorhandene Infrastruktur - habe ich noch von keinem gehört, dass er sich besonders auf Südkorea freut. Keiner weiß genau, was auf einen zukommt...
Euer
Adrian Sutil