F2-Titelkandidat Isack Hadjar: Chancen auf Formel-1-Cockpit "stehen gut"
Isack Hadjar möchte den Formel-2-Titel holen und den Sprung in die Formel 1 schaffen - Der 20-Jährige glaubt, gute Chancen auf ein Cockpit zu haben
(Motorsport-Total.com) - Die Formel 2 bildet zahlreiche Talente aus, die alle nur ein Ziel haben: es in die Formel 1 zu schaffen. Während der aktuelle Gesamtführende der Nachwuchsmeisterschaft, Gabriel Bortoleto bereits bei Sauber ein Cockpit ergattert hat, steht sein engster Verfolger, Isack Hadjar leer da. Der Algerier, der auch den französischen Pass hat, ist aber gute Dinge, es in die Königsklasse zu schaffen. Dafür braucht der 20-Jährige aber wohl ein wenig Geduld.
Frage: "Wie finden Sie es, als Ersatzfahrer in der Garage zu sein und zuzuhören und sich all die Daten anzusehen? Macht Ihnen das Spaß?"
Hadjar: "Das ist definitiv etwas, das mir Spaß macht. Wirklich die Erfahrung von innen zu machen, ist großartig. Aber man will das Auto fahren, also ist es auch frustrierend. Aber ja, ich könnte jederzeit ins Auto steigen müssen, wenn etwas passiert. Schau dir zum Beispiel Ollie [Bearman] an. Es kann also auch mir passieren. Aber ja, ich muss bereit sein, jederzeit einzuspringen."
Frage: "Ist es schwierig, zu wissen, dass man wahrscheinlich nicht fahren wird, aber bereit sein muss? Man muss alles so machen, wie man es normalerweise als Fahrer tun würde."
Hadjar: "Ja, das ist eine wirklich knifflige Situation. Man denkt sich leicht: 'Okay, ich muss nicht bei einer Einsatzbesprechung helfen oder ich werde nicht fahren', aber in Wirklichkeit kann es jederzeit passieren. Ich versuche also, morgens beim Aufwachen daran zu denken, dass ich fahren könnte, und nicht zu sagen: 'Ja, dem Fahrer wird nichts passieren, also bleibe ich in der Garage, und alles wird gut.' Ich versuche also, alles ernst zu nehmen."
Formel 2 und Formel 1 völlig unterschiedlich
Frage: "Wie viel lernen Sie, das Sie dann in der Formel 2 anwenden können, oder ist es ganz anders?"
Hadjar: "Ja, es ist ziemlich anders. Ich würde sagen, die Formel 2 ist eher hilfreich für die Formel 1, aber sie ist definitiv etwas zu unterschiedlich. Ich muss sagen, dass ich nach zwei Jahren das Beste aus der Formel 2 gemacht habe, also weiß ich ziemlich genau, was da los ist. Aber jetzt geht es mehr um die Vorbereitung auf die Zukunft als um alles andere."
Frage: "Thema Formel 2: Sie sind bis Spa natürlich super ausgesehen, haben ein Hauptrennen gewonnen, dann kamen zwei schwierige Wochenenden. Ist diese Pause nützlich, um sozusagen einen Neustart zu machen?"
Hadjar: "Ich meine, wenn man zwei schwierige Wochenenden hatte, möchte man nicht wirklich in die Pause gehen, das ist nicht wirklich das, was man will. Es ist also überhaupt keine ideale Situation. Wir hatten bisher eine wirklich harte Saison mit zu vielen Rückschlägen und mechanischen Ausfällen."
"Wenn ich auf meine Meisterschaft zurückblicke, hatte ich das Gefühl, dass wir jedes Mal, wenn wir ein gutes Wochenende hatten, am Sonntag auf dem Podium standen oder sogar siegten. Deshalb bin ich mit meiner Leistung sehr zufrieden. Ich habe immer das Beste aus mir herausgeholt, und so habe ich am Sonntag auch meine Punkte geholt."
Neues Teams, neues Glück
Frage: "Das vergangene Jahr war natürlich ziemlich schwierig. Wie viel haben Sie daraus gelernt? Man sagt immer, dass man aus schwierigen Zeiten viel mehr lernt als aus guten. Inwieweit traf das auf Ihr Formel-2-Debüt zu?"
Hadjar: "Es gibt natürlich Unterschiede zwischen den Teams. Ich habe festgestellt, dass ich viel lieber mit Campos zusammenarbeite als damals mit Hitech. Ich hatte eine großartige Saison in der Formel 3 [mit Hitech], das sind wirklich gute Erinnerungen."
"Aber als ich dann in die Formel 2 kam und mit anderen Leuten zusammenarbeitete, passte es überhaupt nicht und ich hatte das ganze Jahr über Probleme. Manchmal war ich schnell. Aber ich muss sagen, dass ich eine viel, viel bessere Saison hätte haben können. Ich habe ziemlich viele Fehler gemacht."
"Ich würde also sagen, dass ich mich sehr verbessert habe, was die Maximierung der Ergebnisse, die Maximierung des Potenzials und die Reduzierung der Fehler angeht. Und dann war natürlich das Gesamtpaket viel besser."
Red Bull glaubte an dem Youngster
Frage: "Wie schwierig war das? Denn Red Bull hat natürlich gewisse Erwartungen, es gibt immer Druck. Hatten Sie vergangenes Jahr Angst, dass etwas schiefgehen könnte?"
Hadjar: "Ja, man weiß ja, was los ist. Ich war einfach sehr glücklich und fühlte mich in einer privilegierten Position, weil sie mir vertrauten, meinen Fähigkeiten vertrauten, obwohl es eine schreckliche Saison war. Sie wussten, wozu ich fähig war, und dafür bin ich dankbar und denke, dass sie Recht hatten. Dass ich in der zweiten Saison zurückkam, zu Campos ging und ablieferte, darüber ist Red Bull, glaube ich, sehr glücklich."
Frage: "Und wie war es, mit Helmut Marko und vor allem mit Guillaume Rocquelin zusammenzuarbeiten, der so viel Erfahrung in der Zusammenarbeit mit Vettel und anderen Fahrern hat?"
Hadjar: "Nun, ich meine, ich arbeite nicht wirklich mit Helmut zusammen. Er ist eher mein Chef als alles andere. Aber die Zusammenarbeit mit Rocky ist ... ich bin wirklich glücklich darüber, wie das Programm läuft, wie hilfreich es ist. Er ist auch sehr an technischen Aspekten interessiert und informiert uns Fahrer, um uns zu unterstützen."
"Mir gefällt einfach seine Herangehensweise sehr, und er ist erfahren. Ich weiß, was er tut. Ich arbeite also sehr gerne mit Rocky zusammen, und das schon seit einigen Jahren. Und selbst wenn ich in die Formel 1 komme, denke ich, dass es mir trotzdem nützlich sein wird."
Emotionen am Funk
Frage: "Und wie funktioniert das? Kommt das von Ihnen oder gehen Sie zu ihnen und sagen: 'Hey, ich brauche vielleicht das oder das!'"
Hadjar: "Beides, buchstäblich. Wenn du im Urlaub bist, schicken sie dir trotzdem Hausaufgaben, und während der Saison kann ich bei Fragen, Zweifeln oder wenn ich eine Simulationssitzung planen möchte, vorbeikommen. Wir haben also eine wirklich gute Beziehung. Es ist harte Arbeit, aber es zahlt sich aus."
Frage: "Es wurde ein wenig auf die Funksprüche eingegangen, da Sie manchmal wütend wurden. War das etwas, das angesprochen werden musste?"
Hadjar: "Für mich nicht, ich würde nicht sagen, dass es nötig war. Ich meine, ich weiß, dass ich das ansprechen muss, weil die Leute mich offensichtlich dazu auffordern, und ich denke, das ist nicht gut. Daran habe ich gearbeitet."
"Ich glaube, in der Vergangenheit war es viel schlimmer. In dieser Saison gab es einen Moment in Monaco, als ich in der letzten Runde die Nerven verlor, und das war der Sieg. Aber ich habe mich immer für mein Team eingesetzt. Ich hatte niemals schlechte Gedanken oder Gefühle. Es sind einfach nur sehr starke Emotionen."
Silverstone, ein Glücksmoment
Frage: "Kommen wir zur Formel 1. Das erste Freie Training in Silverstone war sicher ein fantastischer Moment?"
Hadjar: "Ja, es war großartig, aber gleichzeitig auch frustrierend, weil man für die restlichen Trainings und dann das Qualifying im Auto bleiben möchte, aber nach dem ersten Training aufhören muss. Und meine bisherige Erfahrung in der Formel 1 umfasst drei Trainings, also nicht viele Runden."
"Die Zeit im Auto ist immer recht begrenzt, was die Runden angeht. Also hauptsächlich fuhr ich mit viel Benzin und dann gab es vielleicht noch einen kurzen Leistungslauf am Ende, aber trotzdem war es fantastisch, den RB20 zu fahren. Und es war ein Mega-Erlebnis, in Hochgeschwindigkeitskurven zu fahren, besonders auf einer Strecke wie Silverstone. Und es war auch toll, eine Stunde lang Teamkollege von Max [Verstappen] zu sein."
Frage: "Was ging Ihnen in der ersten Runde in Copse durch den Kopf?"
Hadjar: "Zu viel Grip! Das war das erste, was ich gespürt habe, und es war unglaublich, aber man gewöhnt sich schnell daran. Und dann kann man nie genug Grip haben."
Frage: "Wie hilfreich war die ganze Reserve- und Sim-Arbeit? Wenn man sich Liam Lawson, Ollie und Franco Colapinto ansieht, sie sind sofort eingestiegen und waren sofort auf dem gleichen Niveau, ohne Erfahrung?"
Hadjar: "Ich meine, es gibt keine Erfahrung und null Erfahrung in einem Formel-1-Auto. Ich glaube, wenn ich jetzt in ein Fomrel-1-Auto steigen müsste, wäre es viel schwieriger als für Ollie oder Liam. Wie gesagt, ich glaube, ich kann die Anzahl der Runden, die ich in einem Formel-1-Auto gefahren bin, an einer Hand abzählen."
"Aber dennoch, wenn man über den Simulator spricht, denke ich, dass er das beste Werkzeug ist. Er ist einfach so beeindruckend, abgesehen von der G-Kraft, die man nicht wirklich erleben kann, und das ist der Hauptunterschied. Das Modell und wie nah es am echten Leben ist, ist ziemlich krass. Red Bull hat also einen wirklich guten Simulator, und je mehr Zeit man damit verbringt, desto einfacher wird die Anpassung an die Realität."
Formel-2-Stars kommen
Frage: "Aber es muss auch gut für Sie sein, Leute wie Franco aufsteigen zu sehen. Sie zeigen, dass das Niveau in Formel 2 ziemlich gut ist, oder?"
Hadjar: "Ja, das zeigt, dass unsere Generation gut ist. Denn eine Zeit lang dachten wir, dass Erfahrung das Wichtigste sei, und dann kann man nicht einfach so in die Fomrel 1 einsteigen und den Kerl schlagen, der schon seit zehn Jahren dabei ist, aber in Wirklichkeit kann man das."
"Wenn du schnell bist, bist du schnell. Sie haben uns also einen Gefallen getan, indem sie gezeigt haben, was die Formel 2 für die Formel 1 hervorbringen kann. Ich finde es also großartig, was Franco und Ollie geleistet haben."
Frage: "Offensichtlich wollen Sie in Zukunft in der Formel 1 sein, wie schätzen Sie ihre Chancen ein?"
Hadjar: "Ich würde sagen, meine Chancen stehen zumindest gut. Natürlich liegt es nicht nur an mir. Bei Racing Bulls und Red Bull passiert viel, alles ist möglich. Und natürlich bin ich der nächste in der Reihe. Das ist einfach eine Tatsache. Ich weiß nicht, welche Entscheidungen sie treffen werden, aber hoffentlich bin ich auf jeden Fall hier und versuche, mich auf das nächste Jahr vorzubereiten."
Colapinto als Konkurrent?
Frage: "Sie haben auch ein Auge auf Franco geworfen. Können Sie verstehen, dass sie an ihm interessiert sind, auch wenn er kein Red Bull Junior ist?"
Hadjar: "Ja, ich meine, sie suchen einen Fahrer, der schnell ist, und er beweist, dass er schnell ist. Also, ja, offensichtlich bin ich seit drei Jahren in einem Programm, ich bin Zweiter in der Formel 2, ich bin die Reserve für das Team, also ... so ist es nun mal."
Frage: "Wie wichtig ist in dieser Hinsicht das Wochenende in Abu Dhabi? Formel-2-Entscheidung, Formel-1-Test?"
Hadjar: "Ja, ich freue mich wirklich auf das Ende der Saison, weil ich schon eine Weile nicht mehr gefahren bin. Es wird also toll: Erst das Training in Max' Auto und danach am Dienstag den Rookie-Test. Ich freue mich wirklich darauf, zu versuchen, diese Meisterschaft zu gewinnen und im Formel-1-Auto etwas zu beweisen. Es gibt also viel zu tun in Abu Dhabi."
Frage: "Wie Sie schon sagen, haben Sie noch nicht viele Kilometer in einem Formel-1-Auto hinter sich. Wie bereit fühlen Sie sich und wie viel mehr brauchen sie, um bereit zu sein?"
Hadjar: "Ehrlich gesagt muss ich fair sein: Ich brauche nur einen Tag, an dem ich das Auto fahre und versuche, es bis an seine Grenzen zu bringen. Wenn man alle sechs Monate ein Training absolviert, vergisst man schnell, aber es gibt keine Alternative."
Ziel: die Formel 1
"Man beginnt also, sich zu pushen, und dann ist diese Sitzung plötzlich vorbei. Dann wartet man sechs Monate. Ich bräuchte also nur einen Tag, um zu testen und zu versuchen, die Grenzen eines Formel-1-Autos auszuloten, und dann werde ich mehr sagen können."
Frage: "Wenn es nächstes Jahr nicht klappt und Sie als Ersatzfahrer einspringen müssen, wie es bei Liam der Fall war, wäre das für Sie in Ordnung?"
Hadjar: "Ich meine, für mich wäre das natürlich nicht in Ordnung, weil man ja fahren will. Aber wenn es nicht anders geht, dann werde ich es tun und in die Zukunft blicken."