• 11. April 2021 · 08:19 Uhr

Ferrari-Fahrer Charles Leclerc im Interview über Ziele und Hoffnungen

Ferrari-Pilot Charles Leclerc zählt zu den kommenden Superstars der Formel 1 - Im exklusiven Interview spricht der 23-Jährige über seine Ziele, Hoffnungen und Co.

(Motorsport-Total.com) - Für Charles Leclerc ging es in den vergangenen Jahren steil bergauf. 2016 gewann der Monegasse die GP3-Meisterschaft, 2017 die Formel 2, 2018 stieg er mit Alfa Romeo in die Formel 1 auf, 2019 wechselt er zu Ferrari und holte seine ersten beiden Siege in der Königsklasse. Die Saison 2020 war der erste kleine Dämpfer für den heute 23-Jährigen.

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Charles Leclercs großes Ziel ist der WM-Titel mit Ferrari Zoom Download

In einem nur selten konkurrenzfähigen Ferrari SF1000 kam er nicht über den achten Platz in der WM hinaus. 2021 soll es für Ferrari und damit auch für Leclerc wieder besser laufen, bevor man ab 2022 wieder ganz vorne angreifen möchte. Wir haben mit dem Monegassen im exklusiven Interview über seine Ziele und Hoffnungen gesprochen.

Im Gespräch mit unserem Kollegen Roberto Chinchero von der italienischen Ausgabe von 'Motorsport.com' verrät der Ferrari-Pilot außerdem, wie die Zusammenarbeit mit seinem neuen Teamkollegen Carlos Sainz läuft, ob er mittlerweile mehr Zeit mit dem Team verbringt und wie seine Beziehung zu Ferrari-Präsident John Elkann ist.

Frage: "Nach den ersten Eindrücken der Formel 1 2021 hat man das Gefühl, dass die technischen Änderungen an Unterboden und Co. etwas unterschätzt wurden. Hat sich für sie als Fahrer etwas geändert?"

Charles Leclerc: "Beim Fahren selbst hat sich nichts geändert, aber ich musste mich etwas anpassen. Am Kurveneingang muss man jetzt etwas weniger pushen, weil das Heck des Auto wegen des neuen Unterbodens etwas schwieriger zu handlen geworden ist."

Frage: "Haben sie ihr Haus in Maranello bezogen?"

Leclerc: "Ja, schon vor einiger Zeit."

Frage: "Hat ihre stärkere Präsenz in Maranello etwas damit zu tun, dass ihr neuer Teamkollege Carlos Sainz eine Menge Zeit mit dem Team verbringt?"

Leclerc: "In Wahrheit verbringe ich immer die gleiche Zeit mit dem Team. Von außen sah es vielleicht nach mehr aus, weil ich in den sozialen Medien mehr Fotos gepostet habe - besonders von Padel-Tennis-Matches, bei denen ich so oft es geht dabei bin."

"Was sich allerdings verändert hat ist die Zeit, die ich mit meinem Teamkollegen verbringe. In der Vergangenheit kam ich häufig, wenn Seb gerade ging - oder umgekehrt. Jetzt mit Carlos ist es so, dass wir oft an den gleichen Tagen da sind und demzufolge auch mehr Zeit zusammen verbringen."

Frage: "Was kann Carlos Sainz dem Team bieten?"

Leclerc: "In den vergangenen Jahren war er bei verschiedenen Teams. Es ist immer interessant, einen Einblick zu bekommen, wie die Gegner arbeiten. Außerdem ist mir gleich seine große Motivation aufgefallen."

"Es ist sein erstes Jahr bei Ferrari, und man spürt, dass er es gut machen möchte. "Diese Euphorie ist für das ganze Team ansteckend. Für ein Team ist es immer gut, zwei Piloten zu haben, die pushen und wieder gewinnen wollen."

Frage: "Stehen sie mit John Elkann in Kontakt?"

Leclerc: "John hat mich zu Beginn der Saison angerufen. Er will alles wissen, vom Auto bis hin zu den Erwartungen und der generellen Stimmung. Wir sprechen immer miteinander, wenn es nötig ist."

Leclerc ist langfristig an Ferrari gebunden. 2019 unterschrieb er einen Fünfjahresvertrag bis Ende 2024. Ein klares Treuebekenntnis, sowohl vom Team als auch von Leclerc selbst. Doch was passiert, wenn Ferrari den Wechsel auf das neue Reglement 2022 nicht so gut meistert wie erhofft? Das könnte auch Leclercs eigener Karriere schaden.

Frage: "Nachdem George Russell im vergangenen Jahr in Bahrain als Ersatz so stark war, kamen Zweifel auf, ob Mercedes Lewis Hamilton wirklich braucht. Haben sie schon einmal darüber nachgedacht, dass ihnen etwas ähnliches passieren könnte?"

Leclerc: "Das gehört dazu. Ich lerne mit jeder Saison mehr und möchte es vor allem mir selbst beweisen. Ich weiß, wann ich einen guten Job gemacht habe und wann ich besser hätte sein können."

"Es gibt Momente, in denen man weiß, dass man alles gegeben und es sehr gut gemacht hat. Es kann frustrierend sein, wenn das von außen dann anders wahrgenommen wird. Im Hinblick auf Lewis denke ich, dass seine Erfolge für sich sprechen. Einige Leute betonen immer, dass er auch im besten Auto fährt. Aber ich glaube, dass er nicht durch Zufall in diesem Auto sitzt."


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Frage: "In den vergangenen sieben Jahren hat Mercedes sämtliche WM-Titel in der Formel 1 gewonnen. Wenn man Weltmeister werden will, geht es dann nicht nur um fahrerisches Können sondern auch um die richtige Entscheidung bei der Teamwahl?"

Leclerc: "Es stimmt, dass Entscheidungen abseits der Rennstrecke eine Karriere stark beeinflussen können. Aber ich bin sehr glücklich, ein Ferrari-Pilot zu sein."

"Es war immer mein Traum, und meine Herausforderung besteht darin, meinen Beitrag zu leisten, damit das Team wieder gewinnt. Ich weiß, wie wichtig Entscheidungen sind. Aber heute ist es mein einziges Ziel, Ferrari wieder an die Spitze zu bringen. Und ich bin mir sicher, dass das Potenzial da ist, um es dorthin zu schaffen, wo wir sein wollen."

Frage: "Blicken wir zurück auf den Österreich-Grand-Prix 2019 und ihr Duell mit Max Verstappen um den Sieg. Sind sie nach diesem Rennen aggressiver geworden?"

Leclerc: "Ja. Das hatte zum Teil aber auch damit zu tun, dass die Rennkommissare ab diesem Wochenende ihren Ansatz geändert haben. Ab diesem Zeitpunkt ließen sie uns etwas mehr kämpfen. Ich denke, das war gut für den Sport. Das habe ich auch damals unmittelbar nach Rennende gesagt, obwohl ich vom Ergebnis enttäuscht war."

"Ich war schon immer der Ansicht, dass es spektakulärere Rennen gibt, wenn sie uns mit weniger Einschränkungen kämpfen lassen. Aber wir brauchten eine klare Linie, und die hat es damals gegeben. Ab diesem Punkt wussten wir, dass wir im Zweikampf mehr pushen können, ohne dass wir Angst vor Strafen haben müssen. An diese neue Situation habe ich mich gut angepasst."

Im Januar 2021 wurde Leclerc positiv auf das Coronavirus getestet. Glück im Unglück: Zumindest musste der Monegasse durch seine Infektion in der Winterpause kein Rennen auslassen. Für die strengen Maßnahmen der FIA hat er Verständnis, auch wenn er dadurch nicht das typische Leben eines Formel-1-Stars führen kann.

Frage: "Sie wurden im Januar positiv auf COVID-19 getestet. Hat das ihre Saisonvorbereitung beeinträchtigt?"

Leclerc: "Nein, es ist bestmöglich ausgegangen. An dem Tag, an dem ich das Training wieder aufgenommen habe, hatte ich etwas größere Probleme als sonst. Aber ich denke, das lag eher an den zwei Wochen Pause als an den COVID-Folgen. Ich habe bei Ferrari einen kompletten Check-up gemacht, und es gab bei meiner physischen Verfassung keine Anomalien."


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Frage: "2021 ist bereits die zweiten Saison unter COVID-19-Beschränkungen. Spüren sie inzwischen die Auswirkungen des restriktiven Lebens in einer 'Blase'?"

Leclerc: "Persönlich macht es mir noch nichts aus. Dieses System hat es uns erlaubt, wieder Rennen zu fahren."

"Und wenn ich darüber nachdenke, wie sehr ich es vermissen würde, nicht auf der Strecke zu sein, dann kann ich [die Einschränkungen] ohne Probleme akzeptieren. Natürlich gibt es viele Dinge, die ich in meinem Leben vermisse und früher gemacht habe. Aber ich akzeptiere diese Kompromisse, die heute nötig sind, um auf die Strecke gehen zu können."

Frage: "2020 haben Sie nicht die Ergebnis geholt, auf die sie gehofft hatten. Trotzdem waren ihre Resultate deutlich besser als die von Sebastian Vettel. Woher dieser große Unterschied?"

Leclerc: "Ich denke, letztendlich ging es einfach um Gefühl und den Fahrstil. Ich mag ein etwas unruhiges Heck, das ich das nutzen kann, um das Auto zu bewegen."

"Andere Fahrer leiden unter diesem Aspekt. Der SF1000 hatte ein Heck, das nicht sehr stabil war. Für mich war das nie ein Problem, aber ich kann nicht für Seb sprechen. Das ist einfach eine Sache gewesen, die meinen Fahrstil betroffen hat."

Frage: "Was werden sie an Sebastian Vettel nach zwei gemeinsamen Jahren vermissen?"

Leclerc: "Auf jeden Fall seine Erfahrung. In manchen Situationen hatte er großartige analytische Fähigkeiten. In dieser Hinsicht habe ich eine Menge von Seb gelernt. Er hat viel Wert auf kleine Details gelegt, und das hat am Ende auf der Strecke einen großen Unterschied gemacht. Für mich war es sehr interessant, das zu beobachten. Außerdem ist Seb eine sehr gute Person. Seine Bescheidenheit hat mich beeindruckt."

Mit 23 Jahren befindet sich Leclerc noch am Anfang seiner Karriere. Wenn Lewis Hamilton (36), Sebastian Vettel (33) und Co. sich in den kommenden Jahren in den Ruhestand verabschieden, übernimmt die Generation um Leclerc, Max Verstappen und George Russell (alle 23). Und nicht nur an dieser Front steht ein Umbruch in der Formel 1 an ...

Frage: "Im Paddock gibt es unterschiedliche Meinungen darüber, wie weit sich die Formel 1 von ihren Wurzeln entfernen, mit Traditionen brechen und zum Beispiel Dinge wie Sprintrennen einführen sollte, um mit der Zeit zu gehen. Wie stehen sie dazu?"

Leclerc: "Ich denke, man muss einen Kompromiss finden. Bei den Sprintrennen glaube ich zum Beispiel, dass es bei einem großen Teil der Formel-1-Zuschauer gut ankommen wird."

"Unter uns Fahrern gibt es eine Mehrheit, die dafür ist, es auszuprobieren. Wir müssen vorsichtig sein, aber wir dürfen auch nicht vergessen, dass wir nichts ohne unsere Zuschauer sind. Daher ist es nicht falsch, hin und wieder einen Schritt in Richtung der Fans zu machen."


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Frage: "Und wie stehen sie zu einer Gehaltsobergrenze für die Piloten?"

Leclerc: "Diese Frage sollten wir unter uns Fahrern und danach mit der FIA diskutieren. Ich habe eine Meinung dazu, aber ich würde gerne mit der FIA sprechen. Man sollte auf jeden Fall nicht vergessen, welche Risiken wir auf der Strecke eingehen."

Frage: "Sie fahren 2021 Ihre vierte Formel-1-Saison. Was war bislang der schönste und was der schlechteste Moment?"

Leclerc: "Wie sich sicherlich viele denken können, war Monza 2019 ohne Frage der schönste. Der schlechteste war Monte Carlo 2019. Im Qualifying schaffte ich es nicht in Q2 und im Rennen schied ich nach einem Unfall aus. Es war ein schlechtes Wochenende."

Frage: "Bei Ferrari macht man kein Geheimnis daraus, dass es dauern wird, wieder ganz nach vorne zu kommen. Ist Geduld eine wertvolle Fähigkeiten für einen Fahrer?"

Leclerc: "Man muss geduldig sein, und es ist eine Gabe, die ich im Laufe der Zeit entwickelt habe. Vor einigen Jahren hatte ich die noch nicht oder nur sehr wenig."

"Wenn man technisch einen Rückstand hat, dann dauert es in der Formel 1, den wieder aufzuholen. Während dieser Phase muss man so ruhig wie möglich sein, weil es nicht konstruktiv ist, wütend und ungeduldig zu sein. Ich denke, in dieser Hinsicht bin ich reifer geworden. Gleichzeitig kann ich es natürlich nicht abwarten, wieder Rennen zu gewinnen. Das Ziel eines Fahrers ist immer gleich."

Frage: "Vor zwei Jahren haben sie vor ihrer ersten Ferrari-Saison gesagt, wie wichtig es für Sie ist, in einigen Bereichen Fortschritte zu machen - zum Beispiel beim Reifenmanagement. Haben sie das Gefühl, heute ein besserer Fahrer zu sein?"

Leclerc: "In jedem Jahr habe ich im Kopf eine Liste mit Punkten, die ich verbessern möchte. [Ich habe] klare Ziele. Das Reifenmanagement gehört auch weiterhin dazu."

"Ich glaube, dass ich mich da schon verbessert habe. Aber ich weiß, dass noch immer Arbeit vor mir liegt. Es ist ein komplexes Thema, und jedes Mal, wenn ich ins Auto steige, lerne ich einen neuen Aspekt. Das gilt für das Management auf einer schnellen Runde und auch bei der Rennpace. Manchmal sind es nur Details, aber Details machen den Unterschied."

Frage: "Wenn sie während der Saison von Sebastian Vettel überholt werden, wie reagieren sie?"

Leclerc: "Ich glaube nicht, dass ich mir in so einem Fall dann denken würde: 'Ah, er war mein Teamkollege, und ich habe ihn geschlagen, und jetzt ist er vor mir.' Wenn ich das Visier zuklappe, ist kein Platz für solche Gedanken."

"Ich konzentriere mich auf mich selbst, das Auto und meine Aufgabe. Wenn Seb mich überholt, dann werde ich direkt versuchen, mir meine Position zurückzuholen. Ich denke nicht, dass es in diesem Moment andere Gedanken geben würde."

Frage: "Kann Ferrari 2021 für eine positive Überraschung sorgen?"

Leclerc: "Ich denke, wir haben einen sehr guten Job gemacht. Aber man muss auf dem Boden bleiben. Wir sind überzeugt, dass wir Fortschritte gemacht haben. Aber in der Formel 1 muss man sehr vorsichtig sein, weil alles relativ ist. Wie gut die Arbeit wirklich war, das zeigt sich im direkten Vergleich mit den Konkurrenten."

Frage: "Würden sie am Ende der Saison lieber WM-Dritter ohne Sieg werden oder WM-Fünfter, dafür aber mit zwei Siegen?"

Leclerc [überlegt lange]: "Platz drei in der WM. Es ist aber schwierig zu beantworten. Als Fahrer ist es vielleicht besser, einige Rennen zu gewinnen. Aber ich glaube, dass die Endplatzierung für das Team wichtiger ist."

Frage: "Es ist das letzte Rennen der Saison und sie kämpfen gegen Ihren Teamkollegen um den Titel. Am Ende haben sie die Chance, ihn zu attackieren. Sie wissen aber, dass sie einen Unfall riskieren. Was tun sie?"

Leclerc: "Ich versuche es! Ich versuche es, aber man muss auch bedenken, was das Team zu verlieren hat. Wenn für das Team durch das Manöver die Gefahr bestehen würde, in der WM von Platz eins und drei abzurutschen, dann würde ich es mir sehr gut überlegen. Aber als Pilot würde ich attackieren."

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