Alex Albon: Teamkollege von Leclerc zu sein "ein Glücksfall"
Alexander Albon im Interview: Wie es ist, Teamkollege von Charles Leclerc zu sein, und wie er die "verlorenen Jahre" 2012 und 2017 überwunden hat
(Motorsport-Total.com) - Eigentlich hätte Alexander Albon 2019 Formel E fahren sollen. Er hatte bereits einen Vertrag mit e.dams-Nissan, ehe der Anruf von Helmut Marko kam. Der 23-Jährige war gerade in einem Einkaufszentrum in Dubai, als sein Telefon klingelte. Jetzt ist er einer von drei Rookies in der Formel-1-Saison 2019.
Albon stieg 2012 in der Formel Renault in den Motorsport ein, wurde 2014 Dritter im Eurocup 2.0. 2016 zog er erstmals international Aufmerksamkeit auf sich, als er in der GP3 bei ART Teamkollege von Charles Leclerc war und im Titelduell mit dem Monegassen nur knapp den Kürzeren zog. 2017 stieg er mit ART in die Formel 2 auf - tat sich zunächst aber schwer. Bis 2018 der Knoten platzte und er wieder um den Titel kämpfte.
Wir haben den Toro-Rosso-Fahrer am Rande des Grand Prix von Bahrain getroffen und ihn zum Interview gebeten. Darin erzählt Albon (in London geboren, aber mit thailändischer Lizenz ausgestattet), wie er sich auf die Formel 1 vorbereitet hat und wie es war, Teamkollege von Leclerc zu sein.
Frage: "Alexander, was hat Sie in der Formel 1 bisher am meisten beeindruckt?"
Alexander Albon: "Ich würde sagen, das Personal. Das ganze Team, wie alle um Perfektion bemüht sind. Die Liebe zum Detail ist einfach unglaublich. Wie jedes Team haben auch wir Debriefings nach jedem Training. Wenn du da den Aero-Jungs zuhörst oder den Honda-Ingenieuren, was jeder zu sagen hat, das ist schon beeindruckend. Eine wirklich coole Atmosphäre."
Formel-1-Autos 2019 "mehr wie eine Simulation"
Frage: "Bei den Tests in Barcelona hatte man nicht den Eindruck, dass da ein Rookie im Auto sitzt. Es sah sehr natürlich aus, wie Sie sich zurechtgefunden haben."
Albon: "Barcelona ist dafür natürlich auch eine gute Strecke: sehr eben, weitläufige Auslaufzonen."
"Aber es stimmt schon: Ich würde zwar nicht sagen, dass die Autos leicht zu fahren sind, aber sie sind so gut abgestimmt, dass es leicht ist, sich darin wohlzufühlen. Es ist fast mehr wie eine Simulation als echtes Rennfahren. Die Autos liegen wie auf Schienen. Da, wo es zur Herausforderung wird, ist, wenn du die letzten Zehntelsekunden suchst."
Frage: "Das ist das Schwierigste?"
Albon: "Genau. Aber rein von der Geschwindigkeit her ... Wenn ich mit George [Russell] oder Lando [Norris] spreche, geht es ihnen genauso. Die Geschwindigkeit an sich ist nicht das Problem. Die Rundenzeit machst du eher da, wenn das Auto eh schon unruhig ist und du in einer schnellen Kurve trotzdem am Gas bleiben kannst."
Frage: "Sie haben im Winter viel in der Fabrik gearbeitet. Wie wichtig war es, im Simulator zu fahren und mit den Ingenieuren zu sprechen?"
Albon: "Ich bin ja noch nie im Auto gesessen, also hatte ich keine Ahnung, was mich erwarten würde. Also habe ich das Team besucht und im Simulator getestet, um mich so gut wie möglich vorzubereiten. Damit es gleich flutscht, wenn ich einsteige."
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"Ich meine damit Prozeduren, Fahrstil, aber auch alles andere - Lenkung, Set-up. Wenn du im Simulator schon die Grundlagen lernst und mit dem Team darüber redest, bist du zumindest einen Schritt weiter und kannst die Zeit im Auto dann besser nutzen. Es fiel mir so leichter, meine Leistung abzurufen und dem Team gutes Feedback zu geben, weil ich schon ein bisschen Vertrauen in das hatte, was ich da tat."
Wie Albon aus dem Red-Bull-Kader geflogen ist
Frage: "Erzählen Sie uns doch bitte mal, was 2012 passiert ist. Sie waren damals schon Red-Bull-Junior, aber nach nur einer Saison sind Sie aus dem Kader geflogen."
Albon: "Es war eine schwierige Saison. Wahrscheinlich bis heute meine schwierigste. Auch mental. Das Team war zwar nicht neu, aber sie hatten kein Geld. Ich war ganz auf mich allein gestellt, hatte keine Teamkollegen."
"Das war eine Herausforderung. Es lief einfach nicht, und wenn ich den Finger in die Wunde drückte, wusste ich nicht genau, wo es wehtat: Lag es an mir? Am Auto? Im Nachhinein betrachtet wahrscheinlich ein bisschen von beidem."
"Aber beim letzten Rennen der Saison war mir ziemlich klar, dass meine Leistungen nicht gut genug waren und ich vielleicht rausfliege. Es kam nicht ganz überraschend, als mich Dr. Marko angerufen und mir die Nachricht überbracht hat. Es war ein hartes Jahr."
Frage: "Erinnern Sie sich noch an diesen Moment?"
Albon: "Oh, ja. Wie jeder Fahrer."
Frage: "Er hat Sie also angerufen ..."
Albon: "Ja. Kurz nach dem letzten Rennen. Wenn man so eine Nachricht erhält, gibt es zwei Möglichkeiten, damit umzugehen. Erstens: 'Okay, das war's jetzt.' Einfach aufzugeben. Oder zweitens: 'Okay, wie geht's jetzt weiter? Wie komme ich noch stärker zurück?'"
Frage: "Sie haben sich für letzteres entschieden. Wie ist Ihnen das gelungen?"
Albon: "Ich hatte Glück. Ich traf Gwen (Lagrue, damals Chef des Gravity-Fahrerkaders; Anm. d. Red.). Er war im Lotus-Juniorteam. Ich habe ihm meine Situation erklärt - und es geschafft zurückzukommen. Eine schöne Story. Ich bin Gwen zu Dank verpflichtet."
Albon: Normalerweise kein Schnellstarter
"Das Jahr danach kam mir dann vor wie mein eigentlich erstes Jahr im Formelsport. Ich hatte zum ersten Mal Teamkollegen. Das Team hatte Verständnis für mich als Fahrer, ging auf meinen Fahrstil ein. Da konnte ich wirklich was lernen."
"Ich muss zugeben, dass ich nicht immer der Schnellste darin war, auf Tempo zu kommen. Insofern hat es mich selbst überrascht, dass es mir in der Formel 1 so leicht gefallen ist. Aber normalerweise habe ich dafür immer Zeit gebraucht."
"Und es ging natürlich immer darum, im richtigen Team zu sein. 2016 bei ART zu sein, mit Charles [Leclerc], das war natürlich ein Glücksfall. Wir kämpften um die Meisterschaft. Und jeder hat gesehen, wie Charles danach eingeschlagen ist."
Frage: "Er muss eine harte Nuss gewesen sein, nicht wahr?"
Albon: "Ja. Ich glaube, damals dachten viele, dass Charles und Nyck de Vries um die Meisterschaft fahren würden. Ich glaube, ich habe einige überrascht. Da hat es angefangen, dass ich mehr beachtet wurde."
Frage: "War Charles Leclerc ein guter Teamkollege?"
Albon: "Ja, sehr stark. Mit gigantischem natürlichem Talent ausgestattet. Es war von Anfang an ganz straight. Netter Kerl. Wir hatten eigentlich nie ein Problem miteinander."
"Natürlich waren wir ehrgeizig und wir haben uns das Leben im Qualifying und in den Rennen nicht leicht gemacht. Aber außerhalb der Strecke und selbst im Paddock standen wir uns recht nahe. Und wir verstehen uns auch heute noch gut."
Saison 2017 von Verletzungspech geprägt
Frage: "Wie ist es in der Formel 2 für Sie gelaufen? Die erste Saison war ja nicht ganz so prickelnd ..."
Albon: "Nicht leicht. Eine merkwürdige Saison, wenn ich ehrlich bin."
Frage: "Mit einem schweren Unfall."
Albon: "Richtig. Das Jahr begann ganz okay. Im Schnitt war ich Zweiter im Qualifying. Ohne Safety-Car hätte ich in Monaco gewonnen. In Barcelona auch. Wir sahen eigentlich ganz gut aus."
"Aber dann habe ich mir beim Radfahren - beim Trainieren, um genau zu sein - das Schlüsselbein gebrochen. Ich musste Baku auslassen, Sergei [Sirotkin] sprang an dem Wochenende für mich ein. Aus irgendeinem Grund war ich nicht mehr der Alte, als ich zurückkam. Körperlich ging es mir gut, ich war nicht geschwächt oder so. Aber es fiel mir einfach schwer. Die Rundenzeit, die Performance war einfach nicht da."
"Es kam mir sehr merkwürdig vor und war sehr schwierig für mich. Die Chemie zwischen dem Team und mir war auch nicht so gut wie in der GP3. Ich hatte große Zweifel in meinem Kopf. 'Was geht hier vor?' Sowas in der Art."
"Nach der Saison fuhr ich dann den Wintertest für DAMS und war sofort in den Top 3. Da dachte ich mir: 'Okay, jetzt passt das wieder.' Irgendwas hatte klick gemacht. Heute blicke ich auf 2017 als Anomalie. Ich verstehe nicht, warum die Saison so gelaufen ist. Aber je mehr du drüber nachdenkst, desto mehr stresst dich das, also lasse ich es sein."
2019 war eigentlich die Formel E geplant
Frage: "Nach einer starken Saison in der Formel 2 sind Sie in die Formel E gewechselt. Das kam für viele überraschend. Wann kam dann die Formel 1 als Möglichkeit ins Spiel?"
Albon: "Von meiner Seite aus eigentlich gar nicht. Zu Saisonmitte sah es gar nicht danach aus, als würde es eine Chance geben. Das war der Grund, warum ich mich in der Formel E umschaute. Die Formel-E-Saison beginnt im Dezember, da müssen die Teams früh vorbereitet sein."
"Aber ich erfuhr erst am Montag nach dem letzten Rennen in Abu Dhabi, dass sich in der Formel 1 was ergeben könnte."
Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1
Christian Klien (2004-2010): Mit Unterstützung von Red Bull debütiert der Österreicher 2004 bei Jaguar in der Formel 1. Nach der Übernahme des Rennstalls durch den Engergy-Drink-Hersteller fährt Klien auch 2005 und 2006 bei den meisten Grands Prix für das nun Red-Bull-Racing genannte Team an der Seite von David Coulthard. Ende 2006 scheidet Klien nach Streitigkeiten über einen Wechsel in die ChampCar-Serie aus dem Red-Bull-Kader aus. Später ist der Österreicher Testfahrer für Honda und BMW-Sauber und fährt 2010 drei Rennen für HRT. Fotostrecke
Frage: "Ein weiterer Anruf von Helmut Marko?"
Albon: "Ja."
Frage: "Wo waren Sie, als das Telefon geläutet hat?"
Albon: "In einem Einkaufszentrum in Dubai."
Frage: "Und da hat er Ihnen gesagt, dass Sie jetzt Formel-1-Fahrer sind?"
Albon: "Ja. Ich wollte sofort meinen gebuchten Flug stornieren und die Tests fahren. Leider war es dafür schon zu spät. Aber so war das, ja."
Frage: "Was ist Ihr Ziel für diese Saison?"
Albon: "Ich habe eigentlich keins. Es klinkt merkwürdig, aber wenn du die ganze Zeit sagst, 'Ich will das und das und das erreichen', setzt du dich nur unnötig unter Druck."
"Meine Erwartungen sehen eher so aus: für FT1 vorbereitet sein, Hausarbeiten machen, FT1 fahren. Danach dann: Wie war FT1, was kann ich für FT2 verbessern? Dann FT3, Qualifying und das Rennen. Was kann ich daraus mitnehmen? So gehe ich eigentlich jedes Wochenende an, und am Saisonende werden wir sehen, was dabei rausgekommen ist."
"Ich versuche wirklich, nicht zu viel nachzudenken und mir damit Stress aufzuerlegen. Stattdessen versuche ich jeden Tag, meine Leistung zu maximieren. Am Ende sehe ich eh, wozu das führt."