Nico Hülkenberg: "Renault nimmt die Sache sehr ernst"
Interview mit Nico Hülkenberg: Warum er sich bei Renault gut aufgehoben fühlt, was er von Experte Nico Rosberg hält und warum Carlos Sainz keinen Nachteil hat
(Motorsport-Total.com) - Nico Hülkenberg ist kein Mann der großen Worte. Kaum etwas kann ihn aus der Fassung bringen - ein emotionsloser Analytiker, ganz so, wie die Deutschen im Rest der Welt gesehen werden. Diesen "Mindset" merkt man auch, wenn man mit dem Renault-Werksfahrer spricht: Er ist zwar nie um klare, direkte Worte verlegen - aber wenn das Gegenüber auf Emotions-Wasserfälle a la Rubens Barrichello hofft, dann wird es enttäuscht sein.
Also haben wir versucht, Hülkenberg nicht mit den Fragen zu konfrontieren, die er ohnehin dutzende Male täglich beantwortet, sondern ihn an anderer Stelle zu kitzeln. Zum Beispiel, ob er Nachrichten über sich selbst liest, oder wie er sich an den Le-Mans-Sieg 2015 erinnert. Und siehe da, beim Thema Le Mans erspähen wir tatsächlich ein kurzes Funkeln in den Augen des 30-Jährigen ...
Frage: "Nico, reden wir mal über Fernsehen. Die deutschen Fans müssen sich umstellen, denn bei RTL ersetzt Nico Rosberg den bisherigen Experten Niki Lauda. Ist es aus Sicht der Fans besser, wenn jemand den Job macht, der bis vor kurzem noch selbst im Auto gesessen ist?"
Nico Hülkenberg: "Weiß ich nicht. Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Und es ist mir ehrlich gesagt auch egal!"
Frage: "Sie haben ja selbst schon für Sky gearbeitet."
Hülkenberg: "Stimmt, da ging es aber um was anderes. Das ist einfach kein Thema, mit dem ich mich beschäftige. Ich schätze mal, Niki war mehr alte Schule, eine Legende. Nico ist auch Weltmeister, aber er hat nicht das gleiche Charisma wie Niki. Hat alles Vor- und Nachteile."
Experten vereinfachen komplizierte Sachverhalte
Frage: "Was haben Sie dem Publikum in Ihrer Zeit bei Sky zu erklären versucht?"
Hülkenberg: "Als Experte versucht man, dem Publikum etwas zu erklären, was vielleicht nicht so einfach zu verstehen ist. Weil die Zuschauer in der Regel keine Experten sind. Man stellt die Regeln ein bisschen vereinfacht dar, versucht zu erklären, wie die Fahrer und Teams arbeiten, wie die Dinge in der Formel 1 laufen. Damit sie besser reinsehen und Situationen besser einschätzen können, die von außen nicht so leicht einzuschätzen sind."
Frage: "Lesen Sie, was die Medien über Sie schreiben?"
Hülkenberg: "Nicht oft, um ehrlich zu sein."
Frage: "Und Fahrernoten am Montag nach dem Rennen? Schauen Sie sich die an?"
Hülkenberg: "Früher schon. Jetzt schon länger nicht mehr. Ich finde, das braucht es nicht. Manchmal wird man gut bewertet, manchmal schlecht. Für mich macht das keinen Unterschied. Für mich zählt, was ich innerhalb des Teams leiste. Der Rest ist nicht wichtig."
Frage: "Lesen Sie diese Dinge deswegen nicht mehr?"
Hülkenberg: "Genau. Und über die Jahre wiederholt sich vieles einfach, es ist doch immer das Gleiche. Und es bringt uns nicht voran in dem, was wir tun. Da investiere ich meine Energie lieber in die Dinge, die uns weiterbringen und für die Performance einen Unterschied machen."
Frage: "Hat es Sie manchmal auch genervt, wenn Sie mal schlecht benotet wurden?"
Hülkenberg: "Nein, ich habe das nie persönlich genommen. Kommt schon mal vor, dass einem die Worte im Mund umgedreht werden, obwohl man etwas anders gemeint hat. In meinen ersten Jahren dachte ich mir manchmal: 'Hey, warum, wieso?' Aber jetzt habe ich mehr Erfahrung und sehe diese Dinge gelassener."
Alonso in Le Mans: "Wird sehr stressig"
Frage: "Anderes Thema. Fernando Alonso fährt dieses Jahr die 24 Stunden von Le Mans. Wird er - wie Sie - auf Anhieb gewinnen?"
Hülkenberg: "Ich weiß nicht. Ist mir egal!"
Frage: "Was wird ihm am schwersten fallen?"
Hülkenberg: "Das Schwierigste wird sicher, zwei Meisterschaften parallel zu bestreiten. Das wird sehr, sehr stressig, und in der WEC-LMP wird mehr getestet. Zwei solche Programme sind ein ganz schöner Brocken Arbeit, verbunden mit viel Reiserei. Es wird sicher eine Herausforderung für ihn, das Beste aus beiden Programmen herauszuholen und sich gleichermaßen auf zwei Dinge zu konzentrieren. Nicht einfach."
Frage: "Wäre es für Sie damals ein Thema gewesen, vielleicht nicht die ganze Saison, aber ein paar mehr Rennen zu fahren?"
Hülkenberg: "Nein, das war nie eine Option. Ich hätte es aber ehrlich gesagt auch nicht gemacht. Diese sechs Monate waren damals ziemlich intensiv und ich wollte mir nicht noch mehr aufhalsen."
Frage: "Inwiefern?"
Hülkenberg: "Es ist einfach anstrengend. Du fährst ein Formel-1-Rennen oder einen -Test, dann geht's direkt weiter zum nächsten Test mit der WEC oder einem Rennen. Da bleibt einfach keine Zeit mehr zum Runterkommen zwischen den Terminen, um einmal in Ruhe zu analysieren, wie es eigentlich gelaufen ist, alles zu verstehen. Es ging einfach Vollgas dahin, ohne Bremsen!"
Wechsel F1-WEC für Topfahrer zu schaffen
Frage: "Wie war das ständige Wechseln zwischen den beiden Autos?"
Hülkenberg: "Nach einer Weile gewöhnt man sich dran. Fernando hat mehr als genug Formel-1-Erfahrung, da braucht er also nicht noch mehr. Ich glaube, er muss eher das WEC-Auto kennenlernen und auf der Seite lernen, denn dort ist dann doch ein ganz anderer Fahrstil in einem ganz anderen Auto gefragt."
Frage: "Als Sie Le Mans gewonnen haben: Wie besonders war die Siegerehrung auf diesem Podium?"
Hülkenberg: "Sehr besonders. Wenn du Le Mans gewinnst, bist du einfach überglücklich, sehr emotional. Das waren besondere Momente."
Frage: "Anders als bei anderen Siegerehrungen? Vor so einem riesigen Publikum, nach 24 Stunden?"
Hülkenberg: "Ja. Es ist wirklich cool! Ein großer Moment, vor allem für uns im 19er-Auto. Es war außergewöhnlich, dass gerade wir gewonnen haben, denn niemand hat den Sieg von uns erwartet. Wir waren die Rookies, die Youngsters - sicher nicht das heißeste Eisen im Feuer. Und dann waren wir die Schnellsten und haben das Ding gewonnen! So, wie das passiert ist, die Dynamik von Le Mans und diese 24 Stunden: Das war einfach toll."
Frage: "War der Sieg in Le Mans ausschlaggebend dafür, dass Sie den Renault-Werksvertrag bekommen haben?"
Hülkenberg: "Glaube ich nicht. Das hatte damit nichts zu tun."
Frage: "Wie hat sich Ihr Leben verändert, seit Sie Werksfahrer sind?"
Hülkenberg: "Nicht wirklich. Es hat nicht viel verändert."
Mehr Marketingaufgaben als bei Force India
Frage: "Und was Marketingtermine angeht zum Beispiel?"
Hülkenberg: "Da habe ich jetzt sicher mehr zu tun. Man spürt, dass man es hier mit einer globalen Automobilfirma zu tun hat. Es gibt viel mehr PR-Aktivitäten. Sie sind auf der ganzen Welt präsent und wollen ihre Märkte auch aktivieren. Auf der Ebene ist die Arbeit hier sicher anspruchsvoller."
Hülkenberg: "Nein, eigentlich weltweit."
Frage: "Ihr Teamkollege ist Carlos Sainz. Ist es ein Vorteil für Sie, dass Sie schon länger im Team sind und die Mitarbeiter etwas besser kennen?"
Hülkenberg: "Nicht wirklich. Die vier Rennen Ende des vergangenen Jahres waren sehr gut für ihn, um diese Saison schon da anfangen zu können, wo er hingehört. Ich habe mich in diesem Team von Anfang an wohl gefühlt, sogar in den ersten Rennen der Saison. Ich bin hier sehr glücklich. Das Team arbeitet hart, Renault nimmt die Sache sehr ernst und strebt Erfolg an, und das ist für mich wichtig zu sehen. Darum bin ich hierhergekommen."
Frage: "Haben Sie schon Zeit mit ihm verbracht?"
Hülkenberg: "Nein. na ja, wenn wir PR-Termine haben, dann natürlich schon. Aber in der Winterpause nicht. Wir kommen gut miteinander aus, verstehen uns gut, würde ich sagen. Aber wir sind jetzt auch nicht beste Freunde."