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Hülkenberg im Interview: "Siege muss man sich verdienen!"
Renault-Pilot Nico Hülkenberg spricht im Interview über sein erstes Jahr bei Renault, seine Hoffnungen für die Zukunft und den Traum vom ersten Formel-1-Sieg
(Motorsport-Total.com) - Nico Hülkenberg ist in diesem Jahr zum ersten Mal Werksfahrer. Nach Stationen bei Williams, Force India und Sauber hat sich der Emmericher mit guten Leistungen für einen Werksvertrag bei Renault empfohlen. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' spricht der 30-Jährige über seine erste Saison in Enstone, seine weiteren Ziele und seinen neuen Teamkollegen Carlos Sainz. Außerdem verrät er, warum der Formel-1-Boom in Deutschland offenbar vorbei ist, und was der bisher schönste Moment in seiner Karriere war.
© xpbimages.com
Nico Hülkenberg ist mit seiner ersten Saison bei Renault sehr zufrieden Zoom Download
Frage: "Mit Carlos Sainz haben Sie einen neuen Teamkollegen - freuen Sie sich?"
Nico Hülkenberg: "Ehrlich gesagt freue ich mich einfach auf die letzten vier Saisonrennen. Ich bin da offen. Ich will einfach weiter mein Ding machen. Das hat für mich in diesem Jahr bisher gut funktioniert. Natürlich wird es vermutlich etwas anders sein, aber mein Ansatz ändert sich nicht."
Frage: "Bei allem Respekt vor Jolyon Palmer: Ein Blick in die Statistiken zeigt, dass Carlos Sainz eigentlich schneller sein sollte. Sehen Sie einen schnellen Teamkollegen als persönliche Gefahr?"
Hülkenberg: "Nein. Ich denke, dass es einfach gut für das Team ist. Wir müssen konkurrenzfähig sein. Wenn wir zwei Fahrer im Auto haben, die punkten können, dann ist das genau das, was wir brauchen. Für Renault als Hersteller kann das nur positiv sein."
Frage: "Treibt Sie ein schneller Teamkollege besonders an?"
Hülkenberg: "Ich gebe sowieso immer 100 Prozent. Ich denke nicht, dass ich in diesem Jahr (mit einem anderen Teamkollegen; Anm. d. Red:) schneller oder langsamer gewesen wäre."
Frage: "Fühlen Sie sich bei Renault mehr als Anführer im Team als bei Force India?"
Hülkenberg: "Diese Dinge interessieren mich nicht so sehr. Ich bin einfach hier, um meinen Job zu machen. Es ist mir eigentlich egal, ob ich der 'Leader' im Team bin oder nicht. Es ändert sich dadurch sowieso nichts. Wir müssen einfach pushen, denn wir haben einen großen Job vor der Brust. Die nächsten vier Rennen sind sehr wichtig für uns."
Bei Renault geht es vorwärts
Frage: "Denken Sie, Renault kann in der WM noch einen Sprung nach vorne machen?"
Hülkenberg: "Das ist natürlich noch möglich. Aber wir müssen aufpassen, denn wir können uns keine Fehler oder Probleme mehr leisten. Wenn wir das schaffen, dann haben wir auf jeden Fall das Potenzial, noch Fünfter zu werden."
Frage: "Hat sie das Level von Renault, im Vergleich zum Vorjahr, überrascht?"
Hülkenberg: "Nein, überhaupt nicht. Darum bin ich hergekommen. Ich habe erwartet, dass sie einen Sprung nach vorne machen. Daher bin ich nicht überrascht."
Frage: "Was ist der Unterschied zwischen Renault, als Sie neu zum Team gekommen sind, und Renault heute?"
Hülkenberg: "Ich denke, das Team hat sich in den zehn Monaten einfach nach vorne bewegt. Es ist reifer und größer geworden. Viele Leute sind neu dazugekommen, und auch die Infrastruktur hat sich verbessert. Die Qualität des ganzen Teams verbessert sich permanent. Wir stellen weiter neue Leute ein, und genau das braucht ein Team, wenn es die Ambition hat, vorne mitzumischen. Es ist eine ganz normale Entwicklung, die wir durchmachen."
Frage: "Geht Ihnen die Entwicklung des Autos denn schnell genug?"
Hülkenberg: "Ich glaube, unsere Entwicklung hat in dieser Saison ein gutes Tempo. Aber trotzdem müssen wir auch daran arbeiten. Manchmal müssten wir Updates noch schneller bringen und vielleicht etwas effizienter sein. Die Top-3-Teams sind in dieser Hinsicht sehr gut. Wir wissen, dass es noch eine Menge Dinge gibt, die wir besser machen können."
Der lange Weg zum ersten Sieg ...
Frage: "Force India war dafür bekannt, über den eigentlichen Möglichkeiten zu performen. Wo steht Renault in dieser Hinsicht?"
Hülkenberg: "In diesem Jahr kämpfen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten. Wir haben etwas auf dem falschen Fuß angefangen und hatten nicht den besten Start. Das Auto war zu Beginn nicht so konkurrenzfähig. Aber wir haben das Ruder herumgerissen und befinden uns jetzt in einer viel besseren Position. Zuletzt hatten wir eine nicht so gute Phase. Wir hatten Probleme und etwas Pech. Das war nicht so toll, aber es gehört zum Racing dazu. Das müssen wir hinter uns lassen und dafür sorgen, dass die letzten vier Rennen nach Plan verlaufen."
Frage: "Welche Dinge haben sie denn von Force India zu Renault mitgenommen?"
Hülkenberg: "Da sind natürlich viele Dinge - technische Sachen zum Beispiel, die bei jedem Team anders sind. Dieses Wissen bringt man von einem Team zu einem anderen mit. Man lernt einiges, wenn man mit einem anderen Team arbeitet. Du versuchst ja immer, das Beste aus dir, deiner Crew und dem Auto herauszuholen. Da wendest Du natürlich das an, was Du in der Vergangenheit gelernt hast."
Frage: "Haben Sie Angst davor, dass die Renault-Kunden Red Bull und McLaren 2018 vor dem Werksteam landen werden?"
Hülkenberg: "Angst habe ich nicht, aber natürlich ist das ein Wettkampf. Das wird eine unserer Herausforderungen sein. Wir müssen mit McLaren mithalten und die Lücke zu Red Bull etwas schließen. Das wird im kommenden halben Jahr unser Job sein. Wir müssen hart arbeiten, um auf einem Level mit ihnen zu sein."
Fotostrecke: Renault-Meilensteine in der Formel 1
Grand Prix von Großbritannien 1977 in Silverstone: Mit Jean-Pierre Jabouille gibt der französische Automobilhersteller Renault sein Formel-1-Debüt. Es handelt sich um einen Werkseinsatz mit zunächst einem Boliden. Beim Debüt startet Jabouille von Position 21, fällt im Rennen aber aufgrund eines defekten Turboladers aus. Auch bei vier weiteren Starts in der Saison 1977 sieht der gelbe Renault RS01 die Zielflagge nicht. Fotostrecke
Frage: "Reicht ein halbes Jahr, um die Lücke zu schließen?"
Hülkenberg: "na ja, die Lücke gibt es ja nur zu Red Bull. Wie es mit McLaren aussieht, müssen wir erst noch abwarten. So etwas ist aber immer schwer zu sagen, denn man kann nur spekulieren. Aber ich weiß, dass wir noch immer Luft nach oben haben. Wir entdecken immer neue Dinge. Ich denke schon, dass wir die Lücke verkleinern können - die Frage ist nur, wie sehr."
Frage: "Freuen Sie sich schon darauf, sich direkt mit Fahrern wie Fernando Alonso, Daniel Ricciardo und Max Verstappen zu messen?"
Hülkenberg: "Ich freue mich einfach darauf, ein konkurrenzfähiges Auto zu haben, mit dem wir vorne kämpfen können. Irgendwann wollen wir dann auch Podestplätze und Siege. Aber das liegt nur an uns. Ich denke, wir haben alle Voraussetzungen dafür. Aber es wird noch einige Zeit dauern, bevor wir da sind, wo wir hin möchten."
Frage: "Wie sieht es bei der Effizienz aus? Arbeitet Renault in dieser Hinsicht bereits bei 100 Prozent?"
Hülkenberg: "Es ist für mich etwas schwierig, diese Frage zu beantworten. Das wäre wahrscheinlich eher eine Frage für die Teamführung. Aber natürlich lernen wir noch immer, wir sind noch nicht perfekt. Wir haben in diesem Jahr natürlich nicht ausschließlich richtige Entscheidungen getroffen. Aber das gehört zum Lernprozess und dem Neuaufbau des Teams dazu."
Andere Situation als bei Fernando Alonso
Frage: "Sind Sie selbst jetzt ein besserer Fahrer als bei Sauber oder Force India?"
Hülkenberg: "In diesem Jahr bin ich mit meiner Leistung ziemlich zufrieden. Ich habe nicht viele Fehler gemacht, und ich denke, dass ich ziemlich gut gefahren bin - besonders im Qualifying. Damit bin ich sehr zufrieden. Die diesjährigen Autos helfen mir, denn Du kannst härter pushen und näher ans Limit gehen. Sie sind schneller und kommen meinem natürlichen Fahrstil besser entgegen. Das hat mir geholfen, und es macht mir auch mehr Spaß. In den Vorjahren musstest Du alles immer ein bisschen zu sehr managen und dürftest es nicht übertreiben. Das war schwierig. Ich glaube schon, dass ich besser fahre als je zuvor."
Frage: "Sie haben den Ruf, ein exzellenter Qualifyer zu sein. Ist es nicht frustrierend, das nicht auch regelmäßig in Podestplätze oder Siege umsetzen zu können?"
Hülkenberg: "Nein, so ist das eben in der Formel 1. Wenn Du nicht das Auto dazu hast, dann wird es auch nicht passieren. Schaut euch doch mal Fernando (Alonso) an. So läuft es eben. Aber wir sind hier, um uns nach vorne zu kämpfen. Ich freue mich auf diese Reise und die Arbeit mit dem Team. Eines Tages wird es klappen, und dann wird es eine große Genugtuung sein."
Frage: "Also wenn ich mir Fernando angucke, dann sehe ich einen sehr frustrierten Fahrer ... Ist das bei Ihnen auch so?"
Hülkenberg: "Nein, denn im Gegensatz zu ihm war ich noch nie Weltmeister. Er hat zweimal den Titel gewonnen und dann so einen massiven Rückschritt gemacht. Ich hatte aber nie den Luxus, so weit vorne zu sein. Diese Erfahrung fehlt mir also. Natürlich wäre ich lieber heute als in zwei Jahren auf dem Podium und würde um Siege mitkämpfen. Aber so funktioniert dieser Sport nicht. Du musst es Dir verdienen."
Frage: "Fühlt es sich so an, dass ihre Karriere jetzt in die richtige Richtung geht?"
Hülkenberg: "Ja, es fühlt sich so an. Ich bin hier bei Renault sehr glücklich. Ich bin zufrieden mit dem Team und den Fortschritten, die wir gemacht haben - und auch mit unserer Perspektive für die kommenden Jahre. Das ist für mich sehr motivierend."
Frage: "Als Sie ihre Karriere begonnen haben, boomte der Motorsport in Deutschland. Warum hat die Formel 1 ihre Magie in Deutschland verloren?"
Hülkenberg: "Ehrlich gesagt glaube ich, dass Deutschland in Sachen Formel 1 etwas verwöhnt ist. Seit den Neunzigern gab es Michael (Schumacher), Vettel, Nico (Rosberg), Mercedes ... Es gab immer einen Vertreter, der ganz vorne dabei war und gewonnen hat. Ich glaube, an einem gewissen Punkt hat die Bevölkerung einfach genug davon. Dann legt sich der Fokus auf einen anderen Sportler, der in einer anderen Sportart gut ist. Das ist ganz normal."
Großer Wunsch: Mehr echte Regenrennen!
Frage: "Dafür gibt es in den Niederlanden aktuell einen ziemlichen Hype um Max Verstappen. Wären Zandvoort und Assen zwei gute Strecken für die Formel 1?"
Hülkenberg: "Assen eher als Zandvoort. Zandvoort bräuchte einen größere Modernisierung. Ich glaube, Assen könnte man schneller zu einer Formel-1-Strecke machen."
Frage: "Aber Assen ist ein ziemlich enger Kurs ..."
Hülkenberg: "Einige Abschnitte sind etwas enger, andere etwas breiter. Aber ich habe nichts gegen schmale Strecken."
Frage: "Und wie sieht es mit Straßenrennen aus? Sind Sie ein Fan davon?"
Hülkenberg: "Da bin ich ganz neutral. Ich glaube, man braucht beides. Wir müssen die historischen Rennen behalten. Aber wenn wir an Orte wie Singapur kommen, dann ist das auch ziemlich cool. Ich glaube einfach, dass wir die richtige Balance brauchen."
Frage: "Stimmt die Balance denn momentan?"
Hülkenberg: "Ja, ich denke schon."
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Frage: "Und wie sieht es beim Klima aus? Stimmt da auch die Balance?"
Hülkenberg: "Wir haben nicht so viele Regenrennen. Dabei sind gerade die immer aufregend und sorgen für tolles Racing. Ich weiß nicht, was man da machen kann ... Aber mehr Regenrennen wären für die Show sicherlich gut."
Frage: "Sie mögen Regenrennen ja auch ..."
Hülkenberg: "Ich liebe sie! Allerdings nur richtige Regenrennen, keine Intermediate-Bedingungen. Und heutzutage ist das Problem, dass wir dann gar nicht mehr fahren ..."
Frage: "Wie oft denken Sie an ihre Pole in Brasilien 2010 zurück?"
Hülkenberg: "Nicht so oft (lacht)."
Frage: "An welchen Moment ihrer Formel-1-Karriere erinnern Sie sich denn am liebsten zurück?"
Hülkenberg: "An das Rennen (in Brasilien) 2012, als ich den Grand Prix die meiste Zeit angeführt habe."
Frage: "Und in ihrer Karriere insgesamt? Ihren Sieg in Le Mans?"
Hülkenberg: "Nein, auch Brasilien!"