Jenson Button: Habe mich von der Formel 1 entliebt
Jenson Button gibt zu, dass ihn die Formel 1 am Ende seiner Karriere nicht mehr gereizt habe - Doch für andere Motorsportserien ist der Brite nach wie vor zu haben
(Motorsport-Total.com) - Der Große Preis von Monaco war sein letztes Formel-1-Rennen - dessen ist sich Jenson Button sicher. Der Weltmeister von 2009 muss sich eingestehen, dass die Formel 1 für ihn seinen Reiz verloren hat - obschon ihn die neue Generation von Boliden fasziniert. Der 37-Jährige fuhr von 2000 bis 2016 insgesamt 17 Formel-1-Saisons und vertrat 2017 Fernando Alonso in Monaco. Im Gespräch spricht er über seine Auszeit, alte Erinnerungen und was jetzt für ihn ansteht. Fazit: Er ist noch immer voll und ganz Rennfahrer.
Frage: "Vermissen Sie das Racing und die Formel 1?"
Jenson Button: "Das Racing? Ja. Aber das habe ich schon seit einigen Jahren vermisst. Für mich war es wunderschön, Zeit für mich zu haben, und entscheiden zu können, was ich nächste Woche tun möchte. Ich habe ausgiebiges Triathlon-Training betrieben, das war also schon eine intensive Zeit. Es ist schön, etwas Freizeit zu haben und auf die vergangenen 17 Jahre zurückschauen zu können. Wenn man Formel 1 fährt, tut man das nicht, weil man sich immer auf das nächste Rennen konzentriert. Jetzt auf die Karriere, auf die besonderen Momente zurückzuschauen... Gerade jene speziellen Momente sind besonders emotional."
"Es war schön und auch nötig. Während meiner Karriere haben sich viele Dinge zugetragen und ich hatte keine Zeit, über so manche Momente nachzudenken. Ich habe dieses Jahr gebraucht, um mich hinzusetzen und ein paar Dinge mit mir selbst zu reflektieren. Das war gut. Natürlich bin ich das Rennen in Monaco gefahren - ein Rennen, das man vergessen kann. Aber das Qualifying hat mir gefallen. Das andere Rennen, das mit diesen Monstern heraussticht, ist dieses. Ein 2017er-Auto hier in Suzuka zu fahren muss ziemlich cool sein. Aber vermisse ich die Formel 1? Nein."
"Ich vermisse aber schon das Racing. Irgendwie hatte ich mich vom Motorsport ein bisschen entliebt. Ich denke, dass ich vielleicht ein Jahr zu lange in der Formel 1 geblieben bin. Dann habe ich am Ende des vergangenen Jahres mit Honda gesprochen und sie gefragt: 'Hättet ihr etwas dagegen, wenn ich ein bisschen Spaß in eurem Super-GT-Fahrzeug haben kann?' Ich bin es dann beim Honda Thanks Day am Ende des vergangenen Jahres gefahren und ich liebte es. Das war einfach auf eigene Faust. Danach fragte ich, ob ich nicht die 1.000 Kilometer von Suzuka fahren kann. Sie sagten: 'Ja, wir können da sicher etwas auf die Beine stellen.'"
Fotostrecke: Die Formel-1-Karriere des Jenson Button
Schon als Milchbubi macht der junge aus Frome auf sich aufmerksam und gewinnt mit 18 auf Anhieb die Britische Formel Ford und wird ein Jahr später bester Rookie in der Britischen Formel 3. Ein Nachwuchspreis bringt ihm 1999 einen Test bei McLaren ein. Fotostrecke
"So bin ich als kompletter Grünschnabel in diese Klasse gekommen. Es ist ganz anders als alles, was ich jemals im Motorsport in anderen Kategorien gemacht habe. Wir haben kein tolles Resultat eingefahren, weil wir uns so ziemlich jedes Problem eingefangen haben, das man haben kann. Aber ich bin da rausgegangen und hatte das Gefühl, dass meine Liebe für den Motorsport wieder entflammt ist. Es ist schon eine Weile her, dass ich dieses Gefühl gehabt habe. Kommendes Jahr werde ich wieder Rennen fahren. Ich weiß noch nicht was und wo, ob Amerika, Europa oder Japan. Es gibt aber ein paar Möglichkeiten. Wenn, dann möchte eine volle Saison fahren und die Sache ernsthaft betreiben."
Frage: "Sind Sie in ernsthaften Gesprächen mit Honda?"
Button: "Ja. Yamamoto-san (gemeint ist Masashi Yamamoto, Hondas Motorsportchef; Anm. d. Red.). Er fragte mich nach dem Rennen, ob ich Interesse hätte, 2018 zu fahren. Ich sagte, ihm, dass ich auf jeden Fall interessiert sei. Ich hatte gerade das Auto gefahren und einen Riesenspaß dabei gehabt. Es ist möglich, dass ich in Japan fahren werde. Ich liebe dieses Land ohnehin, somit könnte ich mehr über Japans Kultur und seine Geschichte erfahren, es richtig erleben. Es wäre wohl das Beste aus beiden Welten, wenn ich hier fahren könnte."
Frage: "Sie sagten, dass die Liebe für den Motorsport erloschen ist. Aber denken Sie nicht, dass Sie sich einfach von der Formel 1 entliebt haben?"
Button: "Die Formel 1 war ja alles, was ich kannte. Ich bin noch nie etwas anderes gefahren. Ich habe versucht, 1999 an den 24 Stunden von Spa teilzunehmen, aber das hat sich nicht ergeben. Damit ist Formel 1 alles, was ich in den vergangenen 17 Jahren gemacht habe. Die letzten beiden Jahre waren ziemlich hart. Wenn man das Glück hatte, Erfolge zu erzielen wie ich und ein paar tolle Jahre mit McLaren zu haben und dann plötzlich ein paar Jahre hat, in denen man nichts erreichen kann und dabei all die anderen sieht, wie sie vorne um Siege kämpfen, dann ist das hart. Wirklich. Und ich fürchte, ich habe es zu lange betrieben."
Formel 1 auf gutem Weg
Frage: "Verfolgen Sie die Formel 1 noch?"
Button: "Ja. Ich hatte das erst nicht gedacht. Nach Abu Dhabi dachte ich mir, dass ich es mir wahrscheinlich nicht anschauen würde, weil das Fahren das ist, was ich liebe. Aber ich habe es mir angesehen."
Frage: "Und?"
Button: "Dieses Jahr war wirklich wichtig für die Formel 1. So, wie die Autos jetzt sind, ist es ein großer Fortschritt. Die Fahrer steigen aus dem Auto aus und man sieht, dass sie hart gearbeitet haben. Aber sie sind glücklich und genießen es, diese Autos zu fahren. Das ist wichtig für den Sport. So wird es auch für die Sponsoren und die Teams besser. Und die Fans lieben es. Es gibt zwei bis drei verschiedene Teams, die um Siege kämpfen. Das war lange Zeit nicht der Fall. Deshalb denke ich, dass der Kampf zwischen Ferrari und Mercedes großartig für den Sport ist. Es ist schade, dass es in den vergangenen beiden Rennen so gelaufen ist, wie es letztlich gelaufen ist, denn nun gibt es jetzt einen großen Abriss in der Weltmeisterschaft. Aber ich denke, die Formel 1 ist in einer wirklich guten Position. Drei Teams, die and der Spitze kämpfen - das braucht es für die Zukunft."
Frage: "Auf wen setzen sie ihr Geld in der Weltmeisterschaft?"
Button: "Man muss schon sagen, dass Lewis' Punktevorsprung massiv ist. Ich weiß, dass sich das Blatt in diesem Sport ziemlich schnell wenden kann, aber sie waren in diesem Jahr sehr stark in Sachen Zuverlässigkeit. Man kann mit Recht sagen, dass Lewis in diesem Jahr seinen gerechten Anteil am Glück hatte, das er vergangenes Jahr nicht gehabt hat. Das gleicht sich also alles aus. Vergangenes Jahr lief für ihn so unglücklich mit den Zuverlässigkeitsproblemen. Dieses Jahr scheint es so zu sein, dass es genau anders herum läuft."
"Ich bin bei den Rennen nicht mehr dabei und kenne nicht alle Details, aber so sieht es von außen betrachtet aus. Es macht viel Spaß zu sehen, wie diese Kerle gegeneinander fahren. Ich denke, viele Leute schalten aufgrund des Kampfes verschiedener Hersteller gegeneinander ein und ich bin sehr froh, dass das passiert ist."
Emotionale Momente jetzt erst verarbeitet
Frage: "Was sticht aus Ihrer Karriere heraus, wenn Sie zurückschauen?"
Button: "Einfach, diese ganzen Erfahrungen zu machen. Ich habe dieses Jahr mit verschiedenen Dingen gut zu tun gehabt, aber wenn ich Zeit habe und mich einfach auf die Couch setze, um zu reflektieren, geht es um jeden Moment in meiner Karriere - bis hin zu der Zeit, als ich mit Frank Williams unterwegs war und er mir sagte, dass ich neben Ralf Schumacher fahren und Formel-1-Fahrer werden würde. Das ist einer der Momente, der herausragt. 'Ja, Frank' zu sagen und dann rauszugehen, um meinem Vater in die Arme zu fallen. Das war ein emotionaler Moment."
Fotostrecke: Top 12: Jenson Buttons beste Rennen
#12: Deutschland 2000. Bis ein Verrückter die Strecke in Hockenheim überquerte, schien es nicht Buttons Tag zu werden. Doch als ihn Williams bei einsetzendem Regen zum optimalen Zeitpunkt an die Box holte, witterte er seine Chance - und ließ sich diese nicht entgehen. Platz vier war das beste Ergebnis seiner Debütsaison in der Formel 1. Fotostrecke
"Es sind so viele Details, die man in der aktiven Zeit in den Hinterkopf verbannt hat. Man fährt ein Rennen und wenn es zu Ende ist, denkt man gleich ans nächste. Man hat nicht wirklich Zeit, über die guten wie auch schlechten Momente, die man so gehabt hat, nachzudenken."
Frage: "Wie ist das Leben?"
Button: "Es läuft gut. Ich bin glücklich. Ich verbringe viel Zeit in den Vereinigten Staaten. Meine Freundin kommt aus Kalifornien. Und ich habe zwei Welpen, das ist fantastisch. Jeden Tag, den ich von ihnen getrennt bin, vermisse ich sie. Es ist ein fantastisches Gefühl, Zeit zu Hause zu verbringen. Aber ich bin bereit, wieder hinauszugehen, meinen Mann zu stehen und Rennen zu fahren. Das ist für das nächste Jahr auf dem Schirm."
Prototypen ja, IndyCar und Formel E nein
Frage: "Welche Kategorien in den USA und Europa würden Ihnen gefallen?"
Button: "Die IMSA. Ich liebe es, wenn alle faktisch das gleiche Material haben. Es gibt einen festgelegten Pool von Chassis, mit denen sie fahren, und dann kann man sein eigenes Aeropaket und seinen eigenen Motor an den Start bringen. Mehrere Hersteller fahren in dieser Kategorie. Motorsport in Amerika wächst. Die GT-Kategorie ist großartig, aber ich weiß nicht, ob ich es übers Herz bringe, ein Auto zu fahren, das dauernd von Prototypen überholt wird. Das ist etwas, das mir nicht in den Kopf will."
"Ich würde auch gern irgendwann mal in Le Mans fahren, bin mir aber nicht sicher, ob es der richtige Zeitpunkt ist. Die LMP2-Kategorie ist super mit so vielen Teams und zahlreichen talentierten Fahrern. Aber dann gibt es halt die LMP1..."
Frage: "Was ist mit IndyCar und Formel E?"
Button: "Kein Interesse. In der IndyCar-Serie fahren einige hervorragende Fahrer. Aber es ängstigt mich zu Tode. Ich bin fasziniert, dass sie noch immer Ovalrennen fahren. Das sind sehr mutige Typen. Aber da lasse ich die Finger von. Ich habe nicht das Gefühl, dass es zum jetzigen Zeitpunkt meiner Karriere noch nötig wäre."
"Die Formel E hat auf jeden Fall ihren Platz. Sie ist großartig für Hersteller und mit der Technologie, die verwendet wird, wird sie wachsen. Es ist unglaublich, wie schnell sie wächst, und wie sich alle - Teams, Hersteller, Fahrer - engagieren. Aber es ist einfach nichts, was mich vom Hocker haut. Ich will den Sound spüren. Ich will etwas fahren, das mindestens 600 PS hat, denn damit bin ich aufgewachsen."
"Ich bin früher zu Strecken wie Donington oder Castle Combe gegangen, um verrückte Rennen zu sehen. Etwa einen Porsche Turbo mit 900 PS gegen einen Mini, der so breit war, wie er lang war, und einen völlig verrückten Motor eingebaut hatte. Das ist das, was ich immer geliebt habe - Fahrzeuge, die die ganze Zeit außer Kontrolle sind. Ich habe das Gefühl, dass die Formel E anders ist. Aber sie hat in jedem Fall ihre Berechtigung. Sie zieht viele Fahrer an, weil man in dieser Kategorie Geld verdienen kann."
Medienkarriere nicht eingeplant
Frage: "Wie bewerten Sie Monaco 2017 jetzt?"
Button: "Es war verrückt, einfach mal in ein Formel-1-Auto zu springen und ein Auto in Monaco zu fahren, das ich noch nie gefahren bin. Wenn ich zurückblicke, bin ich sehr zufrieden, wie es gelaufen ist. Nicht im Rennen, aber im Qualifying. Auf Platz neun mit nur sehr begrenzter Trainingszeit in Monaco mit einem ungewohnten Auto zu fahren, hat mich komplett entzückt. Das war wohl eines meiner besseren Qualifyings."
Frage: Hat es Ihnen das Gefühl gegeben, die richtige Entscheidung getroffen zu haben?
Button: Es war schön, noch einmal diese Fahrzeuge probieren zu können. Monaco ist ein verrücktes Wochenende und ganz anders als alles anderen. Aber als ich das Wochenende beendet hatte, habe ich das Gefühl gehabt, dass ich nicht mehr zurückkommen würde.
Frage: "Wie gefällt Ihnen die Medienarbeit?"
Button: Silverstone hat mir Spaß gemacht. Es ist schön, den Sport aus einer anderen Perspektive zu sehen. Es war das erste Mal, dass ich beim britischen Grand Prix auf dem Podium gestanden habe. Ein schönes Gefühl, dort mit einem anderen britischen Fahrer zu stehen, der das Rennen gewonnen hat. Ich habe das Wochenende genossen. Aber Kommentare zu Rennen abzugeben ist nicht so mein Ding. Ich bin noch immer Rennfahrer. Da liegt meine Leidenschaft. Ich würde schon gerne wieder ins Cockpit steigen, weil es Spaß macht. Aber zu jedem Rennen zu kommen, um nur zuzuschauen, ist nichts für mich."