Robert Kubica spricht nach Ungarn-Test: Traum rückt näher!
Nach seinem erfolgreichen Test stellt sich Robert Kubica in Ungarn den Fragen der Journalisten: Welche Probleme er beim Fahren hatte und wie die Zukunft aussieht
(Motorsport-Total.com) - Es war ein ungewöhnliches Bild: Als Robert Kubica nach seinem ersten Test in einem aktuellen Formel-1-Auto den Raum für eine kleine Pressekonferenz betritt, klatschen die anwesenden Journalisten. So etwas hat man nach Testfahrten eher selten gesehen. Doch der Pole ist am zweiten Tag der Testfahrten unbestritten der Star des Feldes. Sechseinhalb Jahre nach seinem schweren Rallye-Unfall ist er wieder zurück in der Formel 1.
Mit Rang vier verläuft sein Einsatztag relativ erfolgreich, zumal er bis auf ein Missgeschick bei der ersten Ausfahrt keine Fehler macht und trotz Handicaps mehr als 140 Runden abspult. Sichtlich gezeichnet vom harten Tag stellt er sich im Anschluss aber den Fragen der Presse und berichtet dort über seine Eindrücke beim Fahren, welches Problem seine Verletzungen darstellen und wie es nun mit ihm weitergeht.
Frage: "Robert, könnten Sie einfach zu Beginn ihre Gefühle über den Tag beschreiben?"
Robert Kubica: "Es ist ein großartiges Gefühl - wie immer! Der Start in den Tag war nicht so einfach. Ich habe vermutlich einen der größten Patzer in der Formel 1 hingelegt. Um ehrlich zu sein war ich so konzentriert darauf, keine Leute vor mir umzufahren, dass ich vergessen habe, dass die Autos nun länger und breiter sind. Das war aber der einzige Fehler von mir - das ist positiv! Okay, natürlich wäre es besser, überhaupt keinen Fehler zu machen, aber im Grunde war es ein sehr produktiver Tag. Das gilt vor allem für mich, aber ich denke auch für das Team. Wir haben viele Dinge getestet und am Ende des Tages nur einen Versuch verpasst - aufgrund der roten Flaggen. Ansonsten lagen wir perfekt im Zeitplan. Alles gut."
"Aber es war heiß und ich hatte hinter dem Lenkrad viel zu tun. Die Reifen sind schnell. Der größte Unterschied ist, dass das Auto nichts mehr mit den Autos gemeinsam hat, die ich früher gefahren bin oder zuletzt getestet habe. Wenn so viele Dinge anders sind, dann benötigt es etwas Zeit, um sich anzupassen. Wir müssen glücklich sein. Natürlich möchte man immer mehr, aber wir müssen realistisch bleiben. Es war kein einfacher Tag, aber wir haben gute Arbeit geleistet."
Kein Blick für die Zeit von Palmer
Frage: "Sie haben gesagt, sie würden glücklich sein, wenn Sie gute Arbeit geleistet hätten. Sind sie denn glücklich?"
Kubica: "Ja, aber nicht zu 100 Prozent! Als ich zum ersten Mal aus dem Auto stieg, war Mittagspause. Ich bin vor 9 Uhr eingestiegen und bis 13 Uhr gefahren. Ich hatte nicht wirklich Zeit, um darüber nachzudenken, was vor sich geht. Ich habe einfach Informationen und Eindrücke gesammelt, hatte aber keine Zeit sie zu ordnen."
"14 Uhr stieg ich wieder ins Auto und fühlte mich wie ein anderer Fahrer. Das Auto fühlte sich viel vertrauter an. Das ist ein gutes Zeichen. Viele Leute denken, dass man sich nur beim Fahren verbessert, aber man kann sich auch beim Denken verbessern. Ich bin sicher: Wenn ich morgen fahren würde, hätte ich ein paar Ideen, wie ich mich verbessern kann. Ich würde mich viel wohler im Auto fühlen, und alles würde einfacher und natürlicher sein. Das ist das Ziel."
Frage: "Am Ende fehlten Ihnen 0,16 Sekunden auf die Zeit von Jolyon Palmer im Qualifying. War es auch ein Ziel, die Zeit im Blick zu haben?"
Kubica: "Ich kann mich nicht einmal erinnern, welche Zeiten am Rennwochenende gefahren wurden. Wir hatten einen Plan, den wir abspulen wollten. Es waren nützliche Dinge, aber auch Runden, in denen ich einfach nur Informationen für mich gesammelt habe. Die meiste Zeit habe ich aber einige Teile für das Team evaluiert. Das Ziel war, so viele Dinge wir möglich abzuhaken. Wir haben unsere Ziele erreicht, das ist das Wichtigste."
Kubica: Könnte morgen wieder fahren!
Frage: "Wie groß waren die körperlichen Belastungen für Sie?"
Kubica: "Wir wissen, dass Ungarn eine der schwierigsten und körperlich anstrengendsten Strecken ist. Als ich hierher kam, wusste ich - und Nico Hülkenberg hat das Gleiche gesagt -, dass ich vermutlich überall fahren kann, wenn ich einmal in der Lage bin, hier zu fahren. Es war harte Arbeit, aber ich denke, dass alle Piloten heute eine harte Zeit im Auto hatten. Ihr könnt euch vorstellen, dass es nicht einfach war. Das will ich auch gar nicht bestreiten."
"Aber es war gut. Wir sind über 140 Runden gefahren, und ich könnte morgen vermutlich wieder fahren, von daher ist das Fitness-Niveau hoch - ein gutes Zeichen. Natürlich kann und muss es noch besser sein, aber so ist es immer. Wenn mir vor ein paar Monaten jemand gesagt hätte, dass ich hier sein und 140 Runden fahren würde, dann hätte ich das sofort unterschrieben. Aber wenn man einmal hier ist, möchte man mehr erreichen. Wir müssen aber glücklich sein - ich bin glücklich."
Frage: "Könnten Sie erklären, welche körperlichen Veränderungen zu dem Test geführt haben? Im vergangenen Jahr sah es noch nicht so aus, als sei so etwas möglich."
Kubica: "Nichts hat sich verändert. Ihr sagt, dass es unmöglich war. Ich bin der gleiche Kerl wie vor zehn Monaten, vor vier Monaten oder vor einer Woche. Meine Einschränkungen sind dieselben. Allerdings hat sich aus körperlicher Sicht einiges verändert, weil ich angefangen habe, mich vorzubereiten. Ein Comeback hatte ich nicht zum Ziel genommen, aber ich wusste, dass ich bereit sein muss, wenn ich die Chance bekomme."
"Die Formel 1 ist ein sehr anspruchsvoller Sport - vor allem mit den neuen Autos. Es sind die schnellsten Autos der vergangenen 20 Jahre. Außerdem sind sie schwerer, und das ist ein großer Unterschied. Niemand spricht darüber, weil sich die Fahrer daran gewöhnt haben. Aller zwei Jahre hat man das Minimumgewicht erhöht. Zu meiner Zeit lag das Mindestgewicht bei 625 Kilogramm, und jetzt 100 Kilogramm mehr um den Kurs zu bewegen, macht schon einen großen Unterschied."
"Wenn man in einem Rallye-Fahrzeug, das 1.300 Kilogramm wiegt, ein Ersatzrad von 20 Kilogramm mitnimmt, spürt man das. Da kann man sich vorstellen, wie das bei einem 600-Kilogramm-Auto ist, wenn man 100 Kilogramm hinzufügt. Für mich hat sich daher viel verändert. Es gab viele Dinge zu lernen. Aber körperlich ist es weniger schwierig. Im Auto ist es viel besser, als es von außen aussieht. Das ist das Wichtigste."
Keine Schmerzen im verletzten Arm
Frage: "Wie sieht es mit Schmerzen aus?"
Kubica: "Ich hatte keine Schmerzen. Ich fühlte mich sogar sehr wohl. Ich bin natürlich müde, weil es ein heißer Tag war. In acht Stunden bin ich nur einmal für zehn Minuten ausgestiegen. Und wenn man im Auto sitzt, wird das ziemlich warm. Ich wusste das aber, und das ist nichts Neues."
Frage: "Wie wohl fühlten Sie sich mit den Knöpfen am Lenkrad? Haben Sie die Fertigkeit, um damit umzugehen?"
Kubica: "Das ist kein Problem. Auch bei den Anpassungen gab es nichts, das speziell für mich angefertigt wurde. Ja, es gibt ein paar Anpassungen bei den Schaltwippen, aber das wurde bereits in der Vergangenheit genutzt und gab es auch bei anderen Teams - auch im Simulator habe ich das schon genutzt. Es gibt also nichts, was nur für mich gemacht wurde. Am Lenkrad wurden lediglich ein paar Knöpfe neu positioniert, damit ich die Wichtigsten einfacher bedienen kann. Die unwichtigen Knöpfe, die man nie oder nur selten benutzt, sind in einer Position, die für mich schwieriger zu erreichen sind. Abgesehen davon ist alles Standard."
Frage: "Wie sieht es denn nun mit der Zukunft aus? Ist es mittlerweile etwas klarer?"
Kubica: "Es gibt nur einen Plan, und der sieht vor, morgen den Flug nach Hause zu nehmen. Ich weiß nicht. Wir werden sehen. Ich hätte gerne andere Möglichkeiten, aber die Realität ist, dass ich es nicht weiß. Wir müssen abwarten."
Nun Comeback? "Nichts ist unmöglich"
Frage: "Wollte seit 2011 nur Renault Ihnen eine echte Möglichkeit für ein Comeback geben oder gab es nach ihren Simulatoreinsätzen auch Chancen bei Mercedes oder einem anderen Team?"
Kubica: "Wenn ich gewollt hätte, hätte ich schon vor ein paar Jahren ein Formel-1-Auto testen können. Zu diesem Zeitpunkt hatte ich jedoch andere Prioritäten. Für mich war klar: Ich muss sicherstellen, dass ich meinen Job ordentlich mache, wenn ich eine Chance bekomme. Dafür muss ich mich vorbereiten. Es war die richtige Entscheidung."
Frage: "2013 sagten Sie, dass die Rückkehr in die Formel 1 ein unmöglicher Traum sei. Ist das immer noch der Fall?"
Kubica: "Nichts ist unmöglich. In den vergangenen sechs Jahren ging ich durch unterschiedlichste Phasen in meinem Leben. Die waren hauptsächlich von meinen körperlichen Problemen und Verletzungen geprägt. Auch in meinem Kopf hat sich eine Menge abgespielt, was aber wohl normal ist. Mein Ansatz war daher ganz einfach: Alles kann passieren. Wenn man sieht, wo ich vor vier Monaten war und wo ich jetzt bin, dann ist das ein große Veränderung. Und alles passierte ziemlich schnell."
"Ich denke, wenn ich mich in drei Monaten stark verbessert und enorme Fortschritte gemacht habe, dann ist für die Zukunft alles möglich. Aber wir müssen realistisch bleiben: Nichts wird einfach werden. Wenn ich die Chance habe, ist eine Rolle in der Formel 1 natürlich mein Ziel, aber im Moment weiß ich nichts. Nur eines ist klar: Sollte es nicht passieren, wäre ich nicht enttäuscht, weil ich die Chance sehr realistisch betrachte."
"Ich schätze es, was Renault für mich getan hat. Als wir uns das erste Mal trafen, dachte niemand daran, mich an einem offiziellen Tag auf dem Hungaroring fahren zu lassen. Aber es ist so gekommen. Das zeigt, dass die vergangenen zweieinhalb Monate sehr wichtig waren. Es liegt aber noch eine Menge vor mir. Die Dinge sind ganz, ganz weit weg. Ich möchte einfach den Moment genießen und darüber nachdenken, was heute passiert ist."
"Wenn ich die Chance bekomme, noch einmal in das Auto zu steigen, dann wird alles einfacher und vertrauter sein. Als Fahrer ist es das beste Gefühl, wenn alles so einfach ist, dass man nicht mehr darüber nachdenkt. Aber wenn alles neu ist, dann musst du darüber nachdenken. Du musst dich auf die neuen Dinge konzentrieren und du musst weiter analysieren, während du fährst. Ich bin ehrlich: Das Letzte, was ich heute wollte, ist ein Abflug oder Unfall. Das will niemand. Aber der Nachmittag war ziemlich produktiv - auch aus fahrerischer Sicht, nicht nur von der Arbeit des Teams aus gesehen."