Wehrleins Formel-1-Aufstieg: Mit einem Verrückten fing es an...
Manor-Pilot Pascal Wehrlein im Interview: Wieso ein Barrichello-Sieg der Startschuss war, Peter Mücke als Schlüssel gilt und Manor 2017 der richtige Schritt sein kann
(Motorsport-Total.com) - Als DTM-Meister in die Formel 1 kommen, das hatte vor Pascal Wehrlein zuletzt Paul di Resta geschafft. Doch der Brite konnte sich in der Königsklasse nicht durchsetzen und ist mittlerweile wieder in die Tourenwagen-Serie zurückgekehrt. Wehrlein hat den Aufstieg mit Hilfe von Mercedes ebenfalls geschafft, doch der Sigmaringer ist gekommen um zu bleiben. Bei Manor legt er derzeit einen starken Auftritt hin, der seinem Team bislang einen Punkt und damit möglicherweise viele Millionen bringen wird. Im persönlichen Interview erzählt der Deutsche, wie ein Verrückter die Formel 1-Leidenschaft entfacht hat, warum Peter Mücke ein Glücksgriff war und was er von seinem mauritischen Hintergrund hält.
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Beim Deutschland-GP 2000 erwachte das Formel-1-Interesse von Pascal Wehrlein Zoom Download
Frage: "Pascal, du hast einen besonderen Weg in die Formel 1 genommen. War es immer dein Plan, in die Formel 1 zu kommen? Was hat dein Interesse entfacht?"
Pascal Wehrlein: "Ich war schon immer am Motorsport interessiert und habe mit meinem Dad die Formel 1 verfolgt. Als ich fünf Jahre alt war, saßen wir in Hockenheim auf der Haupttribüne. Es war das Rennen 2000, das Barrichello gewonnen hatte, nachdem ein Mercedes-Mitarbeiter durch den Wald gelaufen war (zum Video auf YouTube). Danach habe ich immer gesagt, dass ich eines Tages Formel-1-Fahrer sein möchte."
"Ich habe meine Eltern dann so lange genervt, mich in ein Kart zu stecken, damit ich mit dem Fahren anfangen kann. Ich war acht, als ich mit dem Kartsport angefangen habe. Viermal habe ich die Deutsche Meisterschaft gewonnen, bevor ich in den Formelsport aufstieg."
Frage: "Mit was für Karts hast du damals angefangen?"
Wehrlein: "Es waren Karts mit 60 oder 80 ccm - ich bin mir gar nicht mehr so sicher. Die hatten neun oder zehn PS damals."
Frage: "Was macht dein Vater beruflich? Hattet ihr Probleme mit der Finanzierung?"
Wehrlein: "Mein Vater besitzt mit einem anderen zusammen ein Unternehmen. Sie haben rund 40 Angestellte, die im Bereich Industrie tätig sind. Wir arbeiten auch für Mercedes und fertigen Getriebeteile für Trucks. Es gab natürlich ein Budget, aber der Kartsport kann schon teuer sein. Leute geben 100.000 Euro für den Kartsport aus, was schon ziemlich lächerlich ist."
"Wir hatten unsere eigenen Zelte, Karts und Mechaniker, und ich denke, dass wir mit unseren Mitteln einen sehr guten Job gemacht haben. Ich hatte auch ein paar nationale Sponsoren wie ADAC und die Deutsche Post Speed Academy. Ich war einer von zehn oder zwölf Junioren, die finanziell unterstützt wurden."
"Ich würde schon sagen, dass ich in einer glücklichen Position war, ansonsten wäre ich heute nicht in der Formel 1. Natürlich muss man Leistung zeigen und die Performance liefern, danach sind die Leute auch an dir interessiert. Alles hat gut funktioniert, und 2012 kam ich dann in das Juniorenprogramm von Mercedes."
Peter Mücke als Türöffner
Frage: "Durch Toto Wolff?"
Wehrlein: "Zu dieser Zeit war das noch Norbert Haug. Toto kam erst Ende 2012 dazu. Zuvor hatte ich das Glück, 2010 zu Peter Mücke in der Formel ADAC zu stoßen. Er war ein sehr netter Teamchef. Die Serie ist heute die Formel 4. 2010, 2011 und 2012 fuhr ich für Mücke, weil er ein DTM-Team hatte und mit Norbert, HWA und Mercedes in Kontakt stand."
"Er hat mich nach dem Gewinn meiner Meisterschaft 2011 vorgestellt, und sie waren sehr interessiert und wollten mich unterstützen. Sie hatten damals kein offizielles Juniorenprogramm, allerdings hatten sie ein paar Formel-3- und DTM-Fahrer unter Vertrag. Ich bin ihnen 2012 beigetreten und hatte danach ein großartiges Jahr in der Formel 3, wo ich Zweiter geworden bin. Ein Jahr später war ich in der DTM."
Frage: "Bestand das Paket der Speed Academy nur aus finanzieller Unterstützung oder haben sie dir auch bei Aktivitäten außerhalb der Strecke geholfen - etwa Promotion, PR oder Medienangelegenheiten."
Wehrlein: "Wir hatten viele Workshops für Medien, Training und andere Arbeiten, die man als Fahrer machen muss - etwa wie man Sponsoren findet oder sich repräsentiert."
Frage: "Deine Mutter ist von Mauritius, dein Vater aus Deutschland. Siehst du dich als Deutscher oder doch als halber Mauritier?"
Wehrlein: "Ich sehe mich selbst als Deutscher, aber mit mauritischem Hintergrund. Ich bin in Deutschland aufgewachsen, außerdem ist Deutsch meine Muttersprache. Französisch kann ich nur ein wenig. Ich bin aber auch sehr glücklich, den anderen Teil von Mauritius zu haben. Es sind zwei verschiedene Kulturen, und es ist immer schön, im Winter zurück nach Mauritius zu kommen und meine Familie zu sehen."
Manor oder anderes Team?
Frage: "Wie siehst du die weitere Entwicklung deiner Karriere?"
Wehrlein: "Ich denke, dass bislang alles nach Plan verläuft. Für mich war es sehr wichtig, dass ich im Vorjahr die DTM gewonnen habe und dadurch die Chance hatte, in die Formel 1 zu kommen. Ich bin sehr glücklich, dass mir Mercedes die Chance gegeben hat, meine erste Saison in der Formel 1 zu fahren. Bislang bin ich mit dem Jahr sehr zufrieden."
Frage: "Wenn du die Wahl hättest, was würdest du tun: Teamleader bei Manor bleiben oder zu einem Team wie Force India oder Williams gehen? Was wäre besser für dein Wachstum?"
Wehrlein: "Das ist eine schwierige Frage, besonders da sich die Regeln im kommenden Jahr ändern und man nicht weiß, wo die Teams in Sachen Performance stehen werden. In der Theorie: Im Moment macht Force India einen hervorragenden Job und ist unter den besten vier Teams. Aber wenn sie im kommenden Jahr nur Achter sind, dann hätte man mehr von ihnen erwartet."
Fotostrecke: Pascal Wehrlein: Sein Weg in die Formel 1
Der in Sigmaringen geborene Wehrlein, dessen Mutter aus Mauritius stammt, stieg 2003 in Rottweil in den Kartsport ein. Er absolvierte auch eine Ausbildung zum Feinmechaniker im Betrieb seines Vaters. Fotostrecke
"Bei Manor hat man diese hohen Erwartungen aber nicht, und ich denke, dass das Team einen großartigen Job macht. Wir könnten im kommenden Jahr ein tolles Auto haben und ein oder zwei Teams überholen - und das kann mit neuen Regeln leicht passieren. Wenn man die Erwartungen übertrifft, hat man immer gewonnen. Wenn man aber nicht erreicht, was alle erwarten, dann verliert man."
"Am Ende ist es aber auch eine Entscheidung von Mercedes. Sie sprechen für mich mit den Teams. Im Moment besitze ich einen Vertrag über ein Jahr und bin sehr glücklich bei Manor. Wir werden sehen, was entschieden werden wird."