• 23. August 2016 · 11:24 Uhr

Kai Ebel: "Schumania" in Deutschland lässt sich wiederholen

Der TV-Paradiesvogel im Interview: Was Hamilton mit einer Zitrone zu tun hat, wieso Rosberg nicht zu lieb für den Titel ist und Vettel Ferrari eines Tages verlassen könnte

(Motorsport-Total.com) - Kai Ebel hat in seinen 24 Jahren als Fernsehreporter für RTL so ziemlich jeden im Formel-1-Zirkus am Mikrofon gehabt - entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt. Klar, dass der 51-Jährige weiß, wie Piloten ticken. Im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erklärt er, warum Lewis Hamilton die Paparazzi abgeschafft hat, zuweilen aber ein schwieriger Pappenheimer ist. Ebel warnt davor, Mick Schumacher als deutschen Hoffnungsträger der Generation PlayStation zu stark unter Druck zu setzen.

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Kai Ebel ist seit der Saison 1992 am Puls der Formel 1: Er weiß, wie Hamilton tickt Zoom Download

Frage: "Kai, schrille Outfits sind seit Jahrzehnten dein Markenzeichen. Auch Lewis Hamilton mag es gerne auffällig, glänzend und provokant. Wer ist jetzt die Stilikone der Formel 1?"

Kai Ebel: "Lewis Hamilton, ganz klar! Ich bin ja kein Formel-1-Fahrer. Aber wahrscheinlich habe ich mich früher für Mode interessiert als Lewis."

Frage: "Gefällt dir Lewis Hamilton als Typ?"

Ebel: "Absolut, er ist ein echter Verkaufsschlager, unverwechselbar und besitzt etwas, was die wenigsten Piloten haben: Glamour. Man interessiert sich für ihn auch über die Szene hinaus."

Hamilton: Zwischen Hollywood-Show und Einsilbigkeit

Frage: "Aber es ist sicher nicht gerade einfach, mit ihm zu arbeiten..."

Ebel: "Er kann ziemlich launisch sein. Wenn es bei ihm richtig gut läuft, ist er brillant. Dann liefert er eine hollywoodreife Show ab. Wenn es nicht läuft, kann er wortkarg sein. Man stellt ihm die offensten Fragen der Welt und bekommt ein- oder zweisilbige Antworten - man muss ihn auspressen wie eine Zitrone. Aber deswegen mache ich es gerne. Er ist eine Herausforderung. Und er hat die Paparazzi abgeschafft: Bei dem, was er alles selbst in sozialen Netzwerken veröffentlicht, hätte es früher Millionenklagen gegeben."


Fotostrecke: Hamilton vs. Rosberg: Die Crash-Chronologie

Frage: "Braucht die Formel 1 mehr Kerle von diesem Schlag?"

Ebel: "Von so einem extremen Typen reicht einer. Da ist es schön, einen Gegenentwurf zu haben. Was wollen wir mit 22 Kimi Räikkönens, Nico Rosbergs oder Lewis Hamiltons? Wichtig ist, dass die Jungs authentisch sind. Sobald jemand versucht, eine Rolle zu spielen, merkt man es ihm an und es wird ein Stück weit unehrlich."

Frage: "Stichwort Nico Rosberg. Er ist immer höflich und galant. Zu lieb für den WM-Titel?"

Ebel: "Das würde ich nicht sagen. Es gibt die unterschiedlichsten Typen. Unterschiedlichste Wege führen zum Ziel. Lewis ist ein Instinktfahrer mit natürlichem Speed. Er will sich nicht geistig mit jedem Detail auseinandersetzen. Er will brutal schnell sein. Nico überlässt nichts dem Zufall und analysiert alles - bis hin zur Ernährung."

Ferraris Leidenszeit: Vettel sollte sich Schumacher zum Vorbild nehmen

"Er hat außerhalb des Cockpits perfekte Manieren, ist immer freundlich, spricht fünf Sprachen perfekt - ein Vorbildsportler, aber das hat mit seiner Leistung nichts zu tun. Deshalb ist er nicht langsamer. Nur vielleicht analysiert er manchmal einen Tick zu viel und sollte auf seinen Bauch hören. Wenn man das ständig tut, kann es umgekehrt wie bei Lewis Hamilton in Baku passieren, dass man einen Fehler macht, weil man die Strecke im Vorfeld nicht ordentlich analysiert hat."

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Braucht endlich ein schnelles Auto: Sebastian Vettel muss geduldig sein Zoom Download

Frage: "Sebastian Vettel und Ferrari sind nicht mehr die Erfolgsverbindung, wie es 2015 den Anschein hatte. Passt das noch zusammen?"

Ebel: "Das passt noch gut zusammen. Wenn ich daran denke, wie lange Michael Schumacher gebraucht hat, um Erfolg zu haben: Es dauert eine Weile bis sich alle aneinander gewöhnen. Im Moment kämpft Sebastian mit stumpfen Waffen. Bei Ferrari muss vielleicht umstrukturiert werden. Ein Abgang wie der von Technikchef James Allison ist schwer zu verkraften. Sie brauchen jemanden, der für das kommende Jahr ein perfektes Auto hinstellt. Ich komme nicht aus der Technik, glaube aber, dass es das A und O ist. Red Bull ist noch da, weil sie Leute haben, die es verstehen, ein tolles Auto zu bauen. Wenn das bei Ferrari klappt, gewinnt Sebastian wieder Rennen und fährt um den WM-Titel. Die Formel 1 braucht ein starkes Ferrari-Team."

Frage: "Sebastian Vettel ist niemand, der mit seiner Meinung hinter dem Berg hält. Könnte es sein, dass er oder das Team die Geduld verlieren?"

Ebel: "Er ist ein absoluter Profi und weiß, dass das Team anders tickt als Red Bull. Wenn er sich in Erinnerung ruft, dass Michael fünf oder sechs Jahre gebraucht hat, dann weiß er, dass er es nicht unbedingt im zweiten oder dritten Jahr schaffen muss. Er muss Geduld haben und ist intelligent genug um zu wissen, wie lang und holprig der Weg sein kann."

Zweite "Schumania" dank Mick Schumacher?

"Ich kann aber nicht in die Zukunft schauen: Wer sagt, dass er nicht morgen seine Meinung ändert? Wie oft sehen wir beim Fußball, dass sich jemand nach jedem Tor auf das Vereinswappen auf der Brust klopft und schwört, er spiele ein Leben lang bei einem Klub - und in der nächsten Saison ist er plötzlich weg. Das kann auch in der Formel 1 passieren. Alle haben sehr viel Spaß am Motorsport, aber es geht auch um einen Beruf. Und darum, Geld zu verdienen. Wenn jemand mit viel Geld und der Möglichkeit, den WM-Titel zu gewinnen, winkt, sagt niemand so schnell nein."

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Begeisterng wie zu Zeiten Schumachers kann es wieder geben, sagt Ebel Zoom Download

Frage: "Du hast die 'Schumania' in den Neunzigerjahren hautnah miterlebt. Lässt sich in Deutschland nochmals so viel Euphorie für die Formel 1 entfachen?"

Ebel: "Ich glaube, es lässt sich wiederholen. Wir sehen schon jetzt, dass wir auf einem guten Weg sind. Der Wechsel von Vettel zu Ferrari hat etwas bewirkt. Wichtig ist, dass die Protagonisten der Formel 1 - also die Fahrer, Teamchefs und Promoter - ihr eigenes Produkt nicht schlechtreden. Sonst ist es ein schlechtes Zeichen, aber das sich wieder geändert."

"Wenn ich unsere Einschaltquoten zugrunde lege, kann ich sagen, dass wir Fortschritte verzeichnen. Es tut sich etwas, obwohl Sebastian Vettel nicht um den WM-Titel mitfährt. Ich hätte gedacht, es hinge sehr viel davon ab. Stellen wir uns vor, er wird besser, die Roten kämpfen gegen die Silberpfeile und es fahren zwei Deutsche um die WM: Das würde ein Schippchen drauflegen. Nicht zu vergessen: Es wird ein paar Jahre dauern, dann taucht der Name Schumacher wieder in der Formel 1 auf. Da würde sich eine ganze Menge mehr bewegen."

Dank der PlayStation: Verstappen ist ein "Jahrhunderttalent"

Frage: "Du sprichst von Mick Schumacher. Schon als er in Hockenheim zu Gast war, war der Hype riesig. Tritt er eines Tages in die Fußstapfen seines Vaters?"

Ebel: "Man muss vorsichtig sein. Die Fußstapfen eines Michael Schumacher sind momentan für jeden zu groß. Wer weiß, ob es jemals wieder einen geben wird, der sieben WM-Titel gewinnt? Der Junge darf nicht zu viel Druck bekommen. Er ist ein Talent, er fährt mit Kopf und gewinnt die ersten Rennen. Man darf nicht den Fehler machen, ihn mit Max Verstappen zu vergleichen, der mit 17 Jahren ohne Führerschein eingestiegen ist. Er ist die absolute Ausnahme und ein Jahrhunderttalent. Mick Schumachers Vorteil ist: Wenn er in die Formel 1 kommt, wird er wohl auch ein gutes Auto bekommen und die Chance haben, vorne mitzufahren."

Frage: "Apropos Max Verstappen: Er hat einiges von dem, was er kann, auf der PlayStation gelernt. Ist das ein neuer Weg für junge Talente, um in die Formel 1 zu kommen?"

Ebel: "Andersherum wird ein Schuh draus: Ohne Simulation ist es nicht mehr möglich, in die Formel 1 zu kommen. Dafür ist alles zu technisch. Wenn wir die Lenkräder von heute anschauen und sie mit denen von früher vergleichen: Da braucht man ein hohes technisches Verständnis, man muss Multitasking beherrschen. Es gibt zu viele Schalter und es sind zu viele Dinge zu beachten. Auch die Motoren sind komplizierter geworden. Es geht viel mehr um Kopfarbeit. Die mentale und geistige Vorbereitung ist wichtiger. Wie sonst könnte man sich darauf einstellen und Dinge automatisieren, wenn man eine Strecke nicht im entsprechenden Auto gefahren ist?"

Frage: "Spielst du selbst auch auf der PlayStation?"

Ebel: "Ich bin weder Rennfahrer noch Spieler. Ich kenne alles und finde es sehr reizvoll, aber ich bin nicht besonders talentiert. Ich habe meinen Platz auf der anderen Seite der Leitplanke gefunden, dort soll er bleiben."

Frage: "Du hast auch keine Ambitionen, eines Tages eine Rennlizenz zu machen?"

Ebel: "Ich dachte immer, es sei sinnvoll, ein Fahrtraining zu machen, um für die Fahrsicherheit etwas dazuzulernen und die Rennfahrer etwas besser zu verstehen. Für eine Rennlizenz braucht man Zeit, die einem die Formel 1 nicht bietet."

Frage: "Eine Rennlizenz kannst du mit dem neuen Gran Turismo Sport auch auf der Konsole machen..."

Ebel: "Das könnte ich mir schon eher vorstellen. Erst die digitale Rennlizenz machen und dann die richtige."

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