Valtteri Bottas: Finnisches TV vermarktet Rivalität mit Kimi
Valtteri Bottas im Interview: Warum er sich über gute Schulnoten freut, er bei Williams Potenzial sieht und wie das finnische TV seine Rivalität mit Kimi Räikkönen spielt
(Motorsport-Total.com) - Genau wie 2015 ist Valtteri Bottas auch 2016 beim Grand Prix von Kanada zum ersten Mal auf das Podium gefahren. Vor einem Jahr hatte er nach sieben Rennen allerdings 57 Punkte auf dem WM-Konto, derzeit sind es nur 44. Grund genug, mit dem Williams-Fahrer die aktuelle Situation in seinem Team zu durchleuchten.
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Valtteri Bottas wurde in Kanada zum besten Fahrer des Wochenendes gewählt Zoom Download
Für unser exklusives Interview gab es einen konkreten Anlass: Nach Montreal bekam Bottas von unseren Lesern, Experte Christian Klien und unserer Redaktion die besten "Schulnoten" für seine Leistung, vor Sieger Lewis Hamilton und Sebastian Vettel. Das haben wir auf Twitter gepostet - und prompt ein Like vom 26-jährigen Finnen bekommen. Im Gespräch am Rande des Grand Prix von Europa in Baku bestätigt er, dass er das selbst war, und spricht zudem über sportliche Themen.
Frage: "Valtteri, wir haben auf Twitter gepostet, dass Sie bei unserer Zeugnisverteilung nach Kanada zum besten Fahrer gewählt wurden. Sie haben das gelikt. Hat das Ihr PR-Berater gemacht oder Sie selbst?"
Valtteri Bottas: "Das war ich selbst. Ich habe niemanden für meine Social-Media-Accounts. Das mache ich alles selbst."
Frage: "Ein Kollege von mir hat früher Fußball gemacht. Er sagt, dass die Spieler immer sagen, ihnen seien die Kritiken egal. Aber in Wahrheit sind die Noten immer das Erste, was sie lesen, wenn sie den neuen kicker in die Hand bekommen. Wie ist das bei Ihnen? Freut Sie so etwas?"
Bottas: "Wenn es positiv ist, freue ich mich über solche Kritiken (lacht; Anm. d. Red.)!"
"Natürlich ist es schön, manchmal auch etwas von dem ganzen Support mitzubekommen, auf Twitter oder Facebook. Aber wenn du mal ein schlechtes Rennen hattest, gibt es auch immer einige, die meckern. Das berührt mich dann weniger."
Schulnoten: Ganz objektiv bewerten geht nicht
Frage: "Unsere Schulnoten sind der Versuch, die Leistungen der Fahrer von Einflüssen wie dem Material, das Ihnen zur Verfügung steht, zu isolieren und zu bewerten. Geht das in der Formel 1 überhaupt?"
Bottas: "Irgendwie wahrscheinlich schon, aber andererseits können Außenstehende nicht immer alle Details wissen, was im Hintergrund bei einem Fahrer los war."
"Nehmen wir ein Beispiel. In den ersten drei Rennen hatte ich jedes Mal ein Problem mit dem Auto, aber nicht viele wussten, wie viel mich das wirklich pro Runde gekostet hat. Wie soll dann jemand objektiv beurteilen können, dass ich an dem Wochenende zu langsam war?"
Frage: "Weil unmittelbar nach dem Rennen manchmal nicht einmal Sie selbst wissen, wie viel ein Problem genau ausgemacht hat."
Bottas: "Genau so ist es."
Fotostrecke: GP Kanada, Highlights 2016
Die Formel-1-WM 2016 ist wieder spannend: Lewis Hamilton kommt mit dem zweiten Saisonsieg bis auf neun Punkte an Nico Rosberg heran. Ferrari ist dank Turbo-Update wieder voll konkurrenzfähig. Und Valtteri Bottas steht in Montreal zum zweiten Mal hintereinander auf dem Podium. Fotostrecke
Frage: "Was war das Problem, das Sie in den ersten drei Rennen hatten?"
Bottas: "Nehmen wir Bahrain. Mein Auto war ab Rennmitte beschädigt, es fehlte ein kleines aerodynamisches Teil. Das hat 0,3 Sekunden pro Runde gekostet. In China passierte das Gleiche, wieder ein aerodynamisches Teil weg, vorne. Hat vier Zehntelsekunden pro Runde gekostet. Aber das weiß niemand. Und dann werden Benotungen schwierig."
Frage: "Kanada war Ihr erstes Podium, auch das erste für Williams in dieser Saison. 2015 hatte das Team zu diesem Zeitpunkt schon mehr Punkte. Wie wichtig war dieses Podium, auch als Befreiungsschlag? Denn selbst in Kanada, auf einer Williams-Strecke, waren die Trainingsergebnisse nicht so, wie Sie sich das wahrscheinlich erhofft hatten."
Bottas: "Es tut richtig gut!"
"Es war für uns als Team bisher eine schwierige Saison. Wir waren nicht so stark wie in den vergangenen beiden Jahren. Mit Red Bull, Ferrari und Mercedes ist die Konkurrenz an der Spitze stärker denn je. Da war es schön, die Spitze einmal durchzumischen."
Podium in Kanada "wie ein Sieg" für Williams
"Für uns ist das Podium eine große Sache - das Rennen war wie ein Sieg. Daraus schöpfen wir das Selbstvertrauen und den nötigen Schub, um für solche und noch bessere Ergebnisse noch härter zu arbeiten. Und für mich als Fahrer ist es ein schönes Gefühl, wenn du nach dem Rennen zur Siegerehrung darfst. Jetzt freuen wir uns auf die nächste Herausforderung, die nächste Chance."
Frage: "Und das Timing war optimal. Denn jetzt kommen 'Williams-Wochen', wie wir geschrieben haben: Silverstone, Spielberg, Hockenheim, Spa-Francorchamps, Monza."
Bottas: "Genau. Wir wissen, dass unsere Leistungen - leider - sehr streckenabhängig sind. Wir haben immer noch unsere Schwäche in den Kurven, aber genau die angesprochenen Wochenenden müssen wir bestmöglich nutzen. In Kanada ist uns das gelungen. Jetzt müssen wir schauen, dass wir das in den nächsten Rennen genauso hinbekommen."
Frage: "Woran liegt es eigentlich, dass Williams die schnellen Kurven nicht so gut hinbekommt? Fehlt Anpressdruck?"
Bottas: "Es ist großteils Anpressdruck, ja, vor allem die Performance in den Kurven. Auf den Geraden ist unser Auto ziemlich schnell. Aber in den Kurven fehlt uns Grip. Das macht den Unterschied aus."
Frage: "Mir ist bewusst, dass die Frage sehr simplifiziert ist, aber warum packen Sie dann nicht einfach mehr Flügel auf das Auto? Würde das dann den Topspeed stärker reduzieren als bei anderen?"
Bottas: "Wir finden den Anpressdruck einfach nicht. Wir versuchen es, aber auf einigen Strecken, etwa in Monaco oder Barcelona, haben wir schon alles draufgepackt, was irgendwie geht. Es war trotzdem zu wenig."
Lieber Stärken fördern als Schwächen kaschieren
Frage: "Und dann konzentriert man sich lieber gleich auf die Stärken, nämlich die aerodynamische Effizienz und den Topspeed, und versucht mit den Schwächen bestmöglich zu leben, richtig?"
Bottas: "Ja, sicher. Aber ganz so einfach ist es nicht."
"Wir simulieren, mit welchem Setup wir mit unserem Auto die beste Rundenzeit hinbekommen. Das versuchen wir dann an der Strecke zu optimieren. Wenn wir ins Wochenende gehen, haben wir so und so viele Teile zur Verfügung, und davon müssen wir am Freitag die richtigen raussuchen."
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Frage: "Williams hat von 2013 auf 2014, sicher auch dank des Mercedes-Antriebs, einen Riesenschritt gemacht. Dieses Jahr tun Sie sich aber schwer. Ist für ein Team mit den Ressourcen von Williams einfach schon die Grenze erreicht?"
Bottas: "Ich hoffe, dass das nicht die Grenze ist! Und ich glaube das auch nicht."
"2014 war seit langem die beste Williams-Saison. Ich glaube nicht, dass wir schon unsere Grenze erreicht haben, aber in der aktuellen Formel 1 ist es extrem schwierig, ein Siegerteam zu werden. Die Topteams investieren in großem Stil Geld, und dieses Geld brauchst du, um die besten und klügsten Mitarbeiter zu engagieren."
Frage: "Malen wir mal ein Wunschszenario, in dem Geld keine Rolle spielt. Wo würden Sie dann ansetzen? Mehr Personal? Besseres Personal auf Schlüsselpositionen? Equipment?"
Bottas: "Ich glaube, wir haben viele kluge Leute im Team. Teams wie Mercedes und Ferrari haben einfach mehr Leute als wir, und die sind auch nicht blöd."
Rivalität mit Kimi Räikkönen
"Aber ich bin nicht derjenige, der beantworten sollte, was Williams braucht, um den nächsten Schritt zu machen. Das ist die Aufgabe von Claire Williams und Pat Symonds. Mit mehr Budget könnten sie halt mehr Leute engagieren und mehr Weiterentwicklung betreiben."
Frage: "Themenwechsel. Sie sind in letzter Zeit immer mal wieder mit Kimi Räikkönen aneinander geraten, zumindest auf der Strecke. In Finnland ist das wahrscheinlich ein Riesenthema, nicht wahr?"
Bottas: "Das finnische Fernsehen vermarktet diese Rivalität zwischen mir und Kimi richtig!"
Frage: "Und spielen Sie da bewusst mit?"
Bottas: "Nein. Für mich gibt es diese Rivalität nicht. Ich stehe natürlich mit jedem Fahrer im Wettbewerb, wir versuchen in jeder Situation, besser als der andere zu sein. Aber zwischen mir und Kimi ist das nicht anders als mit anderen Fahrern. Die Leute mögen das halt. Wenn es für das Fernsehen eine gute Geschichte ist, soll es so sein. Mich juckt das nicht."
Frage: "Kimi ist ein paar Jahre älter als Sie. Lange bevor Sie Formel 1 gefahren sind, muss er fast zwangsläufig so etwas wie ein Jugendidol gewesen sein."
Bottas: "Klar war er das! Als ich Kimi in der Formel 1 gesehen habe, bin ich noch Kart gefahren. Da schaust du natürlich zu allen Formel-1-Fahrern auf, besonders zu denen aus dem eigenen Land."
"Aber wenn du dann gegen ihn antrittst, verändert sich das. Wir fahren in der gleichen Rennserie. Unsere Autos sind anders, aber sonst steckt da wirklich nichts dahinter. Ich will jeden einzelnen Fahrer schlagen, nicht nur Kimi."
Frage: "Erinnern Sie sich noch an Ihr erstes persönliches Treffen mit Kimi?"
Bottas: "Das muss bei einem Test gewesen sein. Barcelona vielleicht?"
Fragen mit Kultstatus in den FIA-Pressekonferenzen
Frage: "Wenn Sie es nicht mehr genau wissen, war es wohl kein besonderer Moment für Sie?"
Bottas: "Nicht wirklich. Es war schön, ihn kennenzulernen, schließlich sind wir Landsleute. Aber das war's auch schon."
Frage: "Der finnische Journalist Heikki Kulta stellt in den FIA-Pressekonferenzen immer wieder Fragen zu diesem Duell, logischerweise. Das ist fast schon ein Running Gag."
Bottas: "Heikki ist ein guter Kerl. Er macht seinen Job. Ich versuche, ihm immer gute Antworten zu geben."
Frage: "Die letzte Frage muss ich stellen, auch wenn ich keine Antwort erwarte. Ihr Vertrag läuft am Jahresende aus, richtig?"
Bottas: "Ist das so? Wer weiß?"
Frage: "Zumindest sagt Williams-Testfahrer Lance Stroll das."
Bottas: "Keine Ahnung. Es ist noch zu früh."
Frage: "Wann wird es Entscheidungen geben?"
Bottas: "Normalerweise kommen wir bald in die Zeit, in der die ganzen Spekulationen losgehen. Als Fahrer hoffst du natürlich, früh Bescheid zu wissen, aber jetzt ist es noch zu früh, mehr darüber zu sagen."