Olivier Panis über Monaco 1996: "Ich habe etwas gerochen"
Im Interview erklärt Panis, wieso seine Frau ihn beinahe für verrückt erklären ließ, warum sein Ligier keinen Meter mehr fuhr und er nach wildfremden Menschen sucht
(Motorsport-Total.com) - Viele Formel-1-Fans verbinden mit dem Namen Olivier Panis ein Bild: Ein blaues Auto mit einem Fahrer, der eine riesengroße Tricolore hält und im dicht bewölkten Monaco jubelt. Der Sieg beim Grand Prix 1996 - am 19. Mai 1996, also vor genau 20 Jahren - war der größte Erfolg in der Karriere des Franzosen. Hinter dem Erfolg steckte viel mehr als ein Rennen voller Zittern und Bangen wie Panis im Interview mit 'Motorsport-Total.com' erzählt - etwa eine vage Vorahnung am Sonntagmorgen.
Frage: "Olivier, wenn du heute zu einem Rennen fährst, hast du immer einen Smoking dabei?"
Olivier Panis: "Nein (lacht; Anm. d. Red.)! Nach dem Rennen 1996 habe ich auch nie wieder einen angezogen - oder zumindest keinen mitgenommen, da bin ich mir sicher."
Frage: "Mir geht es natürlich um das Galadinner für den Sieger am Sonntagabend, für das du dir einen ausgeliehen hast. Wo hast du den Smoking damals herbekommen?"
Panis: "Vom Automobile Club de Monaco. Er hat ganz gut gepasst. Aber keine Ahnung, wie es geklappt, so schnell an einen heranzukommen."
Frage: "Kannst du dich noch daran erinnern, was Fürst Rainier III. damals zu dir gesagt hat?"
Panis: "Er sagte, er würde sich sehr freuen, dass ein französischer Fahrer gewonnen hätte. Die Beziehung der Franzosen und der Monegassen sei eine sehr tief verwurzelte. Er freute sich, dass er mit dem Sieger einmal Französisch sprechen konnte."
Am Sonntagmorgen glaubte Panis an ein Podium
Frage: "Würdest du rückblickend sagen, es sei das wichtigste Rennen deiner Karriere gewesen?"
Panis: "Es war wichtig, ja. Es ist der Traum eines jeden Fahrers, in Monaco gewinnen und eine tolle Erinnerung. Aber als ich 1997 ein Auto hatte, mit dem ich ständig um Siege fuhr, war das auch ein fantastisches Jahr - bevor ich den Unfall hatte (er zog sich in Kanada zwei Beinbrüche zu und musste sieben Grand Prix lang aussetzen; Anm. d. Red.). Das Monaco-Rennen bleibt dennoch ein Wendepunkt meiner Karriere."
Frage: "Zurück zum Anfang des Rennwochenendes: Mit welchen Erwartungen bist du damals nach Monaco gekommen?"
Panis: "Das war wirklich merkwürdig. Wir hatten ein Auto, das in Monaco gut laufen würde und sogar das Potenzial für die Top 6. Aber dann gab es Motorenprobleme im Qualifying, nachdem ich mit zwei Versuchen mit neuen Reifen schon auf Rang fünf gelegen war. Am Ende war ich dann 14.! Als ich am Sonntagmorgen aufgewacht bin, habe ich zu meiner Frau gesagt: 'Ich denke, ich fahre heute auf das Podium!'' Sie hat mich wohl für komplett verrückt gehalten."
Fotostrecke: Der verrückte Monaco-Grand-Prix 1996
Olivier Panis erlebt am 19. Mai 1996 sein blaues Wunder in seinem blauen Auto. Wir erinnern am 20. Jahrestag des verrückten Monaco-Rennens an einen Grand Prix, bei dem nur drei Autos den Zielstrich überfuhren, kein Mensch mit dem letztendlichen Sieger rechnete und gleich zwei "Michael Schumachers" in der Startaufstellung standen. Fotostrecke
"An den Sieg habe ich aber ganz sicher nie gedacht. Nach meiner Bestzeit im Warmup war ich zuversichtlich. Als der Regen kam sogar noch mehr: Ich liebe Regen! Ich war ganz ruhig und konzentriert, weil ich etwas gerochen habe. Das ist schwierig zu erklären. Aber da irgendetwas, was ich gefühlt habe."
Frage: "Ein Formel-1-Fahrer liebt oder hasst Monaco..."
Panis: "...und ich liebe es! Ich mag Straßenkurse. Schon in Pau (eine Rennstrecke ähnlich Monaco in Südfrankreich; Anm. d. Red.) habe ich in allen Serien gewonnen."
Frage: "Am Rennstart waren die Bedingungen sehr schwierig, auch Michael Schumacher hing schon in der ersten Runde in der Leitplanke. Wie hast du es geschafft, das zu vermeiden?"
Panis: "In Monaco ist man einem Unfall mehr oder weniger immer nahe. Ich habe es geschafft, dem Chaos zu entgehen und im ersten Stint fünf oder sechs Autos überholt. Den ersten Stopp haben wir gemacht, als die Strecke ziemlich feucht war. Und wir haben Slicks aufgezogen. Dann habe ich gegen Eddie Irvine viel riskiert und er flog ab. Mein Auto war zum Glück unbeschädigt. Ich war zuvor fünf oder sechs Runden hinter ihm hergefahren und wusste, dass es der richtige Ort wäre, um ihn zu überholen. Eddie war einfach auf der falschen Seite für die Reifen."
Taktische Meisterleistung: Panis wollte nicht an die Box
"Dann habe ich meine besten Runden gefahren - als es gegen Jean (Alesi, der zu diesem Zeitpunkt führte; Anm. d. Red.) ging. Er hatte ein Aufhängungsproblem und als ich die Führung übernommen habe, musste ich nur durchfahren, mich auf meinen Job konzentrieren. Einige Runden vor Schluss wurde ich an die Box geholt, weil man glaubte, ich könnte nicht genügend Benzin an Bord haben. Ich habe gesagt: 'Nein! Lasst mich versuchen, so viel zu sparen, wie es geht. Schaut euch die Daten Kalkuliert jede Runde neu. Wenn es passt, komme ich nicht mehr an die Box.' Ich habe so viel Sprit gespart wie möglich. Auch noch, als David Coulthard direkt hinter mir war. Ich wusste, dass er mich nicht würde überholen können, wenn ich keinen Fehler machte."
"Wir haben es geschafft und es war einfach unglaublich. Ich habe meine Ehrenrunde mit der Flagge gedreht und vor dem Podium geparkt. Als wir danach das Auto wieder starten wollten, ging es nicht mehr. Es war kein Tropfen Benzin mehr drin. Wenn man Erfolg hat, dann glückt einfach alles."
Frage: "Eddie Irvine ist ja niemand, den man schnell überholt - erst recht in der Loews-Haarnadel. Hast du da gedacht: 'Jetzt überhole ich oder es kracht eben?'"
Panis: "Ich wusste, wie schwierig es war, Eddie zu überholen. Aber ich hatte ihn rundenlang studiert und wusste, was ich erwarten durfte. Als ich es dann probiert habe, habe ich ihn natürlich berührt. Heute hätte ich in der Formel 1 dafür ganz sicher eine Strafe bekommen, aber damals war es noch ganz anders - und sowieso besser. Das Lustige war: Am Montagmorgen haben wir an der Hotelrezeption zusammen die Rechnung bezahlt. Er hat gelacht und gesagt: 'Jeder hat sich darüber beschwert, dass ich nicht zu überholen gewesen wäre. Du hast es hinbekommen. Gratulation!' Es war immer schön, gegen Eddie Rennen zu fahren. Ich mag den Kerl, es war immer lustig mit ihm."
Frage: "Hast du mitbekommen, wie viele Autos ausgefallen waren? Oder hast du davon erst im Ziel erfahren?"
Panis: "Ich bin das Rennen so zu Ende gefahren, wie ich es auch sonst zu Ende gefahren wäre. Ich habe gesehen, wie viele Autos abgeflogen waren. Erst in der letzten Runde wurde mir klar, wie viele es wirklich waren. Darüber nachgedacht habe ich aber nie."
Frage: "Dein Team hat dir während des Rennes über Funk jede Menge Informationen gegeben. Heute nervt das viele Fahrer. Wie war das damals bei dir?
Panis: "Nein, das hat mich nicht genervt. Ich musste Bescheid wissen, wie viel Sprit ich sparen muss."
Panis sucht heute noch die Menschen mit der Tricolore
Frage: "Wann dachtest du das erste Mal, dass du gewinnen könntest?"
Panis: "Als ich gesehen habe, dass Jean ein Aufhängungsproblem hat. Da lag ich erstmals in Führung und niemand war wirklich nahe an mir dran. Ich habe versucht, den Abstand auf David konstant zu halten. In den letzten Runde habe ich dann jede Menge Geräusche am Auto gehört. Ich war voll in Panik wegen technischer Probleme. Hinzu kam der Sprit."
Frage: "Du bist die Auflaufrunde mit der riesigen Tricolore in der Hand gefahren. Wo hattest du sie her?"
Panis: "Die habe ich mir an der kurzen Geraden nach dem Casino organisiert, wo es zur Loews-Kurve geht. Da standen Leute, die mir geholfen haben, sie mitzunehmen. Ich habe es gemacht, weil es mir einfach gefallen hat. Irgendwann muss ich die Leute finden, die mir diese Flagge gegeben haben. Ich habe bis heute keine Ahnung, wer das war."
Frage: "Was ist danach mit der Flagge passiert?"
Panis: "Ich weiß gar nicht, ob das Team sie behalten hat. Nach dem Rennen ist das Auto direkt nach Japan ins Museum geschafft worden. Auch der Helm. Ich habe beides nie wieder gesehen."
Frage: "Und der Pokal?"
Panis: "Den habe ich. Und zwar das Original. Er steht bei meinen Schwiegereltern. Ich habe ihn noch nicht einmal zu Hause."
Frage: "Hast du ein Video des Rennens?"
Panis: "Ja. Ich habe es einmal mit meinem Sohn angesehen und ich war total perplex: Als ich gesehen habe, wie ich das Auto auf feuchter Bahn mit Trockenreifen platziert habe, da dachte ich: 'Da musst du doch in jeder Runde crashen!' Das hat mich überrascht, aber es war lustig."
Frage: "Was würde es dir bedeuten, wenn dein Sohn Aurelien, der heute in der früheren Renault-World-Series fährt, eines Tages auch in Monaco gewinnen würde?"
Panis: "Das wäre fantastisch und würde die Geschichte abrunden. Was schade ist: Dass in der Formel 1 seit mir kein Franzose mehr gewonnen hat. Ich hoffe sehr, dass es wieder einem gelingt. Mein Traum ist es, dass Aurelien es schafft. Aber das ist ein Traum."