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Daniil Kwjat sauer: "Werde mich lange daran erinnern!"
Daniil Kwjat erklärt, warum die Toro-Rosso-Junioren besser ausgesehen haben, als sie wirklich sind, und sagt den Chefs: "Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis"
(Motorsport-Total.com) - Daniil Kwjat konnte einem fast leidtun, als er sich am Donnerstag in Barcelona auf der großen Bühne der FIA-PK erstmals seit Sotschi der Weltpresse stellte. Während Max Verstappen links neben ihm alle Mühe hatte, sich sein inneres Dauergrinsen zu verkneifen, schien der 22-jährige Russe über weite Strecken den Tränen nahe zu sein.
Als er sich wieder erfangen hatte, stellte er sich am Donnerstagabend in Barcelona noch einem exklusiven Interview mit 'Motorsport-Total.com'. Schließlich waren wir es auch, die als erstes Medium mit Helmut Marko gesprochen hatten - also jenem Mann, der die Entscheidung zum internen Fahrertausch letztendlich zu verantworten hat.
Frage: "Daniil, das müssen gerade schwierige Tage für dich sein. Wie meisterst du die?"
Daniil Kwjat: "Es waren harte Tage für mich. Ich hatte ein paar gute Tage Zeit, um über das Leben und die Formel 1 nachzudenken, und ich habe dabei viel gelernt. Diese Erfahrung macht mich zu einem stärkeren Charakter und einem besseren Fahrer, denn in der Formel 1 geht es leider nicht nur darum, was du auf der Strecke tust."
Frage: "Ist es nicht ironisch, dass Toro Rosso momentan fast besser unterwegs ist als das Team, von dem du weggehst?"
Kwjat: "Toro Rosso hat großes Potenzial. Sie wurden bisher ein wenig unter Wert geschlagen. Ich werde mein Bestes geben, um das Potenzial des Autos zu entfalten, denn das Team verdient das. Ich habe Red Bull als Toro-Rosso-Fahrer schon einmal geschlagen, 2014. Das will ich jetzt wiederholen, um sie an die guten alten Zeiten zu erinnern!"
Aus der GP3 ins Red-Bull-A-Team: Zu schnell gegangen?
Frage: "Red Bull hat dich aus der GP3 direkt in die Formel 1 befördert, und obwohl Franz Tost seine Fahrer normalerweise drei Jahre lang aufbauen möchte, kamst du schon nach einer Saison als Ersatz von Sebastian Vettel zu Red Bull. Ist im Nachhinein betrachtet vielleicht alles zu schnell gegangen?"
Kwjat: "Überhaupt nicht!"
"Als ich zu Red Bull kam, war das Auto schlechter als der Toro Rosso. Damals war es für die Toro-Rosso-Fahrer leicht, einen glänzenden Eindruck zu hinterlassen. Ich glaube, dass die Umstände Anfang 2015 für die Toro-Rosso-Jungs sehr hilfreich waren. In meiner zweiten Saisonhälfte bei Red Bull Racing war ich aber regelmäßig schneller als Daniel und ich holte auch mehr Punkte als er. Es hätte dieses Jahr genauso laufen können. Die Aussage, dass es zu schnell gegangen ist für mich, ist Bullshit."
Frage: "Du suchst also nicht nach Ausreden. Findest du, dass du nicht auf Red-Bull-Level performt hast? Oder was waren deiner Meinung nach die Gründe?"
Kwjat: "Ich finde, dass ich mehr als genug getan habe. Ich habe dem Team das erste und bisher einzige Podium der Saison gebracht. Unser Tempo wurde immer besser. Ich finde, ich habe alles getan, was von mir erwartet wurde. Mehr will ich dazu nicht sagen. Ich habe doch alles richtig gemacht."
Frage: "Fühlst du dich als politisches Opfer innerhalb der Red-Bull-Gruppe?"
Kwjat: "In der Formel 1 geht es nicht nur um das, was auf der Strecke passiert, sondern es passiert viel drumherum. Aber ich werde mich davor hüten, das in diesem Interview zu diskutieren, sondern ich behalte das für mich."
"Ich habe daraus gelernt und kann nur sagen: Ich habe ein sehr gutes Gedächtnis - und an diese Entscheidung von ihnen werde ich mich sehr, sehr lange erinnern! Jetzt bin ich wieder bei Toro Rosso. Ich mag das Team sehr, das beruht auch auf Gegenseitigkeit. Wir haben großes Potenzial. Alles in allem kann es sogar ein guter Schritt für meine Karriere sein. Schauen wir mal, wo wir Ende der Saison stehen."
Zwischen den Zeilen: Sticheln gegen Helmut Marko
Frage: "Red Bull hat bisher noch nie einen Formel-1-Fahrer degradiert, sondern immer gleich rausgeschmissen. Schöpfst du aus der Tatsache, dass ein Restglaube in dich vorhanden zu sein scheint, Mut?"
Kwjat: "Ganz zu gehen war nie eine Option. Das wäre undenkbar gewesen."
"Ich respektiere meine Chefs zu sehr, um jetzt meinem Ärger freien Lauf zu lassen, sondern ich versuche, es als goldene Chance mit Toro Rosso zu sehen. Die habe ich Red Bull zu verdanken. Ich will ihnen aber zeigen, dass sie sich falsch entschieden haben. Es sind noch 17 Rennen zu fahren. Ich denke nur daran, in denen meine beste Leistung zu zeigen. Alles andere ist mir jetzt egal."
Frage: "Was nimmst du dir vor, dieses Jahr zu lernen?"
Kwjat: "Die Basis für alles sind gute Ergebnisse. Und dann ist es wie bei einem Kartenspiel, dass du wissen musst, wenn du deine Asse am besten ausspielst. Ich habe glaube ich gelernt, wie ich diese Asse spielen muss, und ich kann sie jetzt viel besser einsetzen. Ich werde mein Bestes geben, genug Asse in die Hand zu bekommen."
Frage: "Reden wir über deinen neuen Teamkollegen, Carlos Sainz. Die Ausgangsposition ist: Du musst ihn schlagen - und er dich auch..."
Kwjat: "So war es schon immer. Ich will jeden schlagen, Carlos natürlich auch. Ich werde mein Bestes geben. Aber daran denke ich nicht. Ich muss einfach mein Bestes geben, mit den Ingenieuren arbeiten, dann sollte es reichen. Ich kenne Carlos gut. Wir haben ein gutes Verhältnis."
Frage: "Der Daniil Kwjat, der heute zu Toro Rosso zurückkehrt, ist ein anderer als der, der Toro Rosso Ende 2014 verlassen hat. Was kannst du jetzt ins Team einbringen?"
Kwjat: "Ich hatte schon ein paar interessante Meetings mit dem Team, in dem ich frische Ideen einbringen konnte. Wir werden so früh wie möglich damit beginnen, diese zu entwickeln. Das ist positiv. Ich habe das Feuer in den Augen der Leute in der Fabrik gesehen. Das hat mir jetzt eine Zeit lang gefehlt. Ich möchte das Beste aus dieser Chance machen, denn ich glaube, da steckt einiges drin."
Allerhöchster Respekt vor Toro-Rosso-Technikchef
Frage: "Arbeitest du mit Technikchef James Key und den Mechanikern gut zusammen? Und hilft es, dass du ein bisschen Italienisch sprichst?"
Kwjat: "Als ich 2014 gegangen bin, fühlte es sich so an, als würde ich von zu Hause ausziehen. Jetzt komme ich zurück. Alles fühlt sich wie damals an, ich kenne viele der Orte und Gesichter, ich mag die Atmosphäre. Ich habe schöne Erinnerungen und werde hoffentlich weitere schöne Erinnerungen hinzufügen."
"James Key ist ein großartiger Konstrukteur. Die Autos, die er mit dem ihm zur Verfügung stehenden Budget gebaut hat, sind einfach fantastisch. Jetzt möchte ich dieses Potenzial entfalten, dann können wir glaube ich einige überraschen. Ich habe es immer sehr genossen, mit James zu arbeiten."
Fotostrecke: Red-Bull-Junioren in der Formel 1
Christian Klien (2004-2010): Mit Unterstützung von Red Bull debütiert der Österreicher 2004 bei Jaguar in der Formel 1. Nach der Übernahme des Rennstalls durch den Engergy-Drink-Hersteller fährt Klien auch 2005 und 2006 bei den meisten Grands Prix für das nun Red-Bull-Racing genannte Team an der Seite von David Coulthard. Ende 2006 scheidet Klien nach Streitigkeiten über einen Wechsel in die ChampCar-Serie aus dem Red-Bull-Kader aus. Später ist der Österreicher Testfahrer für Honda und BMW-Sauber und fährt 2010 drei Rennen für HRT. Fotostrecke
Frage: "Als Helmut Marko dich angerufen hat, während 'Game of Thrones', wie du schon verraten hast, hattest du da wirklich keine Vorahnung, dass das kommen würde?"
Kwjat: "Natürlich wusste ich irgendwie immer, dass etwas in der Luft liegt - nicht nur nach diesem einen Rennen, sondern schon länger. Seit ich zu Red Bull gekommen bin, wurde da geredet."
"Ich habe mich auf meinen Job auf der Strecke konzentriert. Wie sich herausgestellt hat, war das nicht genug. Aber nach Sotschi hatte ich keine Vorahnung. Es war ein Schock, es war damals eine verwirrende Entscheidung."
Frage: "Du sagst jetzt schon 'damals'. Jetzt nicht mehr?"
Kwjat: "Ach, ich denke darüber nicht mehr nach. Mein Team ist jetzt Toro Rosso."